Die Nachricht, die Namjoon mir gestern Abend zurückgeschickt hatte, beschäftigte mich noch immer. Es war keine abwegige Nachricht gewesen, sie war in gewissem Sinne nicht einmal unerwartet. Ich denke, eine andere Frau hätte sich sogar darüber gefreut.
Ich hingegen ... ich wusste, dass ich mich unter anderen umständen gefreut hätte. Wäre ich diese andere Frau gewesen, hätte ich mich gefreut. Stattdessen war ich ich und ich saß nun grübelnd auf einer Parkbank und wusste nicht so ganz, was ich mit dieser Nachricht anfangen sollte.
"Binna, willst du mit mir essen gehen?"
Mein erster Gedanke hätte "Ja" sein sollen. Namjoon war nett, ich fühlte mich wohl bei ihm, er war mindestens so seltsam wie ich, wenn auch auf ganz andere Weise und das ließ mich in seiner Gegenwart etwas entspannen, weil ich nicht das Gefühl hatte, er war mir überlegen oder als menschliches Wesen besser auf diese Gesellschaft und ihre Regeln abgestimmt. Mir war schon bewusst, dass wir einfach wir sein konnten in der Gegenwart der anderen Person.
Aber ich wusste auch, was seine Frage herleitete. Tieferes Interesse, das über eine Bekanntschaft, über ein zukünftiges kollegiales Verhältnis oder gar über eine Freundschaft hinausging. Und das wollte ich nicht. Nie wieder.
Wäre ich jedoch die andere Frau, die er hätte erwischen sollen, wäre ich nicht abgeneigt gewesen. Nur war ich sie nicht. Ich war ich und Beziehungen romantischer und erotischer Art gehörten nicht zu meinem Ich.Und so Ich-bezogen saß ich eben auf dieser Parkbank und fühlt mich schlecht, weil ich wusste, dass ich Namjoon eine Absage erteilen würde. Vielleicht hätte ich das vermeiden können, hätte ich nur ein bisschen mehr nachgedacht. Ich hätte ihn vorgestern nicht in dieses Café und anschließend in meine Wohnung gebeten. Außerdem ich hätte den Tag davor nicht mit ihm ins Museum gehen sollen. Schon gar nicht hätte ich dieses Jobangebot annehmen sollen, vermutlich fiel das aber auch wieder ins Wasser, wenn ich ihm ein kurz angebundenes "Nein" zurückschrieb. Ich hätte ihn einfach an der Bushaltestelle nach der Buchmesse ignorieren sollen. Vielleicht hätte ich mich vor den Bus schmeißen sollen. Ach, wäre doch mal mein Horrorszenario schon vor meinem Einlass in die Messehalle wahr geworden. Ich hätte dann zwar jetzt einen gespaltenen Schädel und ein kleines, spruchloses Grab in Form einer eingepferchten Urne, zu der niemals jemand sprechen würde (und ich hätte Jiyoo niemals Live gesehen), aber ich stünde jetzt nicht vor diesem magenumdrehenden Dilemma einer Date-Einladung, die ich absagen würde.
Nicht einmal erklären konnte ich ihm mein Nein. Denn, während es viele andere sicherlich nicht verdient hätten, soweit ich das beurteilen konnte, wäre es für Namjoon schon einigermaßen fair gewesen. Immerhin war er so nett und zutraulich zu mir gewesen, hatte sich um mich gesorgt. Und diese Umarmung von letztens ... ich hatte noch nie etwas in diese Art liebevolles gespürt und das meiste musste von ihm ausgegangen sein.Allerdings gab es gute Gründe, warum er gerade mich nicht daten sollte. Nummer eins, wenn ich nur daran denke, jemanden zu küssen, dann kommt mir die Galle hoch. Gut, so schlimm war es auch nicht, immerhin kam mir der Gedanke nie, jemanden zu küssen. Aber bei der Erinnerung an den einzigen Kuss, den ich je hatte, kam mir die Galle hoch. Und seitdem war ich eine Kussgeschädigte.
Grund Nummer zwei, ich wusste gar nicht, wie Beziehungen funktionierten. Meine einzige Beziehung, die ich je geführt hatte, war sowas wie eine Fake-Beziehung gewesen. Zumindest für mich. Für meinen damaligen Freund war es ein Warten auf die nächsten Schritte, die ich niemals mit ihm eingegangen wäre. Alles unter Beobachtung unserer Familien, die auf diese Verbindung geradezu sehnsüchtig hingefiebert hatten. Ich war also auch eine Beziehungsgeschädigte.
Ich war unbrauchbar für die Datingwelt und wenn ich so an Namjoon dachte, dann war es doch klar, dass er etwas besseres verdient hatte. Jemand fähigeren.
Das war so glasklar.
Warum dann zögerte ich noch?
Ich sank auf der Bank ein wenig nach unten und hängte meinen Kopf nach hinten über die Lehne. Selbst mit geschlossenen Augen blendete mich die Sonne noch und mein ganzes Gesicht spannte sich an, als ich meine Augen zusammenkniff. Wenigstens wehte eine sanfte Brise über meine Haut, aber die nahm leider meine verworrenen Gedanken und Gefühle nicht mit.
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The Self-Love Story || kim namjoon
FanfictionIm Binna ist das, was sich eine nicht gerade aufstrebende Autorin nennt. Mit geschmissenem Studium, einem Job, der gerade so für ihren Lebensunterhalt sorgt und einer handvoll abgelehnter Manuskripte sieht sie sich als die totale Versagerin. Nicht z...