21. Kummer

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Tante May war wirklich reizend, vor allem als sie Peter in Verlegenheit brachte, konnte ich nicht anders als zu grinsen.
„Deine Tante ist wirklich sehr lieb", sagte ich zu Peter, als wir uns auf den Weg in die Garage waren.
„Oh ich brauch meinen Laptop. Warte kurz", fiel es ihm wieder ein und eilte schon nach oben. Ich blieb stehen wo ich war und wartete, bis er wieder zurück kam.
„Du hättest nicht warten müssen", gab er amüsiert von sich.
„Sowas nennt man gute Erziehung, Peter", teilte ich ihm mit und folgte ihm. Wir gingen in den Keller und Peter stellte seinen Laptop auf dem Tisch ab und startete diesen. Ich stellte meinen Rucksack daneben und zog den Reisverschluss auf.
„Möchtest du mit den Netzdrüsen anfangen?", fragte ich.
„Was? Oh ähm ja", sagte er. Wenn Peter in seinem Element war, war er wirklich in einer anderen Welt. Ich nahm meine Armbanduhr sowie meinen Armreif ab und legte diese neben ihn. Das gleiche tat ich mit den Drüsen an meinem Anzug.
„Weiß, rosa, also?" kicherte er.
„Beere, kein rosa", korrigierte ich ihn und gab ihm auch diese Drüsen. Peter steckte diese an den Rechner an und ließ die Codierung drüber laufen. „Sicher, dass du nicht in der IT arbeiten möchtest?", bemerkte ich und setzte mich auf die Tischplatte.
„Warum?", grinste er und sah zu mir.
„So routiniert wie du das hier machst", meinte ich und deutete auf den Monitor.
„Das sind nicht meine ersten Netzdrüsen, Steph", gab er mir einen Denkanstoß. „Ich hab schon ein paar neu programmiert. Vor allem als Elektro einer meiner ersten Shooter durchgebrannt hat", sprach er, war jedoch in seinem Tuen beschäftigt. „Das ist gar nicht mal so schlecht", murmelte er. Peter richtete sich auf, spannte meinen Shooter an den Schraubstock, betätigte den Auslöser und schrieb einige Codierungen neu. „Hast du schon mal etwas programmiert?", fragte er interessiert.
„Nein. Deswegen kostete mich es auch den halben Samstag. Warum? Hab ich einen falschen Code eingegeben?", fragte ich und sprang vom Tisch runter.
„Nein", antwortete er sofort. „Nein, nein, nein. Gar nicht. Das ist gut", meinte er und wandte sich erneut dem Computer zu. Das gleiche tat er sich mit den restlichen Netzdrüsen. „Das ist... das ist gute Arbeit." Das Lob von Peter zu hören, tat unheimlich gut.
„Danke", lächelte ich. Peter war so in seinem Element, dass ich ihn nicht stören wollte.
„Deine Netzdrüsen sind alle auf dem gleichen Stand. Du wirst nur einen Verschleiß haben, was das Gehäuse betrifft. Hast du noch welche vorrätig?" Pete wandte sich mir zu.
„Oh. Den Verschleiß habe ich nicht mit einkalkuliert", gestand ich kleinlaut.
„Warum war mir das klar?", lachte er mich aus und legte seine Arme um meinen Hals. „Aber, dass ist kein Problem", meinte er und wendete sich wieder der Technik zu. Achja. Männer und Technik., dachte ich nur und zog eine Augenbraue hoch.
„Langweile ich dich?", fragte er überrumpelt als er meinen Gesichtsausdruck sah.
„Gar nicht. Es ist nur, du kennst dich mit all dem aus und ich Sitz da und versteh großteils nur Bahnhof", entgegnete ich schulterzuckend.
„Steph, dass sind nicht meine ersten Netzdrüsen", erinnerte er mich daran. „Dahinten ist eine Kiste. Kannst gerne mal anschauen." Peter nickte mit dem Kopf in die Richtung.
„Sicher das ich dir nicht irgendwie zur Hand gehen kann?", wollte ich wissen und fühlte mich schäbig ihn die ganze Arbeit machen zu lassen. „Ich meine, dann könnte ich es für das nächste mal selbst konfigurieren."
„Steph", lächelte er. Sofort hob ich abwehrend meine Hände und ging zur Kiste. Diese war zu 1/3 gefüllt.
„Das ist einiges", kommentierte ich langsam und begutachtete den Verschleiß. Unter anderem war ein angesenkter Shooter dabei, welchen ich in die Hand nahm.
„Elektro?", sagte ich nur und hob das Gehäuse in die Luft.
„Ja", antwortete er, nach einem kurzen Blick. „So. Deine Netzdrüsen sind alle auf den gleichen Stand. Für den Anfang gar nicht mal so schlecht", lobte er und legte die Gehäuse neben meinem Rucksack. „Die Netze sind in allen Vieren drinnen?", wollte er sich rückversichern.
„Ja. Alle geladen", argumentierte ich und stellte die Kiste zurück.
„Perfekt", klopfte er seine Hände an der Hose ab.
„Nun der Anzug?", fragte ich und ging zu meinem Rucksack. Peter nickte während ich meinen Anzug herausholte. „Ich wollte nichts von dir abkupfern, was die Farben betreffen", überkam mich der Drang mich rechtfertigen zu müssen.
„Nein es ist okay. Die Farben passen zu dir", lächelte er. Währenddessen legte ich nur den Oberkörper auf den Tisch. „Hier sind die Nähte für die Netzdrüsen. An den Innenseiten führt das Kabel in die Handinnenflächen wo sich der Sensor befindet. Ich hab ihn versucht so zu programmieren, dass er auf leichten Druck reagiert", erklärte ich ihm.
„Der Grundgedanke ist nicht schlecht. Allerdings, wenn schon leichter Druck die Netze auslöst, gehen die dir ziemlich schnell aus", belehrte er mich.
„Ja das ist mir auch in den Sinn gekommen. Allerdings wollte ich auch nichts, wo ich übermäßig an Druck aufbringen muss, damit die Netze rausschießen."
„Ich verstehe", erwiderte er gedanken- versunken.
„Hast du den Sensor auf deinen Druck programmiert?", wandte er sich an mich.
„Auf meinen Druck? Nein", antwortete ich.
„Okay", sprach er. „Dann werden wir das jetzt mal machen", sprach er eher zu sich selbst als zu mir. Ich zog mir die Handschuhe über und auch hier verband er es mir dem Laptop.
„Okay. Leg die Finger auf den Sensor", wies er mich an. Ich tat worum er mich bat und ich sah auf dem Display, wie mein Druck gescannt wurde. Dies wiederholte ich mehrere Male bis alles so eingestellt war, wie es sollte. „Das sollte es gewesen sein. Jetzt reagiert der Sensor nur noch auf deinen Druck", lächelte er während ich mir den Handschuh wieder abstreifte.
„Danke, Peter. Ohne dich wäre ich wohl aufgeschmissen", gab ich zu und verstaute alles wieder in meinem Rucksack. Anschließend legte ich meine Uhr und mein Armband wieder an.
„Kein Problem", lächelte er. „Aber das nächste Mal, erzähl mir gleich die Wahrheit", bat er mich.
„Ich weiß, dass es falsch war. Aber ich wusste das du mir das ausreden willst, also hab ich es vorgezogen es dir zu verheimlichen", gab ich zu und rieb mir den Hals.
„Peter? Stephanie? Essen ist fertig", hörten wir Tante May nach uns rufen.
„Wir kommen, Tante May", antwortete Peter und klappte den Laptop zu.
„Wenn du willst, können wir morgen mit der Praxis beginnen", wollte er mich nicht überfordern.
„Nein. Es ist okay. Wirklich", sprach ich und folgte ihm nach oben. Den Laptop legte Peter neben sich auf dem Stuhl ab.
„Kann ich Ihnen helfen?", fragte ich Tante May, die jedoch verneinte.
„Ich komme zurecht, aber danke dir, Steph", lehnte sie höflich ab. Wortlos setzte ich mich zu Peter an den Tisch. May kochte Hackbraten, was Peter zum schmunzeln brachte. Was habe ich verpasst?, dachte ich mir.
„Hackbraten?", fragte Peter amüsiert und wollte sein Grinsen hinter seiner Hand verbergen.
„Das letzte mal, hast du ihn gemocht", tadelte ihn May. Dann wandte sie sich an ihn. „Peter kam eines Abends sehr spät nach Hause. Ben und ich dachten er hätte etwas getrunken. Er plünderte förmlich unseren Kühl- und Gefrierschrank. An dem Abend gab es auch Hackbraten und Peter schien vollauf begeistert davon zu sein. An dem Abend gestand mir mein verstorbener Mann Ben, dass er meinen Hackbraten nie mochte", erzählte sie mir aus dem Nähkästchen. Auch mir entlockte es ein Grinsen. „Du möchtest nicht wissen, wie oft in in unserer Ehe Hackbraten gekocht habe."
„Ich kann es mir vorstellen", erwiderte ich und wurde ernst. Peter erzählte mir einst, wie sein Onkel Ben gestorben sei. „Das mit Ihren Mann tut mir leid, May", drückte ich ihr mein Beileid aus.
„Es ist schon gut", beschwichtigte sie mich und schenkte mir ein aufrichtiges Lächeln. Dennoch konnte ich noch eine gewisse Trauer in ihren Augen erkennen. Eine erdrückende Stille breitete sich am Tisch aus und ich wusste nicht über was ich reden sollte. „Seit ihr gut voran gekommen bei euren Vorhaben?", wechselte May das Thema.
„Ja. Ja wir sind so gut wie fertig", übernahm Peter das Wort und trennte sich mit der Gabel ein Stück vom Hackbraten ab.
„An was arbeitet ihr denn?"
„Ist für das College. Für ein Referat", log Peter seine Tante an. Sie weiß nicht, dass er Spider-Man ist., dachte ich mir und schielte zu meinem Freund. Dann wandte er sich zu mir. „Ich denke wir machen morgen weiter, Steph."
„Ja. Sonst wird es zu spät", willigte ich nickend ein und aß ebenfalls ein Stück des Bratens. Er war gut. May verarbeitete jedoch andere Zutaten als meine Oma, was aber nicht weiter schlimm war.
„Ich freu mich, dass ihr euch ausgesprochen habt. Du musst wissen, Peter war ziemlich traurig über euren Streit", teilte May unverblümt mit. Na sieh mal einer an., schoss es mir durch den Kopf und sah zu Peter.
„Oh", murmelte ich zu mir selbst. „Ja. Ja ich bin auch froh, dass wir uns ausgesprochen haben", pflichtete ich bei und lächelte sanft.
„Peter war ein Häufchen Elend. So habe ich ihn zuletzt erlebt, als seine damalige Freundin gestorben ist", teilte sie offenkundig mit. Langsam kaute ich des Stück Fleisch und sah auf die Tischplatte. „Er hat lange gebraucht um zu verstehen, dass die Liebe nicht selbstverständlich ist. Deswegen bin ich überglücklich, dass du in sein Leben getreten bist, Steph." May griff über den Tisch um meine Hand zu drücken. Ich blickte auf und lächelte gequält. Mir war immer bewusst, dass Gwen Peters erste große Liebe war und daher immer etwas besonderes für ihn sein wird. Trotz allen musste ich zugeben, dass diese Tatsache immer wieder aufs Neue sich wie ein Stich ins Herz anfühlte. „Ich weiß noch, wie er mir von dir erzählte. Wie er Angst hatte wieder einen Verlust ertragen zu müssen. Aber vor allem, dich nicht so lieben zu können, wie er es bei Gwen tat. Ich sagte zu ihm, dass seine Liebe zu dir natürlich anders sein würde, aber es ebenso von tiefsten Herzen kommen kann. Ich denke, dass hat ihn die Augen geöffnet."
„Tante May", ermahnte Peter seine Tante.
„Ja. Peter erzählte mir davon", lächelte ich und aß weiter.
„Ja?", lächelte May. „Peter hat ein gutes Händchen", sang sie ihre Lobeshymne weiter. „Du bist eine anständige junge Frau."
Die Röte bereitete sich in meinen Wangen aus. Verlegen sah ich von May zu Peter.
„Tante May", schmunzelte Peter amüsiert und hoffe wohl ebenso, dass sie damit aufhören würde. Anscheinend verstand May den Wink und hob entschuldigend ihre Hände. Peter und ich schoben uns ein weiteres Stück in den Mund, blickten einander an und mussten grinsen.
„Erzähl doch etwas von dir, Steph. Peter muss man alles aus der Nase ziehen", bat mich May.
„Oh", lachte ich verunsichert auf und schluckte meinen Bissen. „Über mich gibt es kaum etwas interessantes zu erzählen", entgegnete ich verlegen.
„Steph hilft mir ab und zu mit den Bildern für Jameson", sprach Peter selbstbewusst.
„Ach ja?", fragte May erstaunt. „Und doch wirst du immer noch schlecht bezahlt", tadelte May.
„Tja", meinte Peter schulterzuckend. „Wir Leben in der falschen Zeit."
„Du solltest mit ihm reden, Peter!", bestand sie und sah ihn eindringlich an. „Vor allem wenn du schon Hilfe bekommst und ihn bessere Bilder lieferst."
„Dann kennst du Jameson nicht", warf Peter ein und schob sich das letzte Stück in den Mund. „Er entscheidet. Bist du damit einverstanden ist es okay. Wenn nicht, bist du gefeuert."
„Ich muss deiner Tante aber recht geben. Du schickst ihn keine Rohlinge mehr. Die Bilder sind bereits bearbeitet. Das ist Arbeitszeit."
„Da muss ich Steph recht geben, Peter", stimmte auch Tante May zu.
„Wenn ich du wäre, würde ich die Bearbeitungszeit trotz allem in Rechnung stellen", sprach ich und aß ebenfalls mein letztes Stück. „Ob und was dann kommt, werden wir dann sehen."
„Ein Versuch wäre es wohl wert", seufzte Peter und blickte zu mir, während er seinen Arm abstützte und die Hand vor seinem Gesicht baumelte.
„Habt ihr noch Hunger?", fragte May, was wir beide verneinten.
„Ich helfe Ihnen mit Abräumen", bot ich an und ging Peters Tante zur Hand. Sobald wir mit abräumen fertig waren, verabschiedete ich mich schon mal von May. Es war spät geworden und Peter begleitete mich noch bis zur Veranda.
„Tut mir leid, wegen meiner Tante", entschuldigte er sich peinlich berührt für seine Tante.
„Du musst dich dafür nicht entschuldigen", lächelte ich. „Ich mag deine Tante. Sie ist wirklich sehr lieb."
„Dann bin ich beruhigt", lachte Peter. „Soll ich dich noch nach Hause bringen?"
„Ach nein. Es sind doch nur zwei Straßen", lehnte ich dankend ab.
„Okay", akzeptierte er meine Entscheidung. Währenddessen lief ich die Stufen hinab.
„Dann sehen wir uns morgen in der Schule", rief ich.
„Nimm bequeme Sachen mit", riet er mir.
„Ich merk's mir", lächelte ich und machte mich auf dem Heimweg. Als ich in unsere Straße bog, sah ich bereits das Auto meiner Großeltern vor dem Haus stehen. Ich stieg die Stufen hinauf und sperrte unsere Haustüre auf.
„Hey Schatz", grüßte meine Oma.
„Hi", antwortete ich tonlos.
„Was ist passiert?", fragte sie sofort.
„Kann man jemanden genauso sehr lieben, wie wenn man seine erste große Liebe verloren hat?", fragte ich gerade heraus.
„Was ist passiert, Steph? Hast du dich von deinem Freund getrennt?", wollte sie wissen und schloss mich in ihre Arme.
„Nein. Wir haben uns nicht getrennt", antwortete ich mir erstickter Stimme. „Ich habe nur Angst, er kann nicht genauso stark für mich empfinden wie für die andere." Es war bewusst, dass ich Gwen's Name nicht in den Mund nahm.
„Weißt du, Gefühle können zwar unterschiedlich sein, aber deswegen nicht stärker oder schwächer. Du sagst er hat seine erste große Liebe verloren. Das ist eine schmerzhafte Erfahrung, aber es heißt nicht, dass er nicht genauso stark für dich empfinden kann. Jede Beziehung ist verschieden, genauso wie die Gefühle. Aber es heißt nicht, dass es nicht aufrichtig ist. Schau mal, wenn er nichts für dich empfinden würde, dann hätte sich doch niemals für dich entschieden, oder?", fragte sie mich.
„Vermutlich nicht", seufzte ich. „Trotzdem habe ich Angst, es ist nicht genug."
„Ich bin sicher da liegst du falsch. So wie jede Mensch individuell ist, ist es ebenso mit unseren Gefühlen. Ich bin sicher, du steigerst dich gerade in etwas hinein", wollte sie mich trösten.
„Ja vermutlich", meinte ich leise und löste mich aus der Umarmung meiner Oma. „Das heißt du liebst Opa auch von ganzen Herzen, obwohl du deinen ersten Mann ebenso geliebt hast?", wollte ich wissen.
„Ja mein Schatz", lächelte sie aufmunternd. „Mach dir nicht so einen Kopf. Ich bin sicher Peter liebt dich genauso sehr."
„Vielleicht hast du recht. Ich geh jetzt ins Bett. Ist schon ziemlich spät geworden. Gute Nacht", wünschte ich und verzog mich auch schon nach oben.

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