Etwas entäuscht darüber, dass mich Aura versetzt hat, verlasse ich diese Ecke des Waldes. Schön. Jetzt kann ich den ganzen Weg wieder zurück laufen! Auf meine Schritte komme ich heute ganz bestimmt.
Ich zucke zusammen. Eine Vibration beginnt, meinen Körper zu kitzeln. Irritiert schaue ich an meinen Beinen herab. Mit einer mühelosen Handbewegung ziehe ich mein Handy aus meiner Hosentasche.
Ups! Ich habe 18 verpasste Anrufe! Was?! Oh nein...Mein Bruder hatte 5 mal angerufen, meine Mutter 13 mal - oh je, ich bin tot - und...Ina 1 mal. Was will Ina jetzt schon wieder? Egal, erst einmal muss ich meine Mutter und meinen Bruder anrufen, sonst kriege ich ernsthafte Probleme.
„Hallo Mama?", spreche ich in das Telefon. „FLORA?! WO BIST DU!?", schreit meine Mutter mir zu. „Ich bin im Wald. Ich habe bei einer Freundin übernachtet", erkläre ich mich kleinlich. „Du kommst sofort nach Hause! Aber zackig!", befiehlt sie mir, „Warum hast du nicht zurück gerufen?" „Im Wald ist kein Empfang Mama", erwidere ich benommen. „Schön. Wie dem auch sei. Du kommst auf der Stelle nach Hause! Dein Bruder wartet!", meint sie besorgt. „Okay...bin unterwegs", entgegne ich und setze mich in Bewegung. Ich verabschiede mich fürs erste und beende den Anruf.
Ich weiß, sie macht sich nur Sorgen, aber ich bin auch kein kleines Kind mehr. Sie kann mich nicht mehr so behandeln.
In Gedanken versunken schlendere ich den Weg entlang. „Hi Flora! Wo willst du hin?", zerrt mich Saphiras Stimme zurück in die Gegenwart. „Hi. Ich muss nach Hause. Mein Bruder wartet auf mich", erkläre ich, ohne stehen zu bleiben. „Aber-" „Nein. Ich muss wirklich zurück", unterbreche ich sie. „Kennst du denn den Weg?", fragt Saphira. Naja, eigentlich nicht. „Jap", erwidere ich fest überzeugt. „Deine Gedanken kannst du weiterhin nicht gut abschirmen. Dann muss ich wohl mitkommen", sagt sie gut gelaunt und schließt sich meinem Marsch an.
Gemeinsam traben wir durch das Grüne. Saphira hat es wie immer sehr eilig und ich habe mal wieder Probleme, hinterher zu kommen. Ein bisschen verstehe ich sie schon. Anscheinend vergeht bei ihnen die Zeit schneller als bei uns, aber man spürt das nicht. Warum dann also diese Hektik?
„Meine Güte, wie kann man nur so lahm sein?", nörgelt Saphira. „Eile mit Weile!", erwidere ich in größter Ruhe. „Ich dachte du musst schnell nach Hause?", kommt es zurück. Dafür bekommt sie einen genervten Blick. Schritt für Schritt erhöhe ich mein Tempo, bis wir fast im Sprint sind. „Ich bin kein Wiesel!", hechle ich ihr zu. „Wer reden kann, kann auch laufen!", erwidert sie. „Das ist kein Laufen. Das ist Rennen!", entgegne ich ausgepowert. „Für mich nicht. Wir können renne, wenn du willst", schlägt sie seelenruhig vor. „NEIN!", rufe ich zurück. „Wie du willst", meint das sie. Woher nimmt sie ihre Ausdauer?
„Stopp! Ich brauche eine Pause", keuche ich erschöpft. „Ach komm! Wir sind bald da", erwidert sie, aber nun scheint auch ihre Kraft zu schwinden. „Du wirst müde, oder?", meine ich provozierend. „Was? Nein! Ich bin nur...eh...", sie sucht verzweifelt nach Worten. „Nur müde", vollende ich ihren Satz. Saphira öffnet den Mund und schließt ihn sofort wieder. Ihre Augen senken sich gen Boden. Wahrscheinlich sucht sie gerade nach Worten.
Ihr Kopf schnellt nach oben: „Ich wollte nur so tun. Schließlich sollst du dich nicht so alleine damit fühlen." Wow, das hätte von Aura kommen können. Von Rubina wäre so etwas wie „Tut mir leid, aber deine Schwäche ist so übertrieben stark, dass sie ansteckend ist" gekommen. Naja, zumindest so etwas in der Art. Ich bin nicht besonders schlagfertig.
Nach einem schnellen Augenrollen setze ich mich wieder in Bewegung. Im sachten Trab laufen wir die Wege entlang. Saphira nörgelt weiterhin über mein lahmes Tempo, doch ich lasse mich davon nicht aus der Ruhe bringen. Schließlich bringt es auch nichts wenn ich viele Pausen machen muss. Dann wäre ich im Durchschnitt vielleicht eine Viertelstunde eher da. Es macht nicht so viel Unterschied.
Langsam erhellt sich der Wald. Das Blätterdach wird offener. Aus einem saftigen grasgrün wird nun ein beleuchtetes gelbgrün. Das Vogelgezwitscher von außen, ist nun auch im Wald zu hören. Und wer sitzt denn da? Mein kleiner Freund Frederick.
„Warum hältst du an?", fragt Saphira verständnislos. „Das ist Freddy!", erläutere ich ihr und zeige auf den kleinen Vogel. „Die Amsel heißt Freddy?", entgegnet sie ungläubig. „Ja und er ist immer für mich da!", erwidere ich entschlossen. Saphira zieht die Augenbrauen hoch. Toll, jetzt hört sich auch für mich blöd an. „Das ist eine Amsel", meint sie. „Du bist doch auch ein Wiesel und du redest auch mit vielen Tieren dort!", verteidige ich mich. „Ja schon, aber er ist nur ein Tier. Er besitzt dieses Menschliche nicht", meint sie. Bitte nicht. Er ist seid ich 10 bin mein einziger und bester Freund. War das alles nur Einbildung?
„Na und? Dann ist es so, aber er war immer da und ist immer zu mir gekommen. Auch wenn er nur ein Tier ist. Für mich ist er mehr!", meine Ich entschlossen. „Na gut, warte", sagt sie und geht langsam auf ihn zu. Freddy zuckt, aber er fliegt nicht weg. Nach wenigen Schritten steht sie direkt vor ihm und streckt seine Hand nach ihm aus. Saphira berührt ihn vorsichtig und schließt die Augen.
„Es tut mir leid, dass ich dir nicht geglaubt habe. Er ist nicht nur ein Tier. Er ist eine Waldseele, aber was hat er hier zu suchen? Normalerweise gibt es keine Waldseelen außerhalb des Waldes", erklärt sie plötzlich. „Heißt das, dass er doch etwas menschliches in sich trägt? Ich wusste schon immer, dass du nicht wie die anderen bist, Freddy!", erwidere ich freudig. Also war es doch nicht nur Einbildung. „Ja, er kann nur keine Gedankensprache, weshalb er nie mit dir kommuniziert hat. Aber er hat eine Energie in sich, die Waldwesen, also Waldseelen, Waldflüsterer und Gestaltwandler, spüren können", erläutert sie, „Du könntest es auch spüren, nur bist du nicht besonders gut in sowas." Ja, ich weiß. Tut mir leid, dass ich als Mensch aufgewachsen bin und vor einer Woche noch nicht einmal von der Existenz des Waldes, geschweige denn von Gestaltwandlern und Waldseelen, wusste.
Stumm nicke ich und sehe, wie sich Saphira ein Grinsen verkneifen muss. Ich werfe ihr einen genervten Blick zu, verfalle dann aber doch in ein kleines Lachen, weil Saphira Ironie nicht wirklich versteht. „Warum lachst du?" „Du nimmst alles ernst", erwidere ich. „Was? Also bist du nicht genervt?", entgegnet sie. „Wenn ich über den heutigen Sprint hinweg sehe...Nein, ich bin nicht genervt, keine Sorge", sage ich und lächle ich entgegen. „Achso super", erwidert sie und läuft weiter.
Ich verabschiede mich von Freddy und schließe mich ihr an. Gemeinsam laufen wir das letzte Stück, bis die Blumenwiese erscheint und mein Haus in meinem Blickfeld auftaucht. Meine gute Laune vergeht bei dem Gedanken, wie mein Bruder reagieren könnte. Meine Mutter hatte ihm sicher seine Rede vorbereitet und wenn ich Pech habe, gibt das Hausarrest. Eine äußerst altmodische Strafe, aber meine Mutter schreckt vor nichts zurück und da ich erst 17 bin, hat sie noch das Recht, mich wie ein Kind zu behandeln.
„Du machst doch nicht ernsthaft schlapp, oder? Wir sind fast da!", zerrt mich Saphira aus meinen Gedanken. „Nein, natürlich nicht!", erwidere ich entschlossen und marschiere bis zu meinem Haus.
„So ein schönes Haus", sagt Saphira ohne Hintergrund. Auf einmal kommen meine Gedanken wieder hoch. „Sag mal, woher wusstet ihr eigentlich wo ich wohne?", frage ich skeptisch. „Wir haben dich schon sehr lange beobachtet", erwidert sie freundlich. „Wie bitte? Das ist Stalking!", erwidere ich fassungslos. „Das ist beobachten", verteidigt sie sich. Ich öffne meinen Mund, um zu antworten, doch die Türklinke senkt sich und die Tür öffnet sich.
„Flora! Wo warst du!? Mama hat sich riesige Sorgen gemacht!", begrüßt mich mein Bruder, „Und wer ist das?" „Das ist-", beginne ich. „Ich bin Saphira. Ich habe Flora begleitet", unterbricht sie mich. „Ja", bekräftige ich ihre Aussage. „Vielen Dank Saphira, aber sie ist jetzt zu Hause. Du kannst gehen", erwidert mein Bruder. „Okay, komm Flora, wir können gehen", meint das Wieselmädchen. „Du hast da etwas falsch verstanden. Flora bleibt hier", berichtigt sie mein Bruder. „Wie bitte? Ich kann nicht ohne sie gehen!", protestiert Saphira. „Ich meine es ernst. Sie wird nicht mit dir kommen!", erwidert mein Bruder genervt. „Vergiss es!", erwidert sie frech.
„Wie wär's, wenn wir das drinnen klären", schlage ich vor und warte auf die Reaktion der beiden. „Einverstanden", sagt mein Bruder kurz, Saphira weiterhin im Visier. „Von mir aus", meint auch sie. Gemeinsam gehen wir ins Haus, während sich die beiden weiterhin böse Blick zu werfen.
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The Endless Forest
FantasyPure Fantasie. Das denkt jeder, wenn er an einen endlosen Wald mit eigenartigen Wesen denkt. Jeder würde es für verrückt halten. Aber, was, wenn ich dir sage, dass es tatsächlich so etwas gibt? Und ich dorthin geraten bin? Hätte mir jemand gesagt, d...