Kein Gramm Fett

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Tief durchatmen, Katharina!!

Ich warf die Tür der Umkleidekabine förmlich hinter mir zu und rannte ersteinmal eine Kollegin über den Haufen , da ich immer noch nach unten schaute und sie komplett übersah.
„ Endschuldige ,Steffi ... Ich bin heute echt spät, hab dich nicht gesehen!"
Ich hörte mir ihre Antwort gar nicht mehr an, sondern steuerte auf unser Dienstzimmer zu .

Alles wartete natürlich auf mich ...
Wie ich das hasste ...!!
„ Was ist denn mit dir passiert?" fragte Tim, unsere Stationsleitung, und sah mich mit großen Augen an.
Ich schaute in den Spiegel über unserem Waschbecken und registrierte erst jetzt, die fiese Schramme rechts oberhalb meiner Stirn. Die Umgebung hatte sich bläulich verfärbt und man konnte eine deutliche Schwellung sehen .

„ Ach , ich habe mich gerade beim Fahrrad abschließen an der Überdachung gestoßen. Das geht schon!
Komm lass uns anfangen, damit ihr schnell nach Hause kommt".
Während Tim mir von der Spätschicht berichtete und ich erfuhr, dass wir zum Wochenende tatsächlich nur 4 Patienten behalten hatten , 2 davon beatmet, war ich in Gedanken wieder bei der Situation von eben in der Umkleidekabine...

Mich hatte die Situation mit Stefan zu Hause emotional so mitgenommen, dass ich kaum noch wusste, wie ich mit dem Fahrrad zum Krankenhaus gekommen war. In der Umkleidekabine hatte ich gedanklich nochmals den ganzen Tag abgespielt, mich gefragt was ich wieder verkehrt gemacht hatte ...
Das Haus war aufgeräumt, das Essen gekocht ... vielleicht war es das graue Strickkleid ...?

Nike hatte ich nicht kommen hören...und dann war es auch schon zu spät ! Die Tür flog mit voller Wucht gegen meine Stirn ...
Sie kam sofort zu mir und wollte mir helfen aber ich konnte dieses Berührungen nicht ertragen...!
Nach Sina hatte mich niemand mehr angefasst und das war auch gut so !
Wenn Menschen einem zu nah kamen , fühlte man etwas ... und momentan wollte ich einfach nichts fühlen !
Schon gar nicht auf der Arbeit...

Wie sie vor mir gestanden hatte , in ihrem nassen , schwarzen Regenmantel... ihr sorgenvoller Blick ...
Und ich .... ?
In meiner ältesten Unterwäsche, die farblich nicht einmal zusammenpasste, schämte mich vor ihr in Grund und Boden!

Ich hatte Nike die ganze Zeit heimlich beobachtet in der Umkleide ...
Es ging auch gar nicht anders !
Sie stand kaum 3 Meter von mir entfernt.
Noch nie hatte ich eine Frau gesehen, die sich so elegant und sinnlich auszog.
Nike riss sich nicht einfach wahllos die Kleidung von Leib ... langsam und selbstsicher hatte es ausgesehen... anmutig!

Da sie anfangs mit dem Rücken zu mir gestanden hatte, konnte ich gar nicht anders als ihr zuzusehen.
Nike's Körper war schmal , kein Gramm Fett konnte ich erkennen! Lange Beine und ein kleiner fester Po ... straffe, junge Haut !
Sie hatte ein edles Set aus schwarzer Spitze getragen , schlicht aber elegant!
Es passte einfach zu ihr . Ihre Haut war hell und sah so zart aus, dass ich mich gefragt hatte , wie sie sich unter meinen Händen anfühlen würde.

Ich hatte gemerkt , dass sie immer mal kurz zu mir herüber sah ... sie schien sich wirklich Sorgen zu machen!
„ Deine Stirn sollte sich jemand ansehen" , hatte sie vorsichtig in meine Richtung gesagt.
Ich fühlte , dass sie meinen Körper mit ihren Blicken abtastete ...
Das war ein ziemlich beschissenes Gefühl, von so einer schönen jungen Frau „ begutachtet" zu werden!

Nike in ihrem Spitzen Zweiteiler vor mir ,sah aus wie ein Modell.
Ganz kleine Brüste , ein schöner flacher Bauch... weiter nach unten wollte ich nicht blicken ... !
Während sie sich ebenfalls hatte beeilen müssen, zog ich mich in Rekordgeschwindigkeit um, war an ihr vorbei gehetzt und roch wieder diesen süßlichen Duft...

„ Katharina?? Hey , alles ok ? ... Soll ich vielleicht doch einen Arzt holen?" Tim sah mich skeptisch an.
Der Duft von Vanille ....
Sinnlich , süß... dieser schmale Körper
NEIN KATHARINA!!!
So etwas hattest du gerade erst hinter dir , denk an die Sache mit Sina ....

Sina ...
Sie hatte mir noch nicht geantwortet...
„ Es geht schon, mach mal Feierabend, ich kriege das hin," beruhigte ich ihn und fing an Medikamente vorzubereiten.
„ Hör mal Katharina, ich sehe das es dir nicht gut geht. Auch die anderen Kollegen sehen das ... Du springst in den letzten Wochen ständig ein und hast doch zu Hause selber genug zu tun mit den Kindern usw," kam er vorsichtig auf mich zu.

Oh nein , bitte nicht !!
Ich brauchte die Arbeit momentan mehr als alles andere...
Ich musste abends vor Erschöpfung ins Bett fallen um überhaupt schlafen zu können...
„ Ich habe mir heute Nachmittag den Dienstplan für die kommenden Wochen angesehen und wir sind sehr gut besetzt ! Ich möchte , dass du mal eine Weile zu Hause bleibst... du brauchst eine Pause, Katharina!Wir missen dich hier nicht gerne aber auch du hast nur eine Gesundheit!"

Ich sah ihn fast wütend an ...
„ Tim , das kannst du nicht machen. Glaub mir ich weiß am besten was gut für mich ist und momentan brauche ich die Arbeit! Ich sag schon Bescheid, wenn es nicht mehr geht!"
Er sah mich lange an....
„ Katharina, hast du mal in den Spiegel geschaut? Du siehst aus wie der Tod auf zwei Beinen.... es ist anscheinend nicht alles gut und ich möchte dir Zeit geben, das zu klären !"
Er tippte etwas in sein Telefon .

Ich atmete tief ein 4....,7.....,8......

4......Vor Wut hätte ich fast mit dem Fuß auf den Boden gestampft...
7.......Er „ beurlaubte" mich einfach ... ohne mich zu fragen...
8........Man brauchte mich hier anscheinend nicht mehr...
Wir hatten doch so viel zu tun ... !!
Sah ich so schlecht aus?
Ich musste atmen.... Ganz ruhig..... ganz ruhig
Ehrlich gesagt hatte ich mir die letzten Wochen darüber gar keine Gedanken mehr gemacht. Ich stand auf , machte den Haushalt, ging zur Arbeit, kümmerte mich um die Kinder ...

„ Nike? Ja hier ist Tim von der ITS , hi... Wenn du gleich vielleicht ein paar Minuten Zeit hast , würdest du dir bitte mal meine Kollegin Katharina ansehen ? Sie hat sich vor Dienstbeginn am Kopf verletzt und ich wäre ruhig, wenn da jemand mal drauf schauen würde. Ja genau ... Ja, das sehe ich auch so. Sie ist alleine hier auf Station, nicht dass etwas passiert! Ich danke dir !"

NEIN!
NEIN, NEIN!!

Sie brauchte nicht extra wegen mir zu kommen!
„ Mir geht es gut , du kannst Nike sagen , dass sie nicht kommen braucht", drehte mich wie ein trotziges Kind um und wollte ihn einfach stehen lassen!
Ich wurde jetzt hier gebraucht ...
Ich war doch kein Schwächling!!

Tim nahm mich nochmals zur Seite und erklärte mir ganz deutlich
„ Katharina, das war keine Bitte... nach dieser Nacht nimmst du dir solange Zeit , bis es dir wieder besser geht und meldest dich dann bei mir... Du weißt hier ist immer ein Platz für dich, also ruh dich aus und regle alles in Ruhe!"

Ich sah ihn an und mir kamen fast die Tränen...
Konnte der Tag heute noch beschissener werden ?

Glaub an dich , Liebes ! ( Zweiter Teil ) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt