— Aaliyah —
Cem fuhr an einen menschenleeren Strand, der eine fast magische Ruhe ausstrahlte. Keine einzige Person war zu sehen, was die Atmosphäre und die eleganten Gebäude in der Umgebung noch beeindruckender machte. Sogar der imposante Burj Khalifa war in der Ferne zu sehen und verlieh dem Moment einen Hauch von Glamour.
Verträumt von dem atemberaubenden Ausblick bemerkte ich nicht, dass Cem bereits wie ein Verrückter mitten auf dem Weg geparkt hatte. Als ich wieder zu mir kam, sah ich ihn, wie er mir lächelnd die Tür aufhielt.
„Kommst du?", fragte er und streckte mir seine Hand entgegen. Ich nahm sie dankbar an, und unsere Finger verschränkten sich fest miteinander.
Geführt von Cem schlenderten wir durch den weichen Sand, der sich unweigerlich in unsere Schuhe schlich. Doch das störte uns beide nicht; im Gegenteil, es fühlte sich fast befreiend an.
Der Sand knirschte leise unter unseren Füßen, und der Wind spielte sanft mit unseren Haaren. Schließlich erreichten wir einen einsamen Liegestuhl, der perfekt am Ufer platziert war. Cem ließ meine Hand los und richtete den Liegestuhl für uns her, während ich mich umsah und die friedliche Szenerie auf mich wirken ließ.
„Setz dich", sagte er leise und deutete auf den Liegestuhl. Gemeinsam ließen wir uns nieder, und ich lehnte mich an seine Schulter, während sein Arm auf meiner Schulter lag.
„Willst du mir jetzt sagen, was passiert ist?", fragte ich ungeduldig und sah zu ihm nach oben, wo ich seinen traurigen Blick bemerkte.
Ohne zu zögern fing er sofort an: „Mein einer Bruder sitzt im Knast. Mein anderer zerstört sein Leben. Und ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ich hab keine Ahnung, wofür ich den ganzen Scheiß mache.", hauchte er und lehnte sich seufzend zurück.
„Du hast noch einen anderen Bruder?", fragte ich neugierig, um seine Lage besser verstehen zu können.
„Aytac ist der Älteste von uns. Er ist neun Jahre älter als ich. Er war der Erste, der mit dem Drogendealen angefangen hat. Irgendwann stieg auch Aykut mit ein, und sie hielten mich immer im Hintergrund. Sie wollten mich beschützen, doch sie merkten nicht, wie schwer es für mich als Teenager war. Nachdem mein Vater Selbstmord begangen hatte, musste ich zusehen, wie meine Brüder mit einem Bein im Knast standen und meine Mutter sich täglich in den Schlaf weinte."
Cems Stimme war leise und gebrochen, als er mir seine Geschichte erzählte. Ich spürte den Schmerz und die Last, die auf seinen Schultern lastete, und hielt seine Hand fest in meiner, um ihm zu zeigen, dass er nicht alleine war.
Ich konnte mir kaum vorstellen, wie es für ihn gewesen sein musste, in so einer zerrissenen Familie aufzuwachsen. Ich hatte es auch nicht gerade einfach, aber so etwas wünscht man niemandem.
„Es war schwer", fuhr er fort, „immer das Gefühl zu haben, dass ich nichts tun kann. Ich wollte meinen Brüdern helfen, aber sie ließen mich nicht. Und gleichzeitig musste ich stark für meine Mutter sein, die jeden Tag an ihrem Kummer zerbrach. Es war, als würde ich ständig zwischen zwei Welten hin- und hergerissen, ohne wirklich irgendwo hinzugehören. Bis ich zu den Drogen und Alkohol fand." Er presste seine Lippen zusammen und schien voller Reue über sein altes Ich zu sein.
„Aber weißt du, die Zeit mit Nima und nach Capimo half mir zu verstehen. Nachdem Album wurde ich reifer und verstand, dass es nicht immer nur um Geld, Aussehen und Ruhm geht." Er grinste schmerzhaft in meine Richtung und strich mir sanft über die Haare.
„Cem... es tut mir so leid", war das Einzige, was ich herausbringen konnte, und ich war kurz davor, eine Träne zu verlieren.
