Heute ist frei. Aber ich fühle mich einfach leer. Ich habe den Kontakt mit Ina abgebrochen und gehe - wegen Ina - fürs Erste nicht mehr in den Wald. Vielleicht sollte ich einfach wieder ins Bett gehen. Schließlich habe ich nichts mehr zu verlieren.
„Flora?", höre ich meinen Bruder behutsam fragen. „Ja?", rufe ich kraftlos in mein Kissen. Schon höre ich das Klicken der Tür. Leonardo steht im Rahmen meiner Tür und kommt auf mich zu.
„Was ist los?", bekomme ich nur heraus. „Das sollte ich dich wohl fragen", sagt mein Bruder. „Tatsächlich ist nichts los. Genau da liegt das Problem", platze ich heraus. Eigentlich wollte ich niemanden von meinen Problemen wissen lassen. Aber daraus wird jetzt wahrscheinlich nichts mehr.
„Willst du drüber reden?", fragt er mich. „Nicht wirklich", erwidere ich. „Nagut. Aber ich hab uns was zu essen gemacht. Und du hattest schon kein Frühstück. Bitte komm essen", meint Leonardo. „Okay. Komme", sage ich und kämpfe mich aus meinem Bett.
„Und? Du hast doch bestimmt Hunger. Also warum ist du nichts?", bekomme ich von ihm zu hören. „Alles gut Leo. Ich bekomme gerade einfach nichts runter", erkläre ich ihm. „Du musst aber essen", sagt er. „Ja, ich weiß." Lustlos steche ich in meinen Erbsen herum. Mein Bruder hat aufgehört, mich irgendwie dazu zu überreden zu wollen, über meine Probleme zu reden. Stattdessen bekomme ich nur noch ab und zu besorgte Blicke.
Nachdem ich wortlos mein Mittagessen irgendwie herunter bekommen habe, stehe ich auf und versuche mich in mein Zimmer zu verkriechen. Daraus wird jedoch aufgrund meines Bruders nichts. „Flora. Bitte sag was los ist", meint er verzweifelt. „Bitte lass mich. Ich will nicht drüber reden. Bitte versteh das", erwidere ich leicht gereizt. „Etwas in sich hinein fressen ist nicht gut. Und du kannst mit mir reden. Über alles. Das weißt du", erklärt er. „Klar weiß ich das. Aber ich möchte jetzt einfach nicht reden." „Okay. Aber ich bin für dich da."
Ich steige die Treppe zum 2. Stock hinauf um meinen Kopf wieder in mein weiches Kissen zu stecken. Das Kissen ist von meiner Großmutter. Sie hieß Sarah. Doch leider ist sie letztes Jahr an Krebs gestorben. Ich vermisse sie. Aber dieses, von ihr genähtes, Kissen werde ich in Ehren halten. Sie war immer so süß zu mir gewesen. Immer als ich dort war, hatte sie mir eine Schüssel Schokopralinen neben mein Bett gestellt. Außerdem hatte sie mir beigebracht zu häkeln. Das letzte, was ich gehäkelt habe, ist ein kleines Häschen. Dann ist sie gestorben. Und häkeln ohne sie ist nicht häkeln. Ich vermisse dich, Oma.
Mein Kopf sinkt in mein, mit Watte gefülltes, Kissen. Einfach nur noch alles um mich herum vergessen können. Nur für diesen einen Moment. Nur dieses eine mal. Das wäre wunderbar. Nur leider gibt es kaum Lösungen dafür.
Ich drehe meinen Kopf zur Seite und will ihn eigentlich sofort wieder versinken lassen. Aber auf meinem Tisch neben meinem Bett liegen meine AirPods. Musik. Musik ist eine der Möglichkeiten, alles vergessen zu können.
Also strecke ich mich danach aus. Und als hätte ich es nicht geahnt, schaffe ich es nicht. Meine Finger streichen knapp an dem Case vorbei. Nur noch ein Stück. Aber es war klar. Ich komme nicht dran. Muss ich jetzt wirklich meinen kompletten Körper bewegen.
Ich habe 2 Möglichkeiten. Nummer 1 einfach liegen bleiben, ohne Musik. Und Nummer 2 sich nur ein Stück bewegen, mir diese Kopfhörer schnappen und alles mit Musik vergessen. Beides hat Nachteile. Sich aus dieser unglaublich bequemen Pose zu lösen kostet viel Kraft. Und die habe ich zurzeit nur spärlich.
Ich entscheide mich für ersteres. Ganz einfach. Aber nachdem ich nur etwa 2 Minuten - laut Uhr, ich fühle mich als wären es 20 - nichts anderes gemacht habe, als rumzuliegen, entschließe ich mich, mir doch noch die Kopfhörer zu krallen.
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The Endless Forest
FantasyPure Fantasie. Das denkt jeder, wenn er an einen endlosen Wald mit eigenartigen Wesen denkt. Jeder würde es für verrückt halten. Aber, was, wenn ich dir sage, dass es tatsächlich so etwas gibt? Und ich dorthin geraten bin? Hätte mir jemand gesagt, d...