Kapitel 43

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Nachdem wir von dem Kaffee trinken, mit meinem Onkel in Roxys Wohnung ankamen, sagte sie mir, dass sie duschen gehen wollte. Ich fühlte mich ruhelos und für ihren Kontrollverlust verantwortlich. Machten wir uns nichts vor - ich hatte die Tage schon gespürt, das irgendwas nicht stimmte. Schon als Samantha ihr, diesen Rat gegeben hatte, oder als das mit Blake passiert war. Verdammt nochmal, ich war auch, wenn ich für sie und mich kämpfen wollte, nicht unbedingt in letzter Zeit für sie da gewesen. Nein, sie war für mich da gewesen. Irgendwas tief in meinem Inneren verriet mir, dass ich der Auslöser war. Mir war es die letzten Tage nicht ganz klar gewesen, aber es musste so sein. Was konnte sie sonst noch stressen, außer mein Verhalten?

Als Roxy aus der Dusche kam, hingen ihre lockigen Haare nass an ihr herab. Sie trug ein weißes Spaghettiträgeroberteil und eine kurze blaue Hose. Ihr Lächeln war da, als sie mich anblickte, doch es erreichte nicht wie sonst, ihre Augen. Sie sah so müde aus und von dem ganzen weinen, waren ihre hübschen Augen, die so sehr einem Ozean ähnelten gerötet. Ich griff nach ihrer Hand und zog sie zu mir auf die Couch, dabei flüsterte ich: »Kirschmädchen, erzählst du mir was da passiert ist?«
Einmal hatte ich den Fehler gemacht und war zu forsch in meiner Fragerrei gewesen, das würde mir nicht nochmal passieren.

»Es tut mir leid, Tay, das kommt nicht nochmal vor.«

Sie kletterte auf meinen Schoss und legte ihre Lippen auf meine, wollte mich küssen. Mir war klar, was sie da versuchte, sie wollte mich davon abhalten sie genauer zu befragen. Ich hielt sie davon ab.

»Roxy, komm schon, sag mir was los ist. Du bist die ganze Zeit bei mir und genauso will auch auch bei dir sein.« Bevor ich weitersprach, machte ich eine Pause. »Warum immer Weingummitüten?«

Ja, das war mir nicht entgangen. Mir war auffgefallen, dass sie nicht wie anfangs erwähnt Ketten stahl, sondern Weingummitüten. Immer wieder Weingummitüten. Und heute musste sie anscheinend, den absoluten Kontrollverlust diesbezüglich gehabt haben. Nicht auszudenken, wie sie sich gefühlt haben musste, als der Wachmann sie abgeführt hatte. Wäre ich dabei gewesen, wäre es nicht dazu gekommen. Sowie beim letzten Mal hätte ich mich vor sie gestellt, aber ich war nicht dabei gewesen und konnte es auch nicht zu jeder Tageszeit - das war mir klar.

Roxys Augen schimmerten. »Es ist egal wie viele Tüten ich einstecke. Ich weiß, dass sie nicht zurückkommt. Logan sagt mir das immer wieder, aber an manchen Tagen vermisse ich sie so sehr, dass ich will dass sie zurückkommt.«

Die Rede war hier von ihrer Mom. Logan hatte mir so einiges über sie erzählt, hingegen Roxy, dies offensichtlich verdrängte. Vielleicht war Verdrängung nicht das richtige Wort, sondern viel mehr Verschiebung der Wahrnehmung?! Sie hatte ja einen Therapeuten, dennoch gab es Phasen in denen sie ihren Zwang nicht im Griff hatte. Dann gab es Phasen, wo sie sich im Griff hatte. Laut Logan würde sie es niemals ganz loswerden, dennoch konnte man Strategien entwickeln. Zwänge verschwanden nicht, sie ließen sich nur etwas in den Griff kriegen, indem man sie verlagerte, sie akzeptierte und sie keinesfalls unterdrückte.

»Meine Mom hat mir gesagt, wenn ich Weingummitüten einstecke kommt sie zurück und holt mich. Sie hat mich vor dem Regal stehen lassen und mir gesagt, dass ich mir eine Weingummitüte einstecken soll, erst wenn ich sie eingesteckt hätte, würde sie zurückkommen und wir würden den Laden verlassen. Als sie mich nach der Schule nicht abgeholt hat, bin ich in den Laden in der Hoffnung, dass sie kommen würde, wenn ich sie klaute, weil es immer so war, aber sie kam nicht. Nachdem der Wachmann mich der Polizei übergeben hatte, saß ich stundenlang mit ihm auf dem Revier, weil er versucht hatte meine Mom zu erreichen. Er wollte Dad anrufen aber das wollte ich nicht - denn das war unser Geheimnis. Meine Mom hatte mir verboten, mit Dad und Logan darüber zu reden. Irgendwann hat er entschieden meinen Dad anzurufen und als mein Dad kam, konnte ich ihm ansehen wie enttäuscht er von mir war. Er hat nichts gesagt, aber ich habe es gesehen. Ich hasse Polizeireviere, weil ich schon viel zu oft da saß, und jedes Mal den enttäuschten Blick meines Vaters sehen musste.«

Last Fight - Look into my Soul (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt