„Ruf mich mit deiner schönen Musik..."

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„Denkst du, ich habe nicht gesehen, dass du dort standest? Ich habe dich beobachtet und es war für mich zum ersten Mal seit langen Jahren wieder ein Moment, den ich nie wieder erleben möchte. Denkst du, ich hätte dich sterben lassen?"
Schaute er auf sie hinab.

Bella biss sich verlegen auf die Lippe und drehte sich aus seinem Blickfeld.

...

„Hättest du nicht?..."
Fragte sie leise.

„Niemals."
Flüsterte er.

Bella bekam eine Gänsehaut.

„Ich bin dir so dankbar dafür, dass du mich gerettet hast. Das habe ich dir vor ein paar Tagen doch schon gesagt, als ich dich umarmt habe."
Sah sie wieder zu ihm.

„Ich habe deine Umarmung nicht richtig wahrgenommen."
Sagte Étienne.

...

„Willst du noch eine?"
Fragte Bella leise.

Étienne überlegte beleidigt.

Plötzlich umarmte Bella ihn erneut, er atmete tief ein und aus, danach griff er das Mädchen fest und ließ sie nicht mehr los. Bella schloss ihre Augen und auch Étienne ließ den Moment für ein paar Augenblicke auf sich zukommen. Fest drückte er sie an sich, seine Armen lagen wie ein Schutz um sie.
Bella lächelte.

...

Sie ließen sich wieder los.

„Und bitte glaube mir, ich will nichts von Karl. Sei nicht böse zu ihm, nur wegen mir."
Sagte sie.

„Dann glaube ich dir. Wenn das so ist, werde ich meine Kommentare ihm gegenüber von nun an in Grenzen halten."

„Das ist doch schon mal ein Anfang."
Lächelte sie.

„Tu so etwas nie wieder. Gib mir nie wieder den Eindruck, dass du dich hier verliebst, außer in meine Musik. Das darfst du."
Nickte er streng.

„Darf ich das?"
Fragte sie überrascht.

„Ja."
Sagte er.

„Sie ist aber auch wirklich schön. Ich würde ihr am liebsten immer folgen, aber leider war es in den letzten Tagen still auf deinem Piano."

„Ja, dass war es. Ich war nicht in der Stimmung zu spielen, doch dann erinnerte ich mich daran, dass du sie so gerne hörst. Also habe ich mich heute hingesetzt und für dich Klavier gespielt."
Sagte Étienne.

Dorothee's Worte zeigten Wirkung.
Und Bella, lächelte herzergreifend.

„Du bist plötzlich so nett...Bist du nachts immer so nett?"
Fragte Bella.

„Selten."
Nickte er langsam.

„Haben wir das jetzt geklärt mit Karl? Ich will nicht, dass du dich schlecht fühlst. Ich respektiere dein Jahrhundert und deine Denkweise, deswegen frage ich."
Fragte Bella, langsam müde werdend.

„Ja, wir haben es geklärt."
Seufzte er.

...

Étienne ging wieder zurück und setzte sich an seine Tasten.
Bella lief ihm nach.

„Möchtest du dich setzen?"
Fragte er.

„Nein, vielen Dank. Weißt du, ich bin schon müde, jetzt wo wir das geklärt haben, kann ich gleich besser und ruhiger schlafen."
Antwortete sie.

„Dann geh schlafen. Ich hätte mich gefreut, wenn du noch ein bisschen bei mir geblieben wärst. Aber Schlaf ist wichtig."
Nickte Étienne.

„Du hättest dich...Gefreut?"
Fragte Bella gähnend.

„Kann man bald so behaupten, ja. Aber bilde dir darauf nichts ein."
Sagte er.

„Mache ich nicht. Hörst du jetzt wieder damit auf, mir aus dem Weg zu gehen?"
Fragte sie müde.

„Wenn Karl mir nicht im Weg steht, dann höre ich auf, dich zu ignorieren."
Antwortete er.

...

„Eine Frage hätte ich aber noch, bevor ich schlafen gehen. Weißt du...Ich finde ich habe viele Fortschritte in der letzten Zeit gemacht, und dir bewiesen, dass ich Disziplin habe."
Fing Bella an.

„Und weiter?"
Verschränkte er seine Arme.

„Würdest du...Mir...Vielleicht...Eines Tages doch das tanzen beibringen?"
Stotterte sie.

„Du scheinst daran wirklich Interesse zu haben. Doch es ist nicht so einfach, wie du es dir vielleicht vorstellst.
Das sage ich dir gleich. Dennoch...Ich muss es mir mal überlegen."
Sagte er.

„Ich würde so gerne tanzen können! Das macht bestimmt großen Spaß."
Nickte sie.

„Wie man es nimmt. Innig und vertraut tanzen, ist wirklich etwas ganz besonderes. Mitunter einer der schönsten Dinge, die ich jemals erleben dürfte. Nur leider viel zu selten."

...

„Tanzen erfordert aber Vertrauen. Dieses grundlegende Vertrauen habe ich momentan zu dir einfach noch nicht, und du zu mir auch nicht. Wir sehen, was die Zeit bringt."
Seufzte er.

„Das stimmt, da hast du recht. Dann muss ich wohl mit Karl tanzen..."
Schmunzelte sie wegsehend.

„NEIN!"
Haute er brutal auf sein Klavier.

Ein lauter Klang entstand.

„Also?"
Fragte sie.

„Schon gut! Ich tanze mit dir. Ich werde versuchen es dir beizubringen, aber erhoff dir nichts. Das ist ein langwieriger Prozess."
Sagte er genervt.

„Das ist mir schon klar. Dann tanzen wir eben öfter miteinander, kein Problem."
Zuckte sie mit den Schultern.

...

„Geh, es ist schon spät."
Nickte er.

„Na gut. Gute Nacht, schlaf gut Étienne!"
Winkte Bella ihm zu.

„Du auch, Bella."
Sagte er zu ihr.

Kurz bevor Bella beim Ausgang war, drehte sie sich nochmal um.

„Étienne?"
Fragte sie.

„Ja?"
Drehte er sich von seinem Klavier aus zur Seite.

„Ruf mich in der Nacht mit deiner schönen Musik, und ich verspreche dir, ich werde da sein."
Lächelte sie.

Dann verschwand sie.
Étienne lächelte ihr ein wenig nach, dann schaute er wieder auf seine weißen Tasten.
Sein Lächeln verschwand, doch ein kleiner, innerer Frieden machte sich auch in ihm nach dem Gespräch  breit. Er war zu unrecht wütend auf Karl.
Das Bella nichts von ihm wollte, und auch nicht in ihn verliebt war, ließ ihn aufatmen.

Doch nach ein paar Sekunden starrte er dann wieder wütend auf seine Tasten, sich fragend, warum ihn das plötzlich so interessierte.
Seine dunkle Seite begann, ihn erneut einzunehmen, und Étienne hatte nicht die Kraft, dagegen zu kämpfen.
Er schüttelte mit dem Kopf und biss sich leicht auf die Lippe.

Mit Bella tanzen.

Wie sollte das funktionieren, fragte er sich? Seine und ihre Hand ineinander zu sehen war für ihn unvorstellbar. Zu lange war Étienne alleine.

...

Bella rannte währenddessen in ihr Zimmer zurück, durch den Saal, zuletzt die Treppe hinauf.
Schnell lief sie hinein, atmete grinsend und presste sich an die Tür. Nachdem sie sich beruhigt hatte zog sie sich aus, machte sich bettfertig und ging dann schließlich unter ihre kuschelige Decke.
Sie dachte nach.
Étienne sagte so viele Dinge zu ihr, die sie als zu nett empfand. Das mit dem Kronenleuchter, mit seiner Klaviermusik und...Er würde sogar mit ihr tanzen wollen.

Sie grinste im Bett vor sich hin, und freute sich, dass Étienne wenigstens nachts einigermaßen nett war.
Auf das Tanzen freute sie sich - Allerdings sah sie Étienne immer noch als Ungeheuer an, ohne Herz.
Eine Nacht ohne Streit, konnte bei ihr da noch nicht viel bewirken.

...

ÉTIENNEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt