Evelyn:
Unser Kellner zeigt auf einen netten kleinen Tisch in der Ecke des Restaurants auf den wir nun alle zusteuern. Meine Pflegeeltern wollen den letzten Abend nochmal schön ausklingen lassen und das tuen wir hier in diesem teuren Restaurant. Es ist wirklich wunderschön mit den roten vorhängen, den Holztischen und den vielen Pflanzen. Ich bekomme den Platz am Tischende. Zum Glück, so muss ich nicht wieder neben Kyle sitzen. Der Körperkontakt während der Autofahrt war schon eine Zumutung für mich. Irgendwann werde ich mit ihm reden müssen, aber das kann noch warten. Erst einmal genieße ich noch diesen Urlaub.
Nachdem wir unsere Bestellungen aufgegeben haben, fangen alle an zu reden. Es wirkt fast so, als wäre das schon immer so gewesen. Als hätte ich alle meine Abende mit diesen Menschen verbracht, denn ich habe mich noch nie so zuhause gefühlt. Die einzige Person, die keinen Ton von sich gibt, ist Kyle. Er ist merkwürdig still. Aber mir solls recht sein.
„Evelyn? Wir würden gerne noch etwas mit dir besprechen."
Ich blicke von meinem Nudelteller auf in das Gesicht meiner Pflegemutter.
„Was ist los?" Eine böse Vorahnung schleicht sich in meinen Kopf. Haben sie es sich anders überlegt? Wollen sie mich wieder loswerden? Fuck, hat Kyle ihnen von gestern Abend erzählt? Ich hätte das niemals tun dürfen. Oder ist es weil wir immer noch nicht miteinander auskommen?
„Wir wollten dich fragen, wie es dir bei uns gefällt?" meldet sich mein Pflegevater zu Wort.
„Mir gefällt es ehrlich gesagt sehr gut."
„Das ist super, denn wir haben uns Gedanken gemacht."
„Habt ihr?" Nervös blicke ich zu Taylor, welcher mich nur anlächelt.
„Ja. Wir hätten nämlich gerne, dass du fester Bestandteil dieser Familie wirst." Amy grinst über das ganze Gesicht.
„Was?" verwirrt sehe ich von einem Elternteil zum anderen.
„Du gehörst einfach zu uns."
„Ihr wollt das ich Teil eurer Familie werde?"
„Falsch, du bist schon Teil dieser Familie aber wir wollen, dass das auch so bleibt."
„Das bedeutet?"
„Sie wollen dich adoptieren." Die ersten drei Worte die Kyle den ganzen Abend lang ausgesprochen hat. Jetzt wundert es mich nicht mehr, dass er so leise war.
Ich bin komplett überfordert. Sie wollen mich adoptieren. Für immer. Nie wieder eine Pflegefamilie.
Mein Blick schellt zu Kyle. Was er wohl davon hält? Sicher nichts Gutes. Er hält es bestimmt für eine beschissene Idee. Ich weiß nur nicht warum. Weil er mich eigentlich schon hasst, seid ihr hier eingezogen bin oder weil wir uns letztens geküsst haben? Oder wegen beidem? Aber seine Miene gibt mir keine Einblicke darauf, was er denkt.
Immer noch warten alle auf eine Antwort, aber ich weiß nicht, ob ich ihnen schon eine geben kann. Es geht alles so schnell und es kommt so unerwartet. Natürlich würde ich nichts lieber als für immer bei ihnen zu leben, aber da sind noch andere Dinge, die ich bedenken muss. Ich kann es nicht aus dem Bauch heraus entscheiden.
„Kann ich darüber nachdenken?" frage ich zögernd.
„Natürlich. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst." meint Amy.
„Es ist nicht so, dass ich nicht will, aber-"
„Du schuldest uns keine Erklärung."
„Danke. Für alles."
Den ganzen restlichen Abend haben wir nicht mehr darüber geredet. Wir haben so getan, als hätte es dieses Gespräch nie gegeben und das hat den Abend vermutlich auch gerettet. Ich kann trotzdem nicht anders als nur darüber nachzudenken, ob ich wirklich adoptiert werden will. Eigentlich müsst es ja klar sein, dass ich ja sage. Ich liebe diese Menschen hier um mich herum, ich habe mich in der Schule zurechtgefunden und sogar Freunde. Aber irgendwie kann ich nicht. Mein Unterbewusstsein weiß, dass es Kyles Schuld ist. Weil er mich geküsst hat. Aber ich habe erwidert. Auch wenn Alkohol im Spiel war, ich hätte glaube ich auch ohne, nichts anders gemacht. Und das macht mir Angst. Wie soll ich so mit ihm zusammenleben? Ihn für immer als meinen Bruder ansehen? Das kann doch nicht funktionieren. Ich schwinge meine Beine aus dem Bett. Ich kann sowieso nicht wirklich schlafen. Vielleicht sollte ich einfach runter gehen und Netflix schauen. Das bringt mich von meinen Gedanken weg.

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Ending Loneliness
Roman d'amourSeit sie 4 ist wird Evelyn pausenlos von einer Familie zur nächsten geschoben. Nachdem tragischen Tod ihrer Eltern hat sie niemanden mehr aber was passiert wenn sie ausnahmsweise in eine Pflegefamilie geratet, bei der sie zum ersten Mal das Gefühl h...