Kapitel 2 ~ Langweilig, langweiliger, Frau Bauer (2) ✔

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Ein heftiges Rütteln an meiner Schulter ließ mich erschrocken zusammenzucken, sodass mein Kopf von meinem Arm rutschte und mit voller Wucht auf die Tischplatte knallte.

,,Aua!"

Mit schmerzerfülltem Gesicht richtete ich mich auf, rieb mir über die Stirn und sah mich verwirrt um. Mein Kopf dankte es mir mit einem heftigen Ziehen.

,,Was? Wie? Wo?"

,,Schluss für heute", trällerte da die gute Laune in Person neben mir, die ich am liebsten mit meinem lädierten Block erschlagen hätte.

,,Geht das nicht auch ein bisschen einfühlsamer?", fuhr ich Aline an, die daraufhin unschuldig mit den Augen klimperte.

,,Nö", erwiderte diese nur knapp und schulterte ungerührt ihre Tasche, ,,aber wegen dir übernachte ich hier irgendwann noch."

,,Doofkopf!", brummte ich mürrisch zurück und begann gemächlich meine Sachen zusammenzupacken. Schlechte Laune und Kopfschmerzen kurz vor dem Wochenende. Eine ganz tolle Kombination. Sollte wirklich verboten werden.

,,Kein Grund gleich ausfallend zu werden. Aber jetzt lass uns schnell von hier verschwinden. Ich habe nicht das Bedürfnis, noch mehr Zeit in diesem Gebäude zu verbringen. Mein Pensum für diese Woche ist eindeutig erreicht. Ich warte draußen auf dich."

Ich erwiderte nichts mehr darauf, sondern packte einfach stumm meinen Rucksack weiter. Es hatte sowieso keinen Sinn, sich mit Aline zu streiten. Sie konnte so stur sein wie ein Esel, der gerade festgestellt hatte, dass er heute sein hart verdientes Futter nicht bekam. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man ihr das nur schwer wieder ausreden.

Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie Leon und Jessica den Vorlesungssaal verließen. Mein bester Freund legte dabei demonstrativ seinen Arm um ihre Hüften und zog sie enger an sich, was diese verträumt vor sich hingrinsen ließ. Sie erinnerte mich dabei an einen Dackel auf Crack. Gott war ich froh, wenn ich mich endlich alleine in meinen eigenen vier Wände verkriechen und es mir dort mit einer Jogginghose und meinem Date für den heutigen Abend, meiner Fertigpizza, vor dem Fernseher bequem machen konnte. Das hatte ich heute wirklich bitter nötig. Und vielleicht - wenn ich gut drauf war - ging ich der Fertigpizza dann ja sogar noch fremd und vernaschte ein Eis als Nachspeise.

Eigentlich hatte mein Plan für diesen Freitag gestern noch ganz anders ausgesehen. Ich hatte den guten Vorsatz gehegt, mich endlich aufzuraffen und an meine schon lange ausstehende Hausarbeit in Soziologie zu setzen. Doch das konnte ich mir hiermit wohl nun offiziell abschminken.

,,Super gemacht, Eliana! Dein Planungstalent hat wieder zugeschlagen... dich... mitten ins Gesicht... mit einem Vorschlaghammer."

Ich hatte bereits jetzt genug von dieser nervenaufreibenden Woche, die einfach kein Ende zu nehmen schien. Etwas Erholung brauchte ich da eindeutig dringender, als mich nun auch noch mit dem Humankapital oder sonstigem Schwachsinn auseinanderzusetzen, was einem im echten Leben sowieso niemals weiterhelfen würde. Oder hatte schon einmal irgendjemand gelesen, dass irgendwo in einer Zeitung geschrieben stand: ,,Mann ist aufgrund seiner Unwissenheit über die Theorien von Bourdieu ums Leben gekommen" oder ,,Frau rettet mit der Gerechtigkeitstheorie von John Rawls einer älteren Dame das Leben"? Nein? Also, da hatten wir den Beweis. Diesen Mist, den ich hier lernte, brauchte ich in meinem Leben später garantiert nie wieder.

Und auch morgen sah es bei mir da ganz ähnlich aus. Auch an diesem Tag würde ich mich wohl eher nicht an meine Hausarbeit setzten, da ich eine "Party" vorzubereiten hatte und am Abend all meine Freunde zu mir eingeladen waren, um zusammen mit mir in meinen Geburtstag hineinfeiern zu können. Auch, wenn die Bezeichnung ,,meine Freunde" gerade einmal zehn Leute beinhaltete. Aber das genügte mir schon bei weitem. Mit mehr wäre ich höchst wahrscheinlich auch einfach heillos überfordert gewesen.

I'm a Dreamer - ErkenntnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt