Meine Welt verging im Nichts. Sie war düster und schwarz und gefährlich am Wanken. Sie bestand aus einer Dunkelheit, die man nicht in Worte fassen konnte. Die Finsternis hatte von mir Besitz ergriffen und war nun ein Teil von mir geworden. Ich sah sie um mich herumwabern und mit ihren kalten Fingern nach mir greifen. Mein Herz gefror zu Eis und mein Atem bildete weiße Wölkchen, die so fehl an diesem finsteren Ort erschienen. Ich war wie erstarrt und konnte mich nicht regen. Mein Körper war taub und es fühlte sich an, als sei er kein Teil mehr von mir und längst abgestorben. Aber irgendwie gefiel mir das. Es war richtig so. Ich wollte nichts mehr spüren. Ich konnte nichts mehr fühlen. Ich durfte nichts mehr empfinden, wenn ich mich nicht völlig verlieren wollte. Ich musste an dieser Kälte festhalten. Ich brauchte sie.
Wie viel Zeit verstrich konnte ich nicht so genau sagen. Zeit spielte keine Rolle mehr für mich. Ich dümpelte einfach in diesem schwerelosen Nichts umher und vegetierte vor mich hin. Aber das war ok so. Warum auch nicht? Was hätte ich hier auch sonst tun sollen? Ich konnte mich nicht von der Stelle bewegen und falls ich es doch konnte, bemerkte ich nichts davon. Doch es beruhigte mich auch irgendwie. Diese Leere gab mir eine gewisse Sicherheit, an die ich mich verzweifelt klammerte. Sie war ein fester Bestandteil von mir und etwas, das mich zusammen hielt. Ich brauchte sie, wie die Luft zum Atmen.
Irgendwann begann es plötzlich zu regnen. Warme Tropfen fielen auf mich herab, benetzen meine Haut und durchnässten mich von Kopf bis Fuß. Also war mein Körper doch noch nicht abgestorben. Ich lebte noch immer. Irgendwie schade. Mir gefiel der Gedanke nicht wirklich. Viel schöner hätte ich es gefunden, wenn das hier mein Ende und ich für immer im dieser Leere gefangen gewesen wäre. Nun kam jedoch alles allmählich wieder zurück und Bilder schlichen sich in die Schwärze. Bilder von eingestürzten Häusern, brennenden Autos, panisch umherrennenden Menschen und bebender Erde. In meinen Ohren war das Quietschen von Metall zu hören und das wilde Kreischen von menschlichen Stimmen, die Todesangst litten. Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten, doch es wollte mir beim besten Willen nicht gelingen. Ich spürte Panik in mir hochkommen und warf mich unruhig hin und her. Aufhören! Ich wollte, dass es endlich aufhörte. Ich wollte nichts mehr sehen. Es war genug. Ich ertrug es nicht mehr. Ich drehte noch durch. Ich verlor den Verstand. Das war nicht mehr ich. Ich wollte das nicht mehr. Ich konnte das nicht mehr.
Als ich schon dachte ich würde gleich endgültig zusammenbrechen, erhellte plötzlich ein greller Lichtblitz die Umgebung. Ein lautes Krachen, gefolgt von einem hässlichen Lachen, ertönte und ich sah mit einem mal ganz deutlich, wo ich mich gerade befand. Ich stand wieder auf dem Berg aus meinem Traum, von wo aus ich den Untergang der Welt beobachtet hatte. Doch nun hatte sich etwas gewaltig verändert. Das warme Wasser, das ich für Regen gehalten hatte, färbte mich und die grausige Kulisse hellrot. Ich stieß ein ersticktes Röcheln aus und schnappte panisch nach Luft. Es war Blut! Die Flüssigkeit auf mir war Blut! Überall tropfte es in Bächen an mir hinab, weichte den Boden auf und machte ihn matschig. Ich bekam keine Luft mehr. Meine Lungen protestierten heftig, doch es kam kein Fünkchen Sauerstoff mehr hinein. Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete ich die grausame Szene und sah zu, wie die Welt um mich herum mehr und mehr im Blut versank. Und ich versank mit ihr, stiller Zeuge dieses widerwärtigen Spektakels.
"Schau es dir genau an. Das ist alles deine Schuld. Dein Werk", flüsterte die leise, gehässige Stimme von damals erneut in meinem Kopf, "wegen dir werden sie alle sterben. Schau nur zu. Du wirst die Letzte sein, die von dieser Welt geht, also genieße das Schauspiel so lange du es noch kannst."
Und schon wieder sah ich ein neues Bild vor mir. Das Bild von meiner Oma, wie sie leblos und mit zerzausten Haaren in ihrem Bett lag und mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen an die Decke ihres Himmelbettes starrte. Mit diesem leeren, gebrochenen Blick, der meine Welt erneut zu Eis gefrieren ließ. Doch bevor ich wieder in die Finsternis gerissen wurde, hörte ich noch ein letztes Mal die höhnische, grausame Stimme in meinem Kopf zischen:
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I'm a Dreamer - Erkenntnis
Science FictionJeder kennt sie, jeder beneidet sie, jeder hasst sie. Die Dreamer. Menschen, die aussehen wie du und ich und es doch nicht sind. Menschen, die die Gabe haben, sich in deine Träume zu schleichen und dich dort zu verletzten, wo du es am wenigsten erwa...