Ein paar Stunden später...
Bella putzte das große Geländer der Treppe im Hauptsaal. Sie fand Frieden während des Putzens, und fing sogar an, es zu mögen. Es beruhigte sie, und außerdem fand sie so auch Ruhe vor Étienne.
Körperlich vielleicht, denn er ignoriere sie und redete nicht mit ihr. Gedanklich sah das anders aus, sie dachte viel nach. Zu viel.
Sie mochte seine Art nicht, und ihn erst recht nicht, doch seine Redeweise veränderte sich vorhin ein wenig. Und warum, fragte sich Bella? Weil sie nicht mehr frech und vorlaut zu ihm war.
Sie wollte auf keinen Fall das tun, was er sagte - Doch ihr blieb keine andere Wahl.
Also versuchte sie sich damit zu arrangieren.In ihrem Putzwahn vertieft, lächelte sie plötzlich.
Sie dachte an ihre Freunde, an die schönen Zeiten, die sie gemeinsam hatten. An ihre Mutter. An alle anderen Menschen, die sie liebte.
Ihr Lächeln war echt, bezaubernd und einfach, wunderschön. Ihre Gedanken waren es, die ihre Liebsten für sie am Leben hielten.Étienne sah das.
Seine eigentliche Ignoranz Bella gegenüber wurde von ihrem Lächeln unterbrochen, er verschränkte seine Arme und sah sie unauffällig an.
Bella sah ihn nicht, und ließ sich von ihrer Umgebung nicht ablenken. Sie schaffte viel, und summte dabei einige Lieder.
Provokant blieb Étienne stehen und beobachtete sie weiter, mit einem unfreundlichen Gesichtsausdruck.Maria wurde von ihrem fröhlichen Gesumme angelockt, sie horchte, woher es kam.
Als sie dann bemerkte, dass es Bella war, ging sie lieb lächelnd auf sie zu.
Das die beiden von Étienne beobachtet wurden, ahnten sie nicht....
„Hey, was summst du denn da für ein schönes Lied?"
Fragte Maria.„Hallo! Oh, ein ganz einfaches. Nichts besonderes."
Antwortete Bella fröhlich.„Macht dir das putzen etwa Spaß?"
Sah sie sie an.„Ja, es befreit mich und gibt mir Frieden."
Putzte Bella weiter das Geländer.„Mir manchmal auch. Aber ich mache das hier ja schon seit über 100 Jahren, oft auch mit meiner Freundin Margarete zusammen. Brauchst du vielleicht Hilfe?"
Fragte Maria.„Oh nein. Ich schaff das alleine, du musst mir nicht helfen."
Verneinte sie freundlich.„Bist du dir sicher?"
Maria war unsicher.„Ja. Ruh dich aus, ich mache das hier schon."
Nickte sie lächelnd, in ihrem Kleidchen.„Ach, vielen Dank. Das bedeutet mir sehr viel, eine Pause könnte ich jetzt wirklich gebrauchen."
Schnaufte Maria erleichtert.„Geh nur, ich habe alles im Griff."
Schmunzelte Bella.„Danke, tausend Dank! Du bist ein guter Mensch."
Sagte sie.„Dafür doch nicht."
Putzte Bella ausgelassen weiter....
Maria ging weg.
Bella putzte motiviert weiter, und war dann schließlich fertig mit dem Treppengeländer.
Étienne beobachtete sie immer noch und hörte alles mit, über was Maria und Bella gesprochen hatten.
Nun war Bella allein, die anderen, toten Menschen an Bord des Schiffes, sah sie selten. Ein paar von ihnen irrten herum, doch die meisten waren anderswo.
Im Wasser oder im Wrack verteilt, denn das Wrack war größer, als sich Bella vorstellen konnte.
Nahezu riesig, oder beinahe...Doch unendlich?Und plötzlich war da wieder die alte Frau, dessen Name Bella nicht kannte, und die sie auch sonst nie sah, egal ob am Tag oder beim gemeinsamen Abendessen.
Sie stand am Ende des Saales, mit einem Glas Wasser in der Hand....
Doch als sie es gerade trinken wollte, fiel es ihr unglücklicherweise aus der Hand.
Auffangen konnte sie es nicht mehr, also krachte es zu Boden, und zerschellte.
Das Wasser ergab eine Pfütze, und die Scherben fielen überall hin.
Bella hörte das, und drehte sich sofort um.Auch Étienne hörte das.
Bella sah, wie die alte Frau traurig auf ihr kaputtes Glas hinuntersah, und sofort packte Bella ihren Handfeger. Energisch rannte sie zu ihr hin, durch den kompletten Saal - An Étienne vorbei, den sie immer noch nicht bemerkte.
„Warten Sie! Ich helfe Ihnen!"
Rief Bella.„Ach, du schon wieder! An dich erinnere ich mich. Du bist das liebe Mädchen, welches mir gestern schon geholfen hat! Es tut mir leid, aber ich bin schon so alt."
Sagte sie.„Aber das ist doch nicht schlimm! Ich helfe gerne, ich mache das weg."
Hockte sich Bella hin, und kehrte die Scherben zusammen.„Pass auf, nicht das du dich schneidest, Kindchen!"
Sagte sie besorgt.„Nein nein."
Lächelte Bella.Nach ein paar Minuten hatte sie dann jede einzelne Scherbe beseitigt.
...
„So, dass muss alles gewesen sein."
Sagte Bella.„Hab vielen Dank."
Bedankte sich die alte Frau.„Ach, doch nicht dafür. Soll ich Ihnen etwas neues zu trinken bringen?"
Fragte Bella.„Nein, ich frage einfach den Kellner. Ich möchte dir keine Umstände machen. Auf Wiedersehen, Kindchen."
Lächelte sie Bella herzlich an.Und verschwand.
Bella sah sich um, doch die Frau war verschwunden. Hektisch drehte sich Bella immer wieder um sich selbst, Étienne verschwand daraufhin still und heimlich in der Dunkelheit. Er lief in einen anderen Saal, dann in einen Gang, und immer so weiter.
Bella hätte sich mindestens drei mal verlaufen, doch schon bald nahm sie sich vor, das Schiff weiter zu erkunden. In der Hoffnung, dabei nicht auf ihn zu treffen.Mit ihrem Handfeger und der Schaufel in der Hand ging sie fort. Sie brachte die Scherben weg.
Danach widmete sie sich wieder dem Putzen.
Das sie fast fertig war, bemerkte sie nicht.Und so, summte sie immer weiter.
Erledigte Maria's Arbeit gleich mit, und hinterließ bei einigen Schiffsbewohnern einen wunderbaren Eindruck. Nur Étienne hasste das Mädchen, als einziger. Doch auch er sah, wie Bella anderen half und seine Mitpassagiere nicht im Stich ließ.
Das machte seinen Hass auf sie eigentlich nur noch größer, oder doch nicht?
Schließlich hasste er sie so sehr, dass er sie nicht mal nach ihrem Namen fragte, geschweige denn sich dafür interessierte.Beim Gehen hörte er Bella's Gesumme, dabei verzog er erst sein Gesicht, dann rollte er mit den Augen.
Sein erkaltetes Herz, welches schon jahrelang ein dunkler Brocken war, wurde auch von ihrem Gesumme nicht erhellt.Doch sein Hass reichte nicht aus, sie nachhause gehen zu lassen.
...
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ÉTIENNE
Romance𝐎𝐥𝐝 𝐑𝐨𝐦𝐚𝐧𝐜𝐞 Im Jahr 1877, tief im viktorianischen Zeitalter, auf dem Weg von Australien nach Südamerika, sunk ein großes, adliges Passagierschiff auf den Grund des Pazifischen Ozeans. Alle Menschen starben in den Fluten des eiskalten Pazif...