Kapitel 4 ~ Gute Laune, wo bist du nur? (2)

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Ein Klingeln an der Tür ließ mich aufspringen und hielt mich dadurch von meinen Bemühungen ab, irgendwie Crazys Halsband zu reparieren, mit dem sie bei ihrem letzten Aufenthalt in der Wildnis von Berlin City wohl irgendwo hängen geblieben sein musste. Der Verschluss hielt einfach nicht mehr richtig, egal was ich auch tat. Wie es aussah, musste ich also bald ein Neues kaufen. Tolle Aussichten! Dabei ging schon viel zu viel Geld für diese dämliche Party heute Abend drauf und ich war diesen Monat auch nicht gerade flüssig, da ich bereits einige Bücher für die Uni hatte besorgen müssen. Mist!

Hoffentlich lohnte sich das ganze Theater hier wenigstens und ich fand meine gute Laune wieder, die seit gestern Mittag schreiend reißaus genommen hatte, als ich sie mit einer Colaflasche bedroht und anschließend eiskalt abgespritzt hatte. Ob man dafür wohl vor Gericht kommen konnte? War ich nun eine Straftäterin? Würde ich eine Gefängnisstrafe von 72 Stunden absitzen müssen, bis ich meine gute Laune wieder zu mir holen durfte? Was, wenn sie am Ende gar nicht mehr zu mir wollte? Hm... dann würde ich sie eben mit Gewalt und einer Knarre am Kopf zurückholen müssen. Einmal ein Verbrecher, immer ein Verbrecher.

Ein erneutes, ungeduldiges Klingeln unterbrach meine tiefschürfenden Überlegungen um meinen miserablen Gemütszustand. Langsam aber sicher mutierte ich zu einer Philosophin. Vielleicht sollte ich mir allmählich tatsächlich Gedanken darüber machen, ob ich Journalismus studieren wollte oder doch lieber auf etwas anderes umstieg? Mein neues Talent eröffnete mir schließlich ganz neue Möglichkeiten.

Mit einem Seufzen drückte ich auf den Türöffner und trat ins Treppenhaus hinaus, bereits ahnend, was dort auf mich wartete. Nämlich ein Euphoriebündel, das seine Energie an mir auslassen wollte.

,,Hallo, Süße! Alles fit bei dir? Heute Abend ist dein großer Tag. Man wird nur einmal 21", rief sie mir von unten entgegen. Na, hatte ich es nicht gleich gesagt? Wie ich es gewusst hatte! Vielleicht war ich doch keine Philosophin, sondern Hellseherin?

,,Hi, Ali. Musst du so herumbrüllen? Es müssen nicht gleich alle meine Nachbarn wissen, dass ich morgen Geburtstag habe. Und vor allem ist deine Begründung totaler Schwachsinn. Man wird auch nur einmal 22 und 23 und 24 und 25 und...."

,,Schon gut, schon gut. Ich weiß ja, dass du zählen kannst. Ich saß in Mathe vier Jahre lang neben dir, schon vergessen? Zwar habe ich noch nie verstanden, wie man so einen sinnlosen Quatsch auch nur ansatzweise beherrschen kann, aber egal. Das tut jetzt nichts zur Sache", fiel mir meine beste Freundin ins Wort, "glaube ja nicht, dass wir deinen Geburtstag einfach so ins Wasser fallen lassen, wie letztes Jahr. Ne, ne. Wir werden heute Abend feiern, wie schon lange nicht mehr. Keine Widerrede."

Ein fröhliches Lachen schallte durch's Treppenhaus, dann war meine beste Freundin auch schon am obersten Treppenabsatz angelangt und zog mich in eine feste Umarmung.

,,Und was, wenn mir ganz plötzlich schlecht wird und ich Bauchschmerzen bekomme? Ihr wollt euch doch bestimmt nicht bei mir anstecken", unternahm ich einen letzten Versuch, Aline davon zu überzeugen, dass ich keine Party brauchte, während ich ihre Umarmung nur halbherzig erwiderte. Doch diese ließ sich natürlich nicht beirren:

,,Nichts da. Du bist nicht krank und wirst es auch nicht werden. Schnapp dir deinen Geldbeutel und dann ab nach Draußen. Jetzt wird erst einmal geshoppt. Warte nur ab. Du wirst mir noch dankbar sein, wenn die Party ein voller Erfolg wird und wir mächtig Spaß haben. Dieser Abend wird dein Leben verändern."

,,Dein Wort in Gottes Ohr", grummelte ich vor mich hin und leistete ihren Anweisungen etwas widerwillig Folge.

Wenn ich zu diesem Zeitpunkt des Tages bereits geahnt hätte, wie wahr ihre letzten Worte waren, ich hätte für die nächsten Stunden garantiert keinen Schritt mehr vor die Tür gesetzt, sondern mich einfach kurzerhand wieder unter meiner warmen Decke in meinem sicheren Bett verkrochen. Da ich davon jedoch leider noch nichts wusste, ging ich anstandslos mit zu dem Auto, das eigentlich Alines Eltern gehörte, nichts ahnend, was das noch für Konsequenzen für uns alle nach sich ziehen würde.

I'm a Dreamer - ErkenntnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt