Lena
Ein weiteres Spiel der EM-Qualifikation stand an und wir waren bereits in einem Hotel in Polen und bereiteten uns auf das Spiel vor. Es war ein sonniger Morgen, und das Licht schien sanft durch die Vorhänge. Jule schlief neben mir so tief und fest, dass ich sie für einige Minuten beobachtete. Ich kannte ihr Gesicht in- und auswendig... jede Linie und jede einzelne Sommersprosse an ihrer Wange. Als sie sich langsam streckte und ihre Augen öffnete, trafen diese auf meine. Ihr Lächeln war das Erste, was ich jeden Morgen sehen wollte, und es bewirkte immernoch ein Ziehen in meinem Magen. „Guten Morgen, Schlafmütze," sagte ich sanft und blickte weiter in ihre hellbraunen schimmernden Augen. „Guten Morgen, Obi," murmelte sie verschlafen und streckte sich erneut. „Hast du gut geschlafen?" ,,Neben dir, immer", antwortete ich mit einem Lächeln auf den Lippen. Ich gab Jule einen Kuss auf die Stirn und dann standen wir beide auf und gingen runter zum Frühstück, wo bereits die anderen saßen. Ich setzte mich mit Jule an den Tisch von Lea, Giuli und Syd, die bereits über das heutige Spiel sprachen. Wir aßen gemeinsam und unterhielten uns bis wir dann mit dem Bus zum Stadion fuhren.Jule
Das Stadion war bereits bei unserer Ankunft mit Fans gefüllt, die Fahnen schwenkten und Jubelrufe durch die Luft schallten. Ich liebte diese Atmosphäre im Stadion. Ich spürte, wie Obi meine Hand nahm und sie sanft drückte und wir liefen gemeinsam in die Umkleide. Dort ging ich zu meinem Platz und Obi zu ihrem, und auch wenn wir nicht nebeneinander saßen, sondern voneinander entfernt, spürte ich diese Verbindung, die wir beide hatten. Die Startaufstellung, welche Horst bekannt gegeben hatte, war folgendermaßen:
Stina Johannes, Sarai Linder, Marina Hegering, Kathrin Hendrich, Pia Wolter, Sydney Lohmann, Lena Oberdorf, Laura Freigang, Klara Bühl, Nicole Anyomi und Lea Schüller. Ich selbst saß vorerst auf der Bank. Ich wusste, dass Horst auf meiner Position alle sehen wollte, bevor er festlegte, wer den Stammplatz bekommt und da ich im letzten Spiel in der Startelf stand, wusste ich, dass ich heute nicht von Anfang an spielen würde. Ich war in meinen Gedanken versunken, als Poppi mit ihrer Hand vor meinem Gesicht rumfuchtelte und mich wieder in die Realität zurückbrachte. ,,Alles gut Kücken?", fragte Poppi und ich nickte nur stumm, weil mein Blick zu Obi ging, die sich mal wieder ihre 2 Datteln reinzwung, weil sie mal gelesen hatte, dass das die Energie während des Spiels förderte. Dann ging es für uns auf den Platz und das Spiel begann.Lena
Das Spiel wurde angepfiffen und es war mein erstes Spiel als Kapitänin. Ich freute mich sehr mein Team anzuführen und es machte mich auch stolz. Das Spiel begann hektisch. Polen setzte uns von Anfang an unter Druck, aber wir hielten dagegen. Die meisten unserer Pässe waren präzise und wir zeigten unser gewohnt starkes Zweikampfverhalten. In der 20. Minute gelang uns der erste Durchbruch. Eine schöne Kombination zwischen Sarai und Klara führte zum Führungstor durch meinen Best Buddy (Lea Schüller). Die Erleichterung war groß, aber wir wussten, dass wir uns nicht ausruhen konnten. Die Minuten im Spiel gegen Polen waren intensiv und schnell vergangen. Wir hatten uns eine knappe Führung erkämpft, und ich konnte den Adrenalinspiegel in meinem Blut spüren. Ich war fokussiert, jeder Pass, jeder Zweikampf war entscheidend. In der 38. Minute sah ich die Chance für einen Konter. Ich hatte den Ball erobert und drehte mich, um den Angriff einzuleiten. Plötzlich spürte ich einen heftigen Schlag an meinem rechten Knie. Es war, als ob die Welt um mich herum in Zeitlupe ablief. Ich hörte das dumpfe Geräusch des Aufpralls und dann den stechenden Schmerz, der durch mein Bein schoss. Mein Knie gab nach, und ich fühlte, wie ich unkontrolliert zu Boden ging. Ein Schrei entwich meinen Lippen, bevor ich es überhaupt realisierte. Der Schmerz war überwältigend, ein brennendes, pulsierendes Gefühl, das meinen ganzen Körper erfasste. Lea war die Erste, die bei mir war. ,,Obi, bleib ruhig. Es wird alles gut," sagte sie, aber ich konnte die Panik in ihrer Stimme hören. Ihre Hand hielt meine fest, und ich klammerte mich daran, als wäre sie der einzige Anker in diesem Meer aus Schmerz. Der Schmerz war überwältigend. Jeder Versuch, mein Bein zu bewegen, schien es nur noch schlimmer zu machen. Doch das Schlimmste war die Angst. Angst davor, wie schwer die Verletzung wirklich war, und was das für meine Karriere bedeuten könnte.Jule
Ich sah den Zusammenstoß und mein Herz setzte einen Schlag aus. Sofort sprang ich auf und lief zur Seitenlinie. Obi lag auf dem Boden, umringt von Lea und anderen und dem medizinischen Team. Die Minuten zogen sich endlos hin, während ich nur hilflos zusehen konnte. Giulia hielt mich fest, weil ich sonst auf den Platz rennen würde zu Obi. Ich muss zu ihr... ich muss zu ihr, dachte ich. Alles in mir schrie danach, zu ihr zu laufen, ihr zu helfen, aber ich durfte nicht. Die Diagnose kam schnell: Verdacht auf eine schwere Knieverletzung. Obi musste vom Platz getragen werden und ich konnte den Schmerz und die Verzweiflung in ihren Augen sehen. Es brach mir das Herz, sie so zu sehen und als sie vom Platz getragen wurde, wartete das medizinische Team kurz neben mir. Obi sah mich völlig fertig an. ,,Mein Knie... es tut so weh," keuchte sie, als ich ihre Hand nahm. ,,Ich liebe dich Obi und es wird alles gut... versprochen." Dann wurde Obi ins Krankenhaus gebracht und unser Spiel ging weiter. Poppi kam für Obi rein und Horst nahm mich kurz in den Arm und schickte mich dann wieder auf meinen Platz.Lena
Im Krankenhaus wurden verschiedene Tests und Scans durchgeführt. Nach einigen Stunden kam der Arzt mit den Ergebnissen zu mir. ,,Es ist ein Riss im Innenband," erklärte er. ,,Das bedeutet, dass du mindestens zwei Monate aussetzen musst. Wir werden eine intensive Therapie beginnen, aber es wird Zeit brauchen." Die Worte trafen mich wie ein Schlag. Keine Operation... zumindest das war was gutes, aber das machte es nun auch nicht besser. Zwei Monate ohne Fußball. Zwei Monate, in denen ich nicht spielen, nicht trainieren konnte. Tränen schossen mir wieder in die Augen. "Ich... ich will aber spielen," stammelte ich. Ich bekam Krücken und eine Schiene und wurde dann vom Teamarzt zurück ins Hotel gebracht. Ich fühlte mich nicht gut. Mein ganzes Leben war innerhalb einer Sekunde in tausend Einzelteile zerbrochen. Warum ich? Warum jetzt? war die Frage, die mir unaufhörlich durch den Kopf schoss. Ich fühlte mich so leer und verletzlich und in diesem Moment, zerbrach auch mein Herz innerlich. Als wir im Hotel ankamen, sah ich Jule draußen auf einer Bank sitzen, ihr Bein zitterte unaufhörlich und mir wurde bewusst, dass ich stark für sie sein musste. Sie wartete im starken Regen und kaltem Wind nur auf mich. Ich stützte mich auf meine Krücken und humpelte langsam zu ihr. Als sie mich sah, sprang sie sofort auf und umarmte mich fest. Ihre Umarmung war warm und tröstlich, und ich ließ mich einfach in ihren Armen festhalten, während die Tränen unaufhaltsam über meine Wangen liefen. ,,Es tut mir so leid Obi...", setzte Jule an, aber das einzige was ich jetzt brauchte, waren ihre Lippem auf meinen. Ich küsste sie so intensiv, dass sie einen Schritt nach hinten machen musste. Meine Verletzung nahm Jule genauso sehr mit, wie mich. Ich nahm sie in meinen Arm und streichelte sanft über ihren Kopf. ,,Alles wird gut", sagte ich ohne Gewissheit darüber zu haben, was ich gerade gesagt hatte.
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Einfach - Schön - Verliebt
RomanceDiese Geschichte handelt von den beiden Fußballerinnen Jule Brand und Lena Oberdorf, die sich ineinander verliebt haben und nun ihr Leben miteinander verbringen.