02. Morbus Still

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Am nächsten Tag betrat Louis das Krankenhaus mit einem anderen Gefühl.

Er fühlte sich nun besser vorbereitet.

"Guten Morgen, Niall", begrüßte er den blonden, jungen Mann, welcher gerade an ihm vorbeirauschen wollte.

"Na, ob der so gut wird, weiß ich nicht. Heute Nacht war hier die Hölle los und ich wette, dass wir die Idioten sind, die jetzt alles aufarbeiten müssen."

Wow, dachte Louis sich. Der war mit dem falschen Fuß aufgestanden.

"Was war denn los?"

"Erfährst du gleich in der Übergabe", erklärte Niall und rauschte dann davon.

Louis zog sich also um und ging dann in das Besprechungszimmer, in welchem nach jeder Schicht die Übergabe stattfand. Zu seiner Verwunderung war dieses Zimmer jedoch noch vollkommen leer.

Mit einer Ausnahme.

Harry saß bereits am Tisch, einen Kugelschreiber in der Hand und einen Block vor sich.

"Guten Morgen, Harry", begrüßte Louis seinen Kollegen und setzte sich einfach mal neben ihn.

Er bekam lediglich ein Nicken als Antwort.

Der junge Chirurg sah sich im Raum um und entdeckte in der Ecke einen kleinen Tisch, auf welchem eine Kaffeekanne und einige Tassen standen.

"Möchtest du auch einen Kaffee?"

Louis stand auf und steuerte den Tisch an, als Harry tatsächlich antwortete.

"Koffein kann zu Nervosität, Schlaflosigkeit, Herzrhythmusstörungen, erhöhtem Blutdruck und gastrointestinalen Störungen führen. Für gesunde Menschen gilt eine temporäre Aufnahme von bis zu 200 mg Koffein. Ich habe eine Tasse schwarzen Tee. Diese hat bereits 60 Milligramm."

Äh...

"Also keinen Kaffee?"

"Habe ich doch damit gesagt."

Gut. Wie auch immer.

Nach und nach füllte sich das Besprechungszimmer und als dann endlich sämtliche Ärzte und Schwestern, beziehungsweise Krankenpfleger anwesend waren, begann die Schichtleitung der vergangenen Nacht die Übergabe.

Und was sollte man sagen; hier war heute Nacht einiges los.

Es gab eine Massenkarambolage auf der Autobahn und somit hatte die Notaufnahme gleich sieben Schwerverletzte. Ein junger Familienvater war dabei leider seinen Verletzungen erlegen.

Zudem kam ein Blinddarmdurchbruch¹ bei einem 16-jährigen Mädchen und ein Oberschenkelhalsbruch einer Seniorin, die es für eine kluge Idee hielt, nachts alleine auf die Toilette zu gehen.

Sobald die Übergabe beendet war, bereitete Louis die Visite der operierten Patienten vor.  Er musste die Wunden begutachten und bei einem Patienten mit einem Kreuzbandriss wollte er die Bewegung prüfen.

"Niall? Hast du die Auswertungen aus dem MRT von dem Patienten aus Zimmer 202?", hörte Louis einen Pfleger fragen, als er gerade sein Klemmbrett nahm. Von Niall kam ein lautes Schnaufen.

"Liegt die Auswertung im Fach für die MRT-Auswertungen?"

Der Pfleger schüttelte den Kopf.

"Siehst du? Geh halt hin und fordere sie an."

Der Pfleger zog seinen Kopf ein und schob seine Hände in die Taschen seines Kasacks.

"Ich...-" begann er, doch Niall unterbrach ihn mit einem genervten Stöhnen.

I don't think soWo Geschichten leben. Entdecke jetzt