Kapitel 39

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TW: erheblicher Drogenkonsum

Alles zog an mir vorbei. Wie konnte man in einem Raum voller Leute sitzen und den Eindruck haben, alleine zu sein? Wie konnte man das Gelächter von ihnen hören und dennoch nicht mitlachen? Wie konnte man Leben, ohne je wirklich gelebt zu haben?
Ich fühlte mich gefangen in einem dicken Sumpf aus Teer, der mich umgab - beinahe verschluckte. Mit jedem Schritt, den ich vorwärts setzte, zog er mich zurück, wollte mich in sich aufnehmen und bei sich behalten.

Der abgestandene Geruch von viel zu viel Marihuana, lag in der Luft. Neben mir, waren schmatzende Geräusche zu hören. Vor mir auf dem Tisch bewegte sich eine Frau, die einen Lapdance hinlegt. Neben ihr, lagen ein paar Dollarscheine, weißes Pulver verzierte den Tisch und Graskrümelchen lagen ausgebreitet herum. Scheiße, ich war so zugedröhnt, dass sich meine Augenlider wie in Zeitlupe hoben und senkten und jedes Mal, wenn ich meine verfluchten Augen schloss, sah ich ihr Gesicht vor mir.

Shirt! Krieg dich in den Griff, Taylor, sonst verlässt sie dich. Genau wie Sara dich verlassen hat. Genau wie Grandpa!
Mittlerweile war es egal, wie oft ich mir diese Sätze vorgaukelte. Nichts änderte sich. Da war eine Hand, die sich mir entgegenstreckte und jedes Mal, wenn ich versuchte nach ihr zu greifen, damit sie mich wieder ins Licht ziehen konnte, fiel ich zurück. Ich befand mich in meiner eigenen Dunkelheit, in der nichts war, außer beißende Kälte.

Geh zu ihr, rede mit ihr, befahl irgendwas in meinem Gehirn. Doch Fakt war, so zugedröhnt konnte ich nach der Sache nicht bei ihr auftauchen.

Ich brauchte Koks, das würde mich wacher machen - mich klarer denken lassen. Ich lehnte mich vor, griff nach der Karte, die auf dem Tisch lag und schob mir eine Line zusammen. Den aufgerollten Dollarschein, mir an die Nase haltend jagte ich es mir durch. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis ich merkte, dass meine Pupillen sich weiteten. Meine Müdigkeit war wie weggeblasen und meine Laune veränderte sich schlagartig. Der Zustand pushte zusätzlich, ich fühlte mich größer, klarer und verdammt nochmal unbesiegbar. Ein kurzer kräftiger Herzschlag verriet, dass ich noch lebte. Ich zog meine Nase hoch, eine Begleiterscheinung des Koks, die man in diesem Zustand nicht so schnell loswurde. Zum ersten Mal, seitdem ich mich so zugedröhnt hatte, ließ ich meinen Blick schweifen.

Irgendein Kerl saß neben mir, auf ihm, irgendeine Schwarzhaarige, die seinen Schwanz ritt. Kühles glattes Leder unter mir. Musik dröhnte in voller Lautstärke durch irgendwelche Boxen und dann fiel es mir wieder ein. Ich hatte Mike angerufen, weil ich nicht mehr viel Gras gehabt hatte, er meinte, ich solle vorbeikommen. Als ich bei ihm angekommen war, hatten sich einige Leute in seinem Haus befunden. Manchmal schmiss er Partys, also war ich da geblieben, hatte mit ein paar der Leute einen oder mehrere geraucht.
Die Frau, die vor mir auf dem Tisch tanzte, lächelte mich an und ich blickte an mir herunter, erleichtert zu sehen, dass ich meine Hose noch trug.

Ich musste hier raus. Langsam erhob ich mich von der Couch, packte mein Hab und Gut zusammen und machte mich auf den Weg zu Roxy.

Schon als ich die Tür mit dem Schlüssel, den sie extra für mich hatte anfertigen lassen, öffnete, sah ich sie. Sie saß an der Wand gelehnt auf dem Boden. Ihr Kopf in ihrem Display vergraben. Als sich unsere Blicke trafen, kam sie auf die Füße. Ihre Augen waren gerötet und sie stieß ein erleichtertes: »Gott sei Dank, bist du da!«

Ihre Arme schlangen sich um meinen Körper und mir entging nicht, dass sie total zitterte. Scheiße! War das meinetwegen? Schnell legte ich meine Arme um sie. Eine Weile standen wir so da, bis ich sie von mir schob.

»Ich habe dich angerufen, du bist nicht rangegangen«, sagte sie und ich hörte, dass ihre Stimme auch zitterte.

Roxy wirkte ruhelos, angespannt und völlig fertig, so aufgewühlt hatte ich sie noch nie erlebt. Nichtmal, nachdem sie mich von dem Polizeirevier abgeholt hatte. »Ich...ich habe gedacht, dass du hier bist, wenn ich komme, dass wir über die Sache, die passiert ist reden können, aber... du warst nicht da und bei Nale warst du auch nicht. Ich habe gedacht, dass du mich verlässt!«

Auch wenn ich gerade völlig drauf war, hatte ich mitgekriegt, was sie da sagte. Sie hatte gedacht, dass ich sie verließe. Dabei hatte ich solche Angst, dass sie mich verließe, weil ich so einen Bullshit gelabert hatte und ihr solch scheußliche Sachen unterstellt hatte.

Fester als beabsichtigt drückte ich sie an meine Brust. »Ich war bei Mike, er ist mein Dealer. Es gab eine Party. Es tut mir so leid, was ich zu dir gesagt habe, Roxy. Ich weiß, dass du nichts mit diesem Wichser hattest. Bitte verzeih mir!«

Irgendwie war alles abgefuckt und mein Zustand, in dem ich mich gerade befand, machte die Situation nicht besser. Roxy war jung und litt unter einer verdammten Zwangsstörung. Logan hatte mir gesagt, dass wenn sie Stress ausgesetzt war, es sich bei ihr verschlimmerte. Ich sollte mich dringend wieder in den Griff bekommen. Ich sollte mich nachts nicht herumtreiben, nicht trinken, mich nicht so zudröhnen, dass ich mir eine Line ziehen musste, um klarzukommen. Mehr als dringend, sollte ich versuchen meinen Fokus, wieder geradezurücken. Nur wie?

Wieder einmal war ich an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht weiter wusste. Doch so weitermachen konnte ich nicht mehr.

Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände, um ihr in die Augen blicken zu können. »Bitte verzeih mir, dass ich so ein Arsch war.«
Hastig nickte sie, während sich Tränen aus ihren Augen lösten. Scheiße, sie sah so fertig aus und sie war so fertig und das nur meinetwegen. Ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn, drückte sie nochmal an mich, bevor ich sie hochhob und sie ins Schlafzimmer trug.

Zusammen mit ihr legte ich mich hin und hielt sie fest in meinem Arm. Schlafen würde ich nicht können, da das Koks das nicht zuließe, aber ich konnte sie festhalten und streicheln. Sie beruhigen und für sie da sein. Vor lauter Erschöpfung, schlief sie schnell ein und damit ich es ihr gleichtun konnte, ging ich in die Küche und rauchte mir einen.

Während ich da saß und den Joint, der mein ganzes Universum zu sein schien, anstarrte, ging die Sonne auf. Die Sonnenstrahlen kitzelten meine Haut, während ich über mein verfluchtes Leben nachdachte.

Fang endlich an zu Leben Taylor!, fuhr es mir durch den Kopf.

Aber ich fragte mich wie, wenn ich nicht mal wusste, was ich wollte und wenn ich jeden Tag damit verbrachte dagegen anzukämpfen, keinen Joint zu rauchen. Denn ich wusste, dass ich das eigentlich nicht mehr tun sollte. Viel zu viele Panikattacken hatte ich die letzten Tage wieder über mich ergehen lassen, die ich entweder mit Gras überdeckt hatte oder Alkohol. Und Koks hatte ich in letzter Zeit auch viel zu viel zu mir genommen. Wann hatte ich eigentlich das letzte Mal gemalt? Das war eine Ewigkeit her. Scheiße!

Jedes Mal wenn ich mir vornahm, etwas an meinem Leben zu ändern, es besser zu machen, passierte etwas, dass mich zurückwarf. Wie die Sache mit meiner Mom, verflucht noch mal - so wollte ich nicht enden! Abhängig von etwas, das man nicht kontrollieren konnte. Eine Sache, die dich kontrollierte. Die deinen Tag bestimmte. Die dein ganzes Sein bestimmte. Ich wollte das nicht!

Also fasste ich einen Entschluss. Ich zog an meinem Joint und inhalierte tief, so tief, dass ich für einen kurzen Moment die Luft anhielt. Das vertraute Gefühl welches mich so kontrollierte, ein letztes Mal genießen. Viel zu spät entließ ich den Rauch aus meinen Lungen, so wie ich es oft tat. Dann drückte ich den restlichen Joint in dem Aschenbecher aus und ging zu der Küchenschublade um dieses verdammte Anti Craving Band rauszuholen. Roxy hatte es darein getan und gemeint: »Wenn du irgendwann das Bedürfnis danach hast, es wieder anzulegen, weißt du, wo du es findest.«

Auch wenn ich nicht das Bedürfnis danach hatte, legte ich es mir um mein Handgelenk und ließ es einmal schnalzen. Ich würde Kämpfen. Ein letztes Mal, würde ich versuchen aus dem Sumpf, in dem ich feststeckte herauszukommen. 


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Last Fight - Look into my Soul (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt