Ich stürzte ins Innere des Gebäudes und rannte blindlinks drauflos, sobald Leon mich nicht mehr sehen konnte. Die Vorwürfe, die Zurückweisung und mein eigener Schmerz vereinten sich zu einem gewaltigen Hurrikan, der in mir tobte und alles mit sich riss, was sich ihm in den Weg stellte. Gnadenlos und ohne Rücksicht.
Ich hatte es wirklich vermasselt. Nun war es also offiziell. Und damit meinte ich nicht nur, dass ich etwas ein klein wenig falsch gemacht hatte. Nein. Ich hatte in meinem Leben wirklich absolut alles versaut, was es nur zu versauen gab. Schlechter hätte ich es wirklich nicht mehr hinbekommen können. Das musste man erst einmal schaffen. Ich hätte ins Guinness Buch der Rekorde kommen sollen mit dem Titel "Beschissenstes Leben ever". Das hätte zu mir gepasst. Ja, diese Auszeichnung hätte ich verdient.
Ich rannte und rannte und rannte. Zwar hatte ich keine Ahnung wohin, aber das störte mich auch relativ wenig. Wo hätte ich denn auch hin sollen? Nach Hause, in eine Wohnung, in der ich jederzeit hätte umgebracht werden können? Zu Leons Eltern, die mich mit ihrem Mitleid überschüttet hätten? Zu Aline, die keine Ahnung hatte, was wirklich los war? Zu meiner Familie, die zwar wusste, dass ich ein Dreamer war, doch keinen blassen Schimmer davon, dass ich die Person aus der Legende war, die immer in den Nachrichten kam? Nein. Ganz bestimmt nicht. Also rannte ich lieber hier wie ein geisteskrankes Huhn durch die Gänge und versuchte nicht weiter darüber nachzudenken, was ich heute schon wieder alles angerichtet hatte. Ich schien den Satz: "Jeden Tag eine gute Tat." wohl umgedichtet zu haben in: "Jeden Tag eine neue Katastrophe." Und die Katastrophe trug meinen Namen.
Langsam konnte ich wirklich eine Liste anfangen, mit den Dingen, die ich verbockt hatte:
- Zu viel getrunken, um sich vor der Wahrheit zu verstecken ✔
- Studium hingeschmissen ✔
- Meine Familie, Leon und Aline im Stich gelassen ✔
- Versucht vor Problemen wegzurennen ✔
- Einem Psychopathen vertraut ✔
- Schuld an dem Tod meiner Oma ✔
- Grund für das Fortbestehen der Verbrechen an den Dreamern ✔
- Schlechte Freundin ✔
- Verurteilt besten Freund zum Tode ✔
- Versaue den Rest Freundschaft, indem ich diesen auch noch frage, ob er eine Beziehung will und das obwohl ich die Antwort schon kenne ✔Wow! Das war ja wirklich eine beeindruckende Ansammlung von scheiß Entscheidungen, die ich da getroffen hatte. Aller Achtung! Wahrscheinlich war die Welt sowieso besser ohne mich dran und deshalb starb ich am Ende dieser bescheuerten Legende. Vielleicht war es eine Art Ausgleich für die Dinge, die ich falsch gemacht hatte und ich musste so dafür büßen. Schlechtes Karma oder so. Ach, warum zerbrach ich mir überhaupt den Kopf darüber? Es änderte doch absolut gar nichts. Gar nichts!!! Es war bereits zu spät dafür. Das hätte ich mir vorher überlegen sollen.
Auf einmal schlug meine Verzweiflung in Wut um. Wut auf dieses beschissene Leben, das ich nie gewollt hatte. Wut auf diese dämlichen Leute, die mich in diese Situation gebracht hatten. Wut auf mich selbst, weil ich das alles einfach so mit mir machen ließ. Es brodelte regelrecht in mir. Ich hasste es! Ich hasste sie! Aber vor allem hasste ich MICH!!!
Ich war so erbärmlich. Absolut verachtenswert. Aber das hatte ich ja bereits früher oft festgestellt. Meine Klassenkameraden hatten also in der fünften Klasse bereits Recht gehabt. Ich war ein Loser. Eine Versagerin. Eine Lachnummer. Ein Nichts. Eine Katastrophe. Ohne mich wären alle besser dran gewesen. Ohne Ausnahme. Ich hasste mein ganzes Ich, verabscheute das, was ich getan hatte und fürchtete mich vor dem, was noch alles auf mich zukommen würde, ein elendiger Angsthase wie immer. Dort drinnen, im Kristallsaal, hatte sich alles noch so richtig und gut angefühlt. Sie hatten mich eiskalt überrumpelt und an mein Mitgefühl appelliert, das sowieso für alles und jeden ein offenes Ohr hatte und an Übergewicht litt. Wie hätte ich es auch sonst hinbekommen sollen Leon sein schlechtes Benehmen immer wieder von Neuem zu verzeihen? Gut, das war jetzt vielleicht nicht das beste Beispiel, schließlich war ich in ihn verknallt, aber wer würde sich sonst soetwas dämliches antun? Das war so krank! Ich war so krank. Oder kaputt. Oder gestört. Oder verrückt. Oder wie auch immer. Eigentlich gab es keine Worte, die beschrieben, was ich war. Schon erbärmlich. Ich war eine unbeschreibliche Versagerin, die sich darauf verstand alles zu zerstören, was sie anfing. Jap, das beschrieb es ziemlich gut.
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I'm a Dreamer - Erkenntnis
Fiksi IlmiahJeder kennt sie, jeder beneidet sie, jeder hasst sie. Die Dreamer. Menschen, die aussehen wie du und ich und es doch nicht sind. Menschen, die die Gabe haben, sich in deine Träume zu schleichen und dich dort zu verletzten, wo du es am wenigsten erwa...