Kapitel 12 - Zerbrochene Erinnerungen

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Kapitel 12 - Zerbrochene Erinnerungen

Das nächste was ich wahrnahm war helles sehr grelles Licht und eine warme angenehme Hitze.
Viel besser für meine kalten verkrampften Muskeln. Hände die mich festhielten und dann ein Schrei als ich die Augen öffnete.
Mein Schrei.
Um mich herum war überall Wasser. Ich zappelte und mein Kopf tauchte unter. Schnell rissen Arme mich wieder nach oben. Ich hustete, keuchte, würgte und hatte Angst. Ich strampelte heftig, spürte an meiner linken Seite einen heftigen Schmerz. Ich schrie aus voller Kehle und hörte nicht auf.
Ich wurde aus der wärme gerissen und in warme decken geschlungen.
Arme die sich um mich legten, eine Stimme an meinem Ohr die mich versuchte zu beruhigen.
Tränen die mein Gesicht benetzten.
Tränen der Hilflosigkeit, der Angst und der Verzweiflung.
"Ist schon gut, du hast es geschafft. Ich bin es Johnson. Du kannst die Augen öffnen. Ich hab dich, du bist in Sicherheit. Das hab ich dir doch versprochen."
Ich schluchzte und rollte mich zusammen.
Den Schmerz den diese Bewegung erzeugte ignorierte ich, keuchte jedoch trotzdem ungewollt auf. Was war passiert?
"Ist ja gut, deine Wunde geht auf und Blutet schon wieder. Entspann dich. Streck dich aus. Ich bin bei dir und gehe nicht fort."
Wo wollte er denn hin? Johnson? Erst jetzt realisierte ich, wer mich hier eigentlich festhielt.
"Du kannst deine Augen aufmachen, wenn du es schaffst, und dich selbst davon überzeugen, dass dir nichts passieren wird. Jetzt nicht mehr."
Erst jetzt bemerkte ich ebenfalls, dass ich meine Augen krampfhaft geschlossen hielt. Langsam öffnete ich das linke und dann vorsichtig beide Augen. Er hatte recht. Das Bad indem wir uns befanden war lediglich überschwemmt und eine riesige Badewanne prangte vor meiner Nase. Ich hatte mich ja noch nie vor Badewannen gefürchtet, doch diese hatte etwas an sich, was mich fürchten ließ. Sie wirkte bedrohlich, als ob sie mich verschlingen wollte, wie das Wasser darin.
"Alex kommt gleich und kümmert sich nochmal um deine Wunde und hilft mir dich ins Bett zu tragen. Normalerweise würde ich dich alleine dorthin befördern, aber ich will dir nicht weh tun." Er hüllte mich in mehr Handtüchern und decken ein. "Man hast du mir einen schrecken eingejagt. Gut das du jetzt wach bist. Ich hab mir wirklich Sorgen um dich gemacht. "Sorgen? Um mich? Er hörte nicht auf zu reden, aber es hatte etwas beruhigendes an sich auch wenn ich nicht wirklich alles verarbeiten konnte was er da sagte.
Das Zittern und das erneute Gefühl von Kälte konnte ich jedoch nicht zurückhalten.
"Wird dir wieder kalt? Willst du in die Wanne zurück?" Ich schüttelte heftig meinen Kopf. Stechender Schmerz breitete sich an der Stelle aus und ich hörte sofort auf. Mir wurde schwindelig. Die Handtücher und decken schienen rote Flecken zu bekommen. 
"Nein nicht schon wieder abdriften. Bleib bei mir. Ah verdammt, warum musst du auch immer so viel Bluten!"
Vertraute Dunkelheit umhüllte mich erneut.

"Ihre Wunde ist schon fast wieder verheilt. Sie dürfte bald wieder zu sich kommen. Zuerst wird sie wohl sehr viel Durst haben. Lass sie aber nicht gleich so viel trinken. Und Pass auf sie hat echt viel Blut verloren. Ich bin immer noch dafür sie in ein Krankenhaus zu bringen. Ich weiß noch nicht einmal ob sie durchkommen wird oder was das für Langzeitschäden haben wird! Ich bin keine ausgebildete Ärztin!"
Alex vertraute weibliche Stimme war das Erste was ich hörte. Ich blinzelte als wieder grelles Licht mich blendete. Schritte die sich entfernten. Alles wirkte so Zeitlos und abstrakt, als ob ich gar nicht hier wäre. Ich versuchte alles mögliche wahrzunehmen, was sich in meiner unmittelbaren Umgebung befand, um mich zu vergewissern, dass das hier auch alles echt war. Das heben und senken eines Brustkorbes an dem meiner anzulehnen schien, war zu bemerken. Regelmäßig und beruhigend, auf jeden Fall echt. Es war nicht mehr grell sondern dunkel. Eine erschreckendere Dunkelheit, viel mehr als die, die mich die letzten Stunden oder tage heimgesucht hatte. Zittern. 
Mein Zittern. Schon wieder. Ebenfalls echt.
"Lucy?" Licht das eingeschaltet wurde. Erleichtertes aufatmen.
Mein erleichtertes aufatmen.
"J-ja?" Meine stimme war rau leise und gebrochen. "Du bist wach. Möchtest du Wasser haben?"
"Wasser..." Ich öffnete meine Augen und schaute in Johnsons Gesicht.
"Ja Wasser zum trinken." Ein leichtes nicken, dann half er mir mich aufzusetzen, anschließend folgte ein ertragbarer Schmerz.
Johnson reichte mir ein Glas und als ich es nicht nahm hob er es sachte an meine Lippen.
Ich erschauerte als das Kühle Wasser in meinen Mund floss und meine trockene Kehle hinab wanderte.
"W...as ist pas..siert?" krächzte ich. Meine Stimme wollte nicht so wie ich und meine Kehle war so trocken und gereizt, dass alles schmerzte. Jedes Wort, jeder Schluck von dem Wasser. 
"Du wurdest angeschossen und bist in einen Fluss gefallen. Du warst sehr lange unter Wasser. Wir waren als Wölfe unterwegs. Vermutlich ein Jäger der sich beim Sturm verirrt hatte, wage ich aber zu bezweifeln. Ich konnte dich nicht gleich retten, weil ich mir nicht sicher war, ob der Schütze gleich auftauchen und mich bei der Verwandlung beobachten würde. Ich habe das Rudel zur Hilfe geholt, Mental, und sprang danach gleich, als Mensch, ins Wasser um dir zu helfen, aber ich befürchtete, dass ich zu lange schon gewartet hatte.-"
Er stockte und schaute mir in die Augen. In seinem Blick steckte so viel Sorge.
"Du wolltest erst nicht zu dir kommen und als du dann da warst...Bist du gleich wieder Ohnmächtig geworden. Das Wasser in dem du warst war verdammt kalt. Es hätte selbst bei mir fast eine Rückverwandlung in mein wahres ich ausgelöst und ich bin ein geübter Formwandler.
Dazu hast du eine Menge an Blut verloren. Alex konnte die Blutung noch rechtzeitig stoppen. Es war zum Glück lediglich ein Streifschuss gewesen aber so langsam wie du heilst womöglich eine Silberkugel."
"Wann war das?"
Er stockte wieder.
"Vor 3 Tagen. Zwischendurch bist du wieder zu Bewusstsein gekommen, als wir dich baden wollten um dich endlich irgendwie warm zu bekommen. Du warst so unterkühlt aber du hast dich so heftig gewehrt, dass wir es nicht nochmal versucht haben und bevor du dich fragst, das war auch vor 3 Tagen."
Mich hatte jemand angeschossen?! Kein Wunder, dass der vermeintliche Jäger mich im Auge hatte und nicht ihn. Man erschießt immer zuerst die hässlichen wild gewordenen Streuner und danach die eleganten "Rasse Hunde". So mussten wir zumindest auf ihn gewirkt haben und
somit wurde auf grausame Art bestätigt das ich auf den schützen wie ein wilder Hund gewirkt haben musste. Oder wenn Johnson recht hatte und er mit einer Silberkugel geschossen hat, sah ich wohl eher aus wie ein Werwolf als Johnson. 
In meinem Kopf formten sich die verrücktesten und unzurechnungsfähigsten Gedanken und Vermutungen.
"Wasser?" Krächzte ich erneut. "Mach langsam." Sagte er zwar sanft aber bestimmend. Er reichte es mir und noch bevor ich danach gierig und dankbar zugleich greifen konnte entzog er es mir. "Nur ein Schluck." Ich stimmte zu und griff erneut danach. Er hielt es jedoch fest und führte es wie zuvor auch an meinen Mund. Vorsichtig. Als ich einen großen Schluck nahm hob er es weg und stellte es zurück auf seinen Platz. "Hey!" Protestierte ich.
"Das reicht fürs erste. Ruh dich aus und Schlaf. Du brauchst deine Kräfte." Er zog mich an sich und legte meinen Kopf behutsam auf seine Brust. Erneut strömte diese Elektrizität zwischen uns und ich fühlte mich augenblicklich ein wenig besser. 
Was machte er da? Was sollte das? Warum tat er das? So viele Fragen schwirrten mir durch den Kopf, doch als er beruhigend seine Hand auf meinen Kopf legte schlief ich ein, bis meine Gedanken verstummten.

Wolfsblut (I) | WerwolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt