I don't think so

o9. Das künstlerische Ich

Als Louis Harry an diesem Tag abholte, stand dieser schon draußen und blickte ungeduldig auf seine Armbanduhr.

Louis konnte seine Gedanken förmlich hören und hoffte, dass das nicht gleich zu einer Diskussion führen würde.

Harry öffnete die Tür, setzte sich in das Auto und desinfizierte sich die Hände.

Dann räusperte er sich. „Du bist zu spät."

Natürlich.

Louis verdrehte die Augen. „Um zwei Minuten."

Als Harry sich anschnallte, war es eines von den wenigen Malen, die er seinen Kollegen direkt anblickte. „Wir wollen doch nicht zu spät kommen."

Louis zog irritiert die Augenbrauen nach oben. „Wir haben noch über eine Stunde Zeit."

Als er den Gang einlegte und den Blinker setzte, wünschte er sich, Niall läge nicht mit einer Mandelentzündung im Bett.

„In einer Stunde muss ich aber schon im OP stehen."

„Warum zur Hölle das denn?"

Der Fahrer hinter ihnen hupte und Louis presste die Lippen zusammen, um ihn nicht zu beleidigen.

Er wollte sich hier schließlich nicht sofort von seiner schlechtesten Seite zeigen.

„Weiß ich noch nicht", antwortete Harry.

„Irgendjemand hat sich mit Sicherheit wehgetan und wartet sehnsüchtig auf eine Operation."

„Klar", kam es von Louis, „Wer freut sich nicht auf eine ungeplante Not-OP?"

„Hattest du schon mal eine Not-OP?"

„Nein."

Harry zuckte die Schultern. „Dann kannst du es auch nicht beurteilen."

Der Wagen hinter ihnen hupte erneut und dieses Mal reichte es Louis.

Er hupte zurück, öffnete das Fenster und streckte ihm den Mittelfinger entgegen. „Reg dich ab, du Vollidiot."

Harry zuckte zusammen und sah verwundert in Richtung des Chirurgen. „Du weißt hoffentlich, dass er dich dafür anzeigen kann."

„Soll er doch", murmelte Louis und fuhr los, als die Ampel wieder grün wurde. „Die nehmen ihm dann hoffentlich den Führerschein."

Nachdenklich faltete Harry die Hände und beobachtete ihn weiter. „Kann es sein, dass du beim Autofahren dazu neigst, aggressiver zu sein als sonst?"

„Nein", log Louis, damit er nicht auf die Idee kam, mitten auf der Kreuzung auszusteigen. „Heute ist einfach nicht mein Tag."

„Warum?"

„Ich-"

Wieder das penetrante Hupen hinter sich, als er die letzte Ampel nicht noch bei Rot mitnahm.

Louis atmete tief durch. Beim nächsten Mal würde er aussteigen und ihn aus seinem Wagen ziehen.

„Du?"

Louis fuhr sich über das entnervte Gesicht. „Entschuldige, was wolltest du wissen?"

„Warum heute nicht dein Tag ist."

„Keine Ahnung", zuckte er die Schultern. „Ich glaube, ich bin immer noch müde vom gestrigen Abend."

„Hattest du Besuch?"

Erneut rollte Louis mit den Augen. „Hast du eigentlich auch noch andere Dinge im Kopf?"

Harry sah ihn irritiert an. „Als Besuch?"