Die Ödnis meines Lebens

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Ich sitze hier. In meinem Zimmer. Schon wieder starre ich frustriert auf das Bild in meinem grüngefärbten Zimmer. Auf dem Bild ist Freiheit abgebildet. Ich sehe den Wald. Bäume reihen sich aneinander. Ich stelle mir vor wie es ist dort zu sein. Ich kann die Vögel zwitschern hören. Ein Hase springt, viele Meter von mir entfernt, vorbei. Etwas raschelt im Gebüsch. Der Wind streicht durch die Blätter. Ich sehe die Käfer am Boden entlang krabbeln. Auch einige Ameisen sind unterwegs. Meine Füße berühren den weichen Erdboden. Vorsicht steige ich auf eine Moosplatte. Es kitzelt leicht zwischen meinen Zehen. Ich sehe mich um und bemerke die kleinen Sprösslinge der Bäume. Die Sonne bescheint sie vorsichtig mit ihren Strahlen durch das grüne Blätterdach. Ja, das ist Freiheit. Und es ist alles eine Lebensgemeinschaft. Jeder ist auf jeden angewiesen. Dennoch ist alles so vielfältig.

Das ist Freiheit

Auf einmal werde ich von etwas sanften aus meinen Gedanken geschüttelt. Mein Fenster ist geöffnet und ein leichter Windhauch streicht mir über das Gesicht. Ich versuche diesen Moment in die länge zu strecken, aber er verblasst so schnell wie er gekommen war. Traurig lege ich meinen Kopf in meine Hände. Ich überlege wie ich wieder in diesen Moment zurück komme da höre ich auf einmal eine Frauenstimme. „Flora?" Ich antworte nicht darauf. „FLORA?" Meine Mutter ruft mich von der Küche aus. Mein Zimmer liegt im 2. Stock unseres Hauses. Wir leben in einer kleinen Siedlung nahe des Waldes. Es ist ein schönes Haus. Aber ich fühle mich gefangen. In meinem Leben, in diesem Haus, in meiner Routine... Ich bin gefangen.

Ich lebe hier mit meinen Eltern und meinem großen Bruder. Aber es ist immer das selbe. Besonders zur Schulzeit. Jedoch habe ich keine Wahl. Ich bin ein Sklave meines Lebens. Und das seit 17 Jahren. Es zieht mich mit sich und wenn ich stolpere, schleift es mich ohne Pause über den Boden. Aber ich werde nicht aufgeben. Den Aufgeben ist leicht. Aber wenn ich jetzt aufgebe, habe ich mich all die Jahre umsonst mitziehen lassen. Ich muss versuchen etwas zu ändern. Aber Worte sind so schnell gesagt. Die Umsetzung ist das schwierige.

„FLORA!!!", ruft meine Mutter mittlerweile wütend. Ich verdrehe die Augen. Ich bin zu erschöpft um aufzustehen oder etwas zu sagen. Aber meine Mutter will es von mir. Also rappel ich mich angestrengt auf und gehe die Treppe hinunter. Meine Augen wollen nur zufallen. Nur schwer kann ich sie auflassen.

Gerade will meine Mutter zu einem neuen Ruf ansetzen, da schaue ich durch die Tür in ihre grünen Augen. Sie heißt Anna und hat wunderschöne smaragdgrüne Augen. Es ist fast so als würde sich der Wald in ihnen spiegeln. Ihre Haare sind lang und dick. Außerdem besitzen sie ein sattes, gesundes Braun. Sie hat leicht gebräunte Haut. Meine Mutter ist hübsch, sehr hübsch. Sie bekommt auch laufend eklige Kommentare von Typen auf Insta. Dabei postet sie normale Bilder. Aber so ist die Welt heute.

„Flora. Warum bist du nicht sofort gekommen?", sagt meine Mutter etwas beruhigender. „Tut mir Leid. Ich war in Gedanken und dann...Ja ich weiß auch nicht", erwiderte ich. Sie sah nicht wütend oder so aus, aber ich weiß, dass es nicht fair gewesen war, sie so warten zu lassen. „Naja", erklärte meine Mutter, „Ist ja nicht so wild. Ich hätte nicht so wütend werden dürfen. Nur...Ich weiß, irgendwas ist mit dir. Sag mir bitte was, okay? Ich will dir nur helfen." Sie sah besorgt aus. Aber sie würde es nicht verstehen. Sie mochte ihr Leben, genau so. Ich weiß auch nicht warum ich so bin, wie ich bin. Aber vielleicht sollte ich es akzeptieren. Akzeptieren, dass sie es nicht verstehen.

„Drrrrr drrrrr"

Ich kann die Klingel unseres Hauses hören. Es sind mein Vater und mein Bruder. Sie waren heute früh wandern gegangen und jetzt wiederkommen. Meine Mutter hatte sie wirklich ermahnt pünktlich um 12 Uhr zuhause zu sein.

Jetzt gibt es aber erstmal ein Sonntag-Mittagessen. Eines meiner Lieblingsessen. Omelette gefüllt mit Pilzsoße. Ich konnte dieses Essen schlingen. Aber es sättigte auch super. Diese Mahlzeit würde mich glücklicher machen. Außerdem konnte meine Mutter wahnsinnig gut kochen. Sie mag Kochen genauso wie ich ihr Essen.

Als wir gemeinsam am Esstisch sitzen und unser Essen verspeisen, ist es kurzzeitig still. Dann unterbricht mein Vater die Stille. Er heißt Ralph und war etwas kräftiger. Aber ich mag ihn. Er ist ein freundlicher, hilfsbereiter Mensch mit blauen Augen.
Mein Vater spricht gerade über den Ausflug mit meinem Bruder Leonardo. Ich habe eine gute Verbindung zu ihm. Er ist 5 Jahre älter als ich, aber das macht nix. Die meiste Zeit verbringt er mit seiner Freundin Ally. Leonardo besitzt eine bräunliche Dauerwelle. Außerdem hat er - wie mein Vater - blaue Augen.

Mein Vater erzählt, dass sie im Wald einen Weg gefunden hatten. Den sind sie entlang gelaufen und irgendwann zu einer kleinen Hütte gekommen. Dort haben sie kurz gerasten und dann ging es weiter. Auf dem Weg sind ihnen mehre Leute entgegengekommen und sie haben ein Eichhörnchen beobachten können.
Mein Bruder mochte die Natur fast so sehr wie ich. Aber in dieser Familie war ich das „Kind des Waldes". So nennt mich meine Mutter häufig. Ich weiß nicht genau warum. Vielleicht liegt es an meinem Namen? Aber das ist auch nicht wichtig.

Nachdem wir fertig gegessen hatten, räumte ich noch schnell mit den Geschirrspüler ein und ging dann auch schon raus. Ich will wieder in den Wald. Es zieht mich dort hin. Aber mit ist es nicht erlaubt alleine in den Wald zu laufen. Ich meine, hallo? Ich bin 17! Hat das denn gar nichts zu sagen? Aber kann ich denn protestieren? Sie geben nie nach.

Das ist mein Leben. Eine Routine, eine Ödnis in der keine Blume der Veränderung wächst.

Das bin ich

The Endless Forest Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt