Kapitel 56

518 17 4
                                    

Sanft hoben mich zwei Hände hoch. Mein Kopf lehnte gegen eine harte Brust, welcher sich regelmäßig hob und senkte.

Müde öffnete ich meine Augen einen Spalt.
„Sch, schlaf weiter mein Sonnenschein", hörte ich Sam's ruhige Stimme. Ich brummte nur einmal, als Antwort und schloss meine Augen wieder.

Doch lange konnte ich nicht in seinen Armen bleiben.
„Lass mich runter, Sam", bat ich ihn. Er befolgte meine Bitte und ließ mich vorsichtig runter.

„Danke", murmelte ich leise.
„Wo gehen überhaupt hin?", fragte ich ihn und schaute leicht hoch zu ihm. „Wie gehen nochmal schnell in die Wohnung und müssen dort alle Spuren beseitigen. Danach werden wir nach Amerika geflogen, wo wir unseren Auftrag erledigen müssen", erklärte er mir.
„Wo genau?", fragte ich.
„In D.C.", antwortete Sam.

Ein mulmiges Gefühl stieg in mir auf. Ich wurde nervös.
„Hey! Pass auf, Auto", Sam zog mich grob zurück. Ich blinzelte ein paar Mal verwirrt und drehte mich dann fragend zu ihn.

„Pass auf wo du hinläufst, am Ende wirst du noch überfahren", sagte Sam streng.
„Vielleicht will ich genau das", sagte ich leicht lächelnd.
„Du spinnst doch", sagte er leicht lachend.Ich ging nur schulterzuckend über die Straße. 

Wir gingen ein paar Straßen weiter, bis wir an einen Mehrfamilienhaus stoppten und reingingen. Unsere Wohnung war im obersten Stockwerk und leider gab es keinen Aufzug, weswegen wir hochlaufen mussten.

Oben angekommen, schloss Sam die Tür auf. Er trat zuerst ein, ich folgte ihm und schloss die Tür leise hinter mir.

„Ich geh nur schnell aufs Klo, dann können wir anfangen alles sauber zu machen", sagte Sam. Er schmiss seine Waffe achtlos auf den Esstisch.
„Spinnst du? Die Waffe hätte losgehen können", sagte ich aufgebracht.
„Vielleicht wollte ich das", sagte er und drehte sich grinsend zu mich um.

„Du spinnst", sagte ich kopfschüttelnd. Er zuckte nur mit den Schultern und schloss die Tür hinter sich.

Ich setzte mich auf einen Stuhl. Vorsichtig strich ich über die Waffe. Über ihre Muster. Es wäre nur eine Bewegung und schon wären meine ganzen Sorgen weg. Eine Bewegung. Ein Schuss.
Ich konnte einfach nicht mehr ohne ihn Leben.

Ich nahm sie vorsichtig in meine rechte Hand. Drehte sie nochmal in meiner Hand. Sie war leicht. Es war verlockend. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Gleich würde alles vorbei sein.

Ich hob die Waffe. Auf drei.
„Eins", flüsterte ich leise.
„Zwei", ich entriegelte die Waffe.
„Drei", gerade wollte ich abdrücken, als die Badezimmertür aufgerissen wurde. Sam kam pfeifend hinein, als er mich jedoch sah hörte er schlagartig auf und schaute mich geschockt an.

„Sag mal spinnst du?", fragte Sam mich sauer und entsetzt. Mit schnellen Schritten kam er auf mich zu und riss mir die Waffe aus der Hand. Ich hob langsam meinen Blick. Für ein paar Sekunden schaute ich ihm tief in die Augen. Tränen rollten meine Wange runter.

Man sah förmlich, wie es Sam zu schaffen machte, mich traurig zu sehen.
„Komm her", flüsterte er dann schließlich und nahm mich in den Arm. Er strich mir beruhigend über den Rücken.
„Ich kann ihn einfach nicht vergessen, ich liebe ihn zu sehr", schluchzte ich in Sam's Schulter.

„Ich weiß, ich weiß", murmelte Sam leise. Ich krallte mich an seinen Anzug fest.
„Ich will ihn nicht vergessen. Ich will ihn nicht aus meinen Gedanken verbannen. Nicht aus meinem Leben", schluchzte ich weiter.

Er sagte nichts sondern strich mir einfach beruhigend über den Rücken. Er löste sich von mir. „Hör mir zu", er schaute mir tief in die Augen und wischte mir meine Tränen weg.

„Wir werden nach D.C. gehen, für ein paar Wochen und kommen dann wieder. Du wirst wieder in München wohnen, wirst ein Job kriegen und wirst Mario wieder sehen. Und dann werdet ihr euch wieder verlieben und dann endlich heiraten, kapiert?", ich nickte nur stumm.

Er gab mir ein Kuss auf meine Stirn.
„Dann lass uns aufräumen und dann können wir los", sagte Sam und stand auf.
„Ok", flüsterte ich leise und stand ebenfalls auf. Ich holte den Staubsauger aus den Schrank und fing an die ganze Wohnung zu sagen. Während Sam jede Kleinigkeit aufhob und wegschmiss. Danach versuchen Sam und ich alle Fingerabdrücke wegzuwischen.

„Ich glaub wir haben alles", sagte ich und ließ meinen Blick nochmal durch die Wohnung schweifen.
„Glaub ich auch", stimmte mir Sam zu.

Zusammen gingen wir raus, denn vor dem Haus stand ein schwarzer BMW für uns bereit. Wir stiegen ein und der Fahrer fuhr los.

Nervös spielte ich mit einer Haarsträhne. Draußen zog die verregnete und düste Landschaft an uns vorbei. Alles sah traurig und trostlos aus. Ob Mario wohl auch an mich dachte? Ob er wohl auch trauert. Ob er mich vermisst?
Ich weiß es nicht und werde es nie wissen.

„Du wolltest kalt sein? Dann musst du ihn vergessen", riss Sam mich aus den Gedanken und griff das Thema, welches wie schon einmal hatten, auf. Ich starrte ihn nur ein paar Sekunden ungläubig an, wand meinen Blick aber dann wieder nach draußen.

„Wir sind da", meldete sich der Fahrer zu Wort. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stieg ich aus und streckte mich, als ich draußen an der kühlen Abendluft stand.

„Da drüben ist unser Flugzeug", wies Sam mich hin und zeigte auf ein Flugzeug, welches ein paar Meter von uns entfernt stand. Mit großen Schritten gingen wir auf das Flugzeug zu.

„Wir fliegen gleich los, kommst du jetzt gleich rein oder bleibst du noch kurz draußen?", fragte Sam mich. „Ich bleib noch kurz, komme gleich nach", beantwortete ich seine Frage. Er nickte nur und bestieg die wenigen Treppen und schon war im Flugzeug.

Ich blieb noch einige Minuten, wie angewurzelt stehen. Genoss die kühle Luft. Den Geruch. Die Atmosphäre. Die Nähe und die Ferne. Wie sehr ich ihn doch vermissen werde. Doch ich muss kalt sein. Eiskalt.

„Kommen Sie bitte rein, Miss", rief mir der Kapitän zu. Ich nickte nur und ging auf das Geländer zu. Meine Hand umfasste das kalte Geländer. Stufe um Stufe schleppte ich meinen Körper hoch.

Oben angekommen, ließ ich das Geländer los und drehte mich um. Ich schloss die Augen und atmete ein letztes Mal die kühle Luft ein. Ich werde ihm nie wieder so nah sein. Tausende Kilometer werden uns trennen.

Ich werde ein neues Leben beginnen, ohne Mario. Ohne seine Liebe. Er wird ein neues Leben beginnen, ohne mich. Ohne meine Liebe.

Ich drehte mich wieder zur Tür. Ich setzte meinen Fuß ins Flugzeug.

Mein neues Leben hat begonnen.

Liebe, Lebe und denke nicht an morgenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt