Kapitel 34

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Logan und ich saßen an dem Tresen der noch geschlossenen Bar. Roxy und Grace hatten sich nach hinten verzogen, da Logan mit mir reden wollte. Er hatte mir ein Bier gereicht, das ich in der Hand hielt und mit dem Etikett der Flasche herumspielte.

»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, begann er und blickte sorgenvoll drein.

Schulterzuckend antwortete ich: »Ich wollte Roxy da einfach nur so schnell wie möglich rausbringen.«

Nickend begann er: »Ja, ich meine, ich weiß... und danke dir dafür. Solange sie hier in Long Beach ist, bin ich ihr gesetzlicher Vormund, das ist so geregelt. Mein Dad hat sie nur deswegen hierherkommen lassen. Ich habe ihm versichert gut auf sie aufzupassen, deswegen auch die Gruppe, da ihr Therapeut in Virgina ist. Gelegentlich telefoniert sie noch mit ihm.« Er ließ seinen Blick einmal über mich wandern und fragte dann: »Sie hat dir von unserer Mutter erzählt?«

Ich nickte.

»Ich weiß, dass Roxy das nicht wahrhaben möchte, aber mein Dad und ich gehen davon aus, dass unsere Mom es ihr beigebracht hat. Sie und meine Mom hatten ein richtig gutes Verhältnis, bis sie abgehauen ist. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem sie nicht zurückgekommen ist. Es war Roxys erster Tag in der Middle School, alles war wie immer, sie hat sie morgens zur Schule gebracht und ihr gesagt, dass sie sie später wieder abholen würde. Als sie nicht kam, ist Roxy als Erstes in den Supermarkt gegangen, weil sie und meine Mom dort regelmäßig einkaufen gegangen sind. Sie hat gedacht, wenn sie sich ganz viele Weingummitüten in den Rucksack steckt, würde meine Mutter kommen und sie holen. Aber sie kam nicht. Ich erinnere mich, dass ich einmal mit meiner Mom im Zoo war, da war Roxy selbst noch ein Baby. Es gibt doch diese Souvenirshops, ich habe meine Mom dabei beobachtet, wie sie etwas in Roxys Kinderwagen verschwinden lassen hat. Damals war ich selbst erst sechs Jahre alt und habe kaum verstanden, was sie da tut, doch sie hat sich zu mir umgedreht, mir zugezwinkert und den Finger auf ihre Lippen gelegt.«

Logans Blick glitt hinter mich, während er weitersprach. »Wir haben irgendwann erfahren, dass meine Mutter, ganz oft Sachen in Roxys Kinderwagen versteckt hat oder als sie laufen konnte sogar in ihre Taschen. Roxy hat gedacht, dass sie die Sachen genommen hätte, weil meine Mom es ihr eingeredet hat. Das glaubt sie bis heute.«

Es war exakt das, was Roxy mir bei unserem Gespräch in der Küche auch gesagt hatte, dass sie davon ausgegangen war, dass sie damals schon die Sachen geklaut hatte. Es war wirklich erschreckend zu sehen, wie sich das auf Roxys Leben ausgewirkt hatte. Wie prägend das für sie gewesen sein musste. Und es zeigte auch wieder, wie viel Einfluss unsere Eltern tatsächlich auf uns nehmen konnten. Unsere Eltern sollten doch unsere Vorbilder sein, man sollte doch zu ihnen aufsehen. Sie sollten immer mit dem besten Beispiel vorangehen - oder lag ich da falsch?

»Also ist es ihr sozusagen anerzogen worden?«, hakte ich nach.

Logan nickte. »Wir gehen davon aus. Laut meines Dads hatte meine Mom ein ähnliches Problem, sie hat es auf Roxy übertragen. Es ist eine Impulskontrollstörung, die bei ihr Phasenweise auftritt. Damals, als ich noch in Virgina gelebt habe, waren wir zwischendurch bei den Therapiegesprächen, die gerichtlich festgelegt wurden dabei. Sie konnte kaum damit aufhören, nachdem meine Mom weg war, zu dem kam noch das Alter hinzu, sie wurde älter und irgendwann wurde kein Auge mehr zugedrückt. Ihr drohte das Jugendgefängnis, durch die vielen Anzeigen. Klamottenläden, Schmuckgeschäfte, Supermärkte. Seit der Therapie, lief es eigentlich gut, hin und wieder hat sie mal eine Packung Weingummis geklaut, aber im Großen und Ganzen hat sie sich auf ihre Karriere versucht zu konzentrieren. Deshalb hat mein Dad ihr auch erlaubt, hierhin zu kommen. Normalerweise gibt es bei den Menschen, die diese Störung haben, keine erkennbaren Gründe dafür, warum sie es tun. Bei Roxy gibt es die, ist sie zu hohem emotionalen Stress ausgesetzt, verstärkt sich der Drang danach zu klauen.«

Last Fight - Look into my Soul (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt