Ich jagte durch die immer dunkler werdenden Straßen und achtete weder auf Geschwindigkeitsbegrenzungen noch auf Blitzer oder Polizisten. Es war mir völlig egal, ob ich heute meinen Führerschein verlor oder nicht. Es zählte nur, dass ich endlich zu Hause ankam. Ich musste schauen, wie es meiner Familie ging. Hatte ich sie mit dieser dämlichen Aktion einfach feige aus Berlin zu verschwinden in Gefahr gebracht? Wann nahmen diese Schreckensnachrichten endlich ein Ende? War ich denn nicht schon gestraft genug? Ich hätte meinen Frust am liebsten laut in die Welt hinausgebrüllt. Mein Herz hämmerte heftig gegen meine Brust und verursachte ein unruhiges Kribbeln in mir. Hass begann in mir aufzukeimen. Hass auf mich und mein kindisches Verhalten einfach davonlaufen zu müssen. Das hatte ich nun davon. Ich hätte mir ja denken können, dass das eine bescheuerte Idee gewesen war. Ach verdammt!
In Selbstzweifel versunken bemerkte ich zuerst gar nicht, wie ich in die Straße meiner Eltern einbog. Erst als ich vor dem kleinen Einfamilienhaus stand, das mir freundlich Licht aus den Fenstern entgegenstrahlte, stoppte ich abrupt das Auto am Gehwegrand, ohne mir überhaupt die Mühe zu machen richtig zu parken. Ich stieß die Türe meines Wagens auf, stürzte aus dem Auto, rannte auf die Eingangstür zu und klingelte Sturm. Immer wieder warf ich einen Blick durch das Fenster ins Innere, konnte aber nichts erkennen. Weit und breit war kein Lebenszeichen auszumachen, außer das Flackern des Lichts. Innerlich flehte ich:
"Mach auf! Mach bitte auf!"
Was sollte ich nur tun, wenn niemand da war? Wo sollte ich weiter suchen? Zu wem sollte ich gehen? Sollte ich die Polizei informieren? Aber was hätte ich denen schon erzählen können. Dass ich ein verfolgter Dreamer war, der von einem Geheimbund bedroht wurde? Ganz toll! Da hätte ich mich auch gleich selbst in das Dreamerforschungszentrum einliefern können. Nein, das ging nicht. Der Polizei konnte ich genauso wenig trauen, wie allen anderen auch. Ich war auf mich allein gestellt. Ich war wirklich vollkommen allein mit meinen Problemen. Diese Erkenntnis überrumpelte mich ganz plötzlich und verursachte mir Bauchschmerzen. Ich war allein... ich war allein... ich war ganz allein.
Unruhig trat ich von einem Fuß auf den anderen und knirschte angespannt mit den Zähnen. Waren sie nicht da? Warum brannte dann aber Licht im Inneren? Ungeduldig klingelte ich noch einmal. Bewegte sich da drinnen etwas? Kam da jemand? Hatte ich mich getäuscht? Wer war das?
Ein Schatten bewegte sich hinter der Tür und langsam öffnete sich diese. Ich wäre vor Erleichterung beinahe ohnmächtig umgefallen, als ich meinen Vater erblickte, der mich mit seinen gutmütigen Augen etwas überrascht anfunkelte. Seine vertrauten Gesichtszüge ließen mich ganz schwach werden und ich hätte am liebsten hysterisch aufgelacht.
"Emely? Was machst du denn hier? Wir haben noch nicht mit dir gerechnet."
Ich brachte keinen einzigen Ton mehr hervor. Ich fiel meinem Vater einfach nur dankbar um den Hals und umarmte ihn stürmisch. Er war am Leben! Es ging ihm gut! Oh mein Gott! Was hätte ich nur ohne ihn getan? Tränen der Erleichterung schlichen sich in meine Augenwinkel, die ich unbemerkt wegwischte. Mein Vater erwiderte die Umarmung und strich mir beruhigend über den Rücken. Es tat so gut bei ihm zu sein und seine ruhige Ausstrahlung zu spüren. Ich hatte schon gedacht dies nie wieder tun zu können. Also war ich doch noch rechtzeitig gekommen. Oder es hatte nie eine Bedrohung durch einen Geheimbund gegeben. Wer wusste das schon so genau. Schließlich war es Finn, der mir diese Nachricht überbracht hatte. Dem war alles zuzutrauen.
"Es tut mir so leid... ich wollte euch nicht verlassen... i... i... ich liebe euch. Ihr seid meine Eltern. Nur ihr... ich wollte nicht...", schluchzte ich an der starken Schulter meines Vaters und fühlte mich, als sei ich wieder sieben Jahre alt und fürchtete mich davor, dass die Monster in meinem Zimmer unter meinem Bett hervorkrochen, um mich zu holen. Auch damals war er immer für mich da gewesen, um mich zu trösten und mir die Angst zu nehmen, indem er in jede Ecke meines Zimmers gekrochen war, um nachzusehen, ob sich dort irgendwo ein Ungeheuer versteckt hatte. Er war einfach der beste Vater, den man sich vorstellen konnte. Ich war so glücklich ihn zu haben.
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I'm a Dreamer - Erkenntnis
Science FictionJeder kennt sie, jeder beneidet sie, jeder hasst sie. Die Dreamer. Menschen, die aussehen wie du und ich und es doch nicht sind. Menschen, die die Gabe haben, sich in deine Träume zu schleichen und dich dort zu verletzten, wo du es am wenigsten erwa...