„Warum bist du nur so böse?..."

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Étienne brachte Bella mit herein, in das große Schiff.
Alles, was unten auf dem Meeresgrund passierte, war irgendwie magisch. Er kam mit ihr auf dem Arm durch eine Wasserwand, die das Innere vom Schiff, vom Meer abschottete - Denn im Innern, war kein Wasser. Wer als Geist das Schiff verlassen und nach draußen wollte, musste also erst durch eine Wasserwand.

Er lief mit ihr die rechte Treppenseite hinunter, danach ging er mittig nach unten, in den großen Saal hinein. Es war menschenleer und still, allerdings wurde der Saal vom schönen Kronenleuchter erhellt. Das einzige was man zunächst hörte, waren Étienne's Schritte. Er sah sich um, und legte Bella dann in der Mitte auf den Boden, direkt unter den Kronenleuchter.

Als er sie abgelegt hatte, sah er auf sie herab - Und das, nicht gerade freundlich.
Doch Étienne wurde bemerkt.

Plötzlich kam eine alte Frau angerannt.

Sie trug ein pompöses Kleid, und schöne, graue Locken. Dazu einen kleinen Hut, und sie war ein bisschen dicker. Außerdem war sie ein herzensguter Mensch, der immer gut gelaunt war - Ihr Name war Dorothee.

...

„Oh, ein neues Gesichtchen!"
Sagte sie liebevoll.

„Ja. Allerdings."
Antwortete Étienne, nicht begeistert.

„Sie ist ja noch so jung, und vor allem so schön! Warum ist sie hier, Étienne?"
Fragte Dorothee.

„Sie ist nicht schön. Sie schwamm direkt über unserem Wrack, an der Meeresoberfläche. Obwohl man sie gewarnt hat."
Verschränkte er seine Arme.

„Aber wie ist sie denn hier runter gekommen? Von alleine bestimmt nicht."
Fragte sie.

...

„Und eine von uns kann sie nicht sein, sonst würde ich sie kennen."
Sah sie Étienne an.

„Ich, habe sie in die Tiefe gezogen."
Antwortete Étienne.

„Bist du wahnsinnig? Warum hast du das getan? Willst du, dass das Mädchen stirbt?"
Fasste sie ihm an die Schulter.

„Die stirbt nicht. Die kann atmen. Und selbst wenn, dann ertrinkt sie eben."
Zuckte er mit den Schultern.

„Étienne! Wie kannst du dich in 150 Jahren nur so verändert haben? Du warst so ein freundlicher, lieber, aufrichtiger Mann damals! Und heute? Ist davon nichts mehr übrig."
Redete sie ihm ins Gewissen.

„Dann ist das so."
Sagte er zickig.

„Wir müssen uns um sie kümmern!"
Sagte die Dame.

„Wir? Ich kümmere mich bestimmt nicht um sie! Sie hielt uns für unecht, Dorothee!"
Antwortete Étienne.

...

„Okay, ich akzeptiere deine Entscheidung. Aber wenn dir sowieso alles egal ist, dann bring sie doch wieder zurück an die Oberfläche?"
Redete sie ihm erneut ins Gewissen.

„Das werde ich nicht tun. Sie bleibt schön hier unten, als Strafe. Niemand soll sie jemals wieder zu Gesicht bekommen."
Sah Étienne böse auf sie herab.

„Ach Étienne."
Seufzte Dorothee.

...

„Es ist aber sehr kalt hier unten, gib ihr wenigstens etwas zum Anziehen!"

Étienne seufzte genervt.

„Was denn?"
Fragte er.

„Ein normales Kleidchen, du weißt doch, wie schön warm unsere Kleider halten. Bitte, lass sie nicht erfrieren."
Schaute sie sie an.

„Na gut. Wenn du mich dann in Ruhe lässt."
Gab Étienne nach.

Er hockte sich zu ihr hinunter und öffnete seine Handfläche, aus ihr kam ein durchsichtiger, schwarzer Zauber heraus. Er umringte Bella's Körper, ließ sie kurz aufschweben und erschuf dann ein schönes, türkises, schlichtes Kleid. Es hatte lange, leicht durchsichtige Ärmel, war an den Enden unten ein wenig zerrissen und kaputt. Dazu entwickelten sich Perlen Ohrringe, blaue Schuhe mit einem leichten Absatz und ihre offenen, blonden Haare waren nun gekämmt und trocken.

Als ihr Bikini verschwunden war, spürte sie endlich wieder Wärme um sich herum.
Das Kleid war ihre letzte Rettung, und so, bekam sie auch vorsichtig ihr Bewusstsein zurück.

„Mama! Ich brauche dich! Komm mal kurz her!"
Rief Henrik.

„Ja, mein Sohn. Ich bin schon auf dem Weg!"
Rief Dorothee zurück.

...

„Ich gehe jetzt nach Henrik sehen. Und du passt auf sie auf, wenn du sie schon zu uns in die Tiefe holst."
Sagte sie zu Étienne.

„Jaja."
Äffte er sie nach.

Dorothee ging fort.
Und Bella, erlang ihr Bewusstsein wieder zurück.

Langsam öffnete sie ihre Augen, schaute sich um und versuchte, sich auf ihren Händen abzustützen.
Sie spürte die kalten Fliesen an ihren Handflächen und wirkte noch immer sehr benommen.
Müde und verwirrt hielt sie sich ihre Hand an den Kopf.

„Wo bin ich?"
Fragte sie.

„In meinem Schiff. Oder denkst du, ich habe dich frei gelassen?"
Antwortete Étienne ohne Mitleid.

Bella stand vorsichtig auf.

„Was habe ich überhaupt an? Mir ist plötzlich so warm..."
Stand sie auf wackeligen Beinen.

„Ein Kleid. Es hält dich hier unten warm. Du kannst froh sein, dass man sich für dich eingesetzt hat und dir Mitleid zeigt. Mehr sage ich dir nicht."
Sah Étienne sie an.

„Für mich eingesetzt? Wie meinst du das denn?"
Fragte sie ruhig.

„Das geht dich nichts an. Wenn es nach mir ginge, wärst du längst erfroren oder ertrunken."
Stützte er seine Hände in die Hüfte.

...

„Was soll das? Warum bist du nur so böse?"
Flüsterte sie sichtlich schockiert.

„Wünsch dir nicht, mich böse zu erleben."
Antwortete er schnell.

...

„Hör zu...Étienne. Oder wie du heißt. Wenn ich etwas schlimmes getan habe, tut es mir aufrichtig leid! Es war nie meine Absicht, dich und dein Volk hier unten zu stören, oder mich über euch lustig zu machen.
Aber bitte...Lass mich wieder zurück nach oben!"
Bettelte sie.

„Wie redest du überhaupt mit mir? Du bleibst hier."
Sagte er.

„Ich bin aber niemand von euch! Meine Freunde! Meine Eltern! Ich möchte nicht, dass sie denken, ich sei tot!"
Bella wurde sauer.

„Das ist mir egal. Wer einmal in den Tiefen des Pazifiks verschollen ist, taucht nie wieder auf. Hat man dich davor nicht auch...Gewarnt?"
Grinste er böse.

Bella dachte traurig nach.

„D...Doch..."
Gab sie ungern zu.

„Also."
Unterbrach er sie.

...

„Du bist gemein! Garstig! Ein Ungeheuer, welches ahnungslose Menschen in die Tiefe zieht! Du hast kein Herz!"
Sagte Bella.

„Natürlich habe ich kein Herz, ich bin ein Geist. Du kannst froh sein dass ich dich nicht habe sterben lassen! Du bist vorlaut und respektlos. Aber das gewöhne ich dir schon noch ab."
Grinste er böse.

„Nein. Lass mich einfach in Ruhe."
Verkniff sich Bella die Tränen.

Sie lief an ihm vorbei.

...

„Vielleicht sollte ich deine albernen Freunde auch hier runter holen. Schließlich...Waren sie nicht besser als du. Was hältst du davon?"
Fragte er, seine Fingernägel ansehend.

Bella blieb stehen und biss sich auf die Lippe, gerade als sie auf die Treppe zugehen wollte.
Verkrampft drehte sie sich wieder zu ihm um.

...

ÉTIENNEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt