Den Kopf in die Hände gestützt saß ich an dem winzigen Esstisch in der Küche von Finn und starrte auf die mittlerweile kalte Tomatensuppe hinunter. Das rote Zeug erinnerte mich irgendwie an Blut und machte, dass es mich schüttelte. Nein, das konnte ich eindeutig nicht essen, egal wie lecker es auch schmecken mochte. Angewidert schob ich den vollen Teller von mir und lehnte mich zurück. Nun war es also schon acht Tage her, seit ich entführt worden war. Eigentlich wäre ich nur zu gerne aus dieser winzigen Wohnung hier geflohen und hätte meinen Eltern Bescheid gegeben, dass es mir gut ging. Jedoch war mir das von meinem unerwarteten Helfer in der Not strengstens untersagt worden. Schließlich wussten wir beide nicht, wer versucht hatte mich umzubringen. Und bis das geklärt war, durfte ich das Haus nicht mehr verlassen. Das war echt ätzend!
Mittlerweile glaubte ich Finns Geschichte sogar. Zumindest den Teil, dass er nichts mit dem Mord an meiner Oma zu tun gehabt hatte. Er hatte mir nämlich genaustens beschreiben können, welche Strecke ich mit dem Auto von Lemburg nach Hause gewählt und was sich daheim bei meinen Eltern alles so zugetragen hatte. Das war zwar etwas beängstigend, aber ok. Langsam gewöhnte ich mich an den Gedanken, dass ich absolut keine Privatsphäre mehr besaß. Trotzdem störte es mich nun hier an diesem Ort festzusitzen. Das war so verdammt langweilig! Ich hielt es bereits jetzt schon nicht mehr in diesen vier Wänden aus. Wie sollte es dann erst in den nächsten Tagen werden?
"Alles ok bei dir?", riss mich Finn da aus meinen Gedanken, der mit einer Zeitung in der Hand gegenüber von mir saß und konzentriert las. Er versuchte ständig irgendetwas Neues über den Mord und meine Entführung herauszufinden, aber bisher ohne nennenswerten Erfolg. Die Polizei tappte ebenfalls noch immer im Dunkeln und hatte keine Ahnung, wo ich mich befand oder wer hinter all dem hier stecken mochte. Um ehrlich zu sein begann ich langsam daran zu zweifeln, dass wir jemals etwas Brauchbares herausfinden würden, wenn das so weiter ging.
"Hm... wie man es nimmt", antwortete ich daher ausweichend und nahm das Buch zur Hand, das ich vorhin zu lesen angefangen hatte. Eigentlich hätte ich gerne mein Handy bei mir gehabt, um zumindest überprüfen zu können, wer mir alles geschrieben hatte und ob es den anderen gut ging. Aber das war mir von meinem Aufpasser ebenfalls strengstens verboten worden. Finn hatte mein Handy in ein sicheres Versteck, was angeblich irgendein Schließfach war, gebracht, da er befürchtete, dass der Entführer, die Polizei oder der Geheimbund es überwachen oder orten könnte. Er und seine Paranoia. Aber gerade war das wohl auch irgendwie angebracht, wie ich zugeben musste. Schließlich war ich entführt worden und anschließend beinahe gestorben.
"Also schlecht", stellte er nüchtern fest und faltete die Zeitung zusammen, was ich jedoch nur an dem Rascheln erkannte, das er dabei verursachte. Ich selbst versuchte Interesse an meinem Buch zu heucheln, was mir mehr schlecht, als recht gelang. In Wahrheit konnte ich mich auf überhaupt nichts konzentrieren. Es interessierte mich nicht, was ich da las.
"Ach komm! Es tut mir wirklich leid, was passiert ist. Ich würde dir gerne helfen, wenn ich könnte. Aber ich kann dir nicht mehr anbieten, als dass ich zu deinen Eltern gehe und sie in alles einweihe. Aber das willst du ja nicht", beklagte sich Finn bei mir. Ich schüttelte nur schwach den Kopf. Er hatte ja Recht. Eigentlich durfte ich mich nicht beschweren. Zumindest nicht bei ihm. Er tat wirklich alles, um mir diese ganze, beschissene Situation etwas zu erleichtern. Jedoch wollte ich einfach nicht, dass meine Familie noch mehr in die ganze Katastrophe verstrickt wurde, als sie es sowieso schon war. Wenn sie jetzt auch noch das mit mir und der Auserwähltensache erfuhren, dann würde alles endgültig zusammenbrechen. Davon war ich überzeugt. Finn meinte jedoch, dass sie das locker verkraften würden. Aber ich kannte meine Eltern ja wohl besser, als er. Außerdem befanden sie sich womöglich noch immer in Lebensgfahr und da konnte ich es nicht riskieren noch mehr Aufmerksamkeit auf sie zu lenken.
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I'm a Dreamer - Erkenntnis
Fiksi IlmiahJeder kennt sie, jeder beneidet sie, jeder hasst sie. Die Dreamer. Menschen, die aussehen wie du und ich und es doch nicht sind. Menschen, die die Gabe haben, sich in deine Träume zu schleichen und dich dort zu verletzten, wo du es am wenigsten erwa...