„Alles gut. Du musst dich nicht schuldig fühlen. So ist es eben. Das Leben schenkt einem nur das, was man verdient. Anscheinend war ich in meinem früheren Leben so schlecht, dass in meinem Leben alles scheiße läuft.", er schnaufte lachend auf, um den Schmerz zu überdecken, was mir nur noch mehr wehtat.
„Ich verstehe dich. Nach dem Tod meiner Eltern fühlte ich mich so verloren und nutzlos, dass ich mein Studium abbrach und anfing, für meinen Onkel Geld zu waschen. Anfangs fühlte ich mich gut dabei, doch jetzt ist es nur noch eine Last, die mich jede Nacht, bevor ich einschlafe, dreckig fühlen lässt."
„Leben, was?", lachte er rau auf.
„Wir können doch aber etwas daran ändern. Es muss nicht immer so bleiben", sagte ich hoffnungsvoll und stemmte mich auf. Woher ich diesen plötzlichen Antrieb nahm, war mir selbst ein Rätsel.
„Aaliyah, ich bin 31. Was soll ich noch verändern?", entgegnete er hoffnungslos lachend.
„Du hast noch mehr als dein halbes Leben vor dir, Cem. Yallah, komm, steh auf!", rief ich und nahm mein Handy aus der Tasche. Ich suchte den Song „Belki" von Dedublüman und ließ ihn abspielen.
„Kennst du den Song?", fragte ich lächelnd und hielt ihm meine Hand hin.
„Tabi ki, canım" (Natürlich, mein Schatz), antwortete er und ich zog ihn mit einem Schwung nach oben auf die Beine.
Wir bewegten unsere Hände im Takt der Musik.
Unsere Füße tanzten leichtfüßig im Sand zum Rhythmus des Songs.
Unsere Blicke trafen sich und hielten einander fest.
In diesem Moment zählten nur die unausgesprochenen Gefühle und die Musik, die uns für einen Augenblick die Sorgen vergessen ließ.
Während wir langsam tanzten, fühlte sich die Welt plötzlich leichter an. Cem schien sich auch langsam zu entspannen, sein Lächeln wurde breiter und seine Augen leuchteten ein wenig heller.
„Siehst du? Es geht doch.", flüsterte ich ihm zu, während wir uns im Takt der Musik bewegten.
Cem lächelte schwach. „Hm. Du hast recht. Liegt aber auch nur daran, dass du es bist.", zwinkerte er mir schnell zu und strich mit seiner rauen Handfläche über meine Wange.
Er sah mich einen Moment lang schweigend an, bevor er sich, nachdem der Song geendet hatte, mir näherte. „Es fühlt sich so an, als wären wir im Rhythmus gefangen.", hauchte er an meine Lippen, bevor er sie auf meine legte und langsam aneinander presste.
Ich schloss die Augen und legte meine Hände um seinen Nacken, während seine den Weg zu meiner Taille fanden und mich näher an sein Becken zogen.
So unaufmerksam wie wir waren, merkten wir durch den Kuss nicht, wie unsere Füße von einer Welle im salzigen Meereswasser getränkt wurden und somit unsere Schuhe durchnässt waren.
„Fuck, das sind Christian Louboutin.", fluchte er und versuchte, den Sand von den Schuhen zu wischen.
„Heulsuse.", schüttelte ich lachend den Kopf und interessierte mich nicht für meine alten Nikes, die eh bald im Müll gelandet wären.
„Meine Designerklamotten sind mir halt wichtig, canım.", lächelte er und präsentierte mir seine strahlend weißen Zähne, die sogar in der Nacht leuchteten.
„Mhm, ich sehe.", zuckte ich mit den Augenbrauen und bahnte mir meinen Weg zurück zum Auto.
DU LIEST GERADE
Im Rhythmus gefangen | Capo
FanfictionSie ist eine alleingängerin, mit dem Geheimnissen eines Hoodies. Er ist ein Star, der mit sich selbst zu kämpfen hat. Werden beide ihre Leere füllen können? ______________________________________ Aaliyah, die gerade aus geschäftlichen Gründen, in Ob...