Kapitel 25 - Nicht noch einmal

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Kapitel 25 - Nicht noch einmal

Wir standen vor dem Massiven Gebäude. Um uns herum der tiefste Wald. Ich wagte nicht zu glauben, dass ich den weg jemals alleine wieder hätte zurückfinden können.

Drei Stufen trennten uns von der Eingangstür und dem was sich dahinter verbarg. Angewurzelt blieb ich vor dem Schloss stehen. Anders konnte man es nicht beschreiben. Es war definitiv keine kleine Hütte, wie Johnsons Unterschlupf. "Was jetzt?" fragte ich ihn. "Wir klingeln." meinte er einfach nur. Ich blieb stehen und biss mir nervös auf die Unterlippe. Was uns wohl erwarten würde? Bevor ich überhaupt reagieren konnte, klingelte Johnson bereits und kam zu mir zurück. Er stellte sich dicht neben mich. Angespannt halte ich den Atem an. Wie sein Bruder wohl reagieren würde, wenn er uns sah? Die Minuten verstrichen. Die Tür blieb vor uns verschlossen. Keinen Millimeter hatte  sie sich gerührt. Wie denn auch? Es schien keiner Anstalten zu machen sie auch zu öffnen. Enttäuscht drehte sich Johnson schon um und wollte gehen, als die Tür sich mit einem lauten Knarzen einen Spaltbreit öffnet. "Was willst du hier?" kam es feindselig von einer Stimme, die ich nur allzu gut kannte. Doch es war nicht Johnson der sprach. Sein Ebenbild tauchte hinter der Tür hervor. Er glich ihm wie ein Spiegel und ich schlug mir entsetzt die Hand vor den Mund. Nein.

Ich spürte dieses Gefühl von dem ich dachte es nie wieder zu fühlen. Bei keinem anderen mehr.

Phillip.

Sein Name tauchte in meinen Gedanken auf, obwohl ich ihn noch nie zuvor gehört hatte. Das konnte nicht sein! Entsetzt hielt ich mir den Kopf.

Nein.

Das durfte unter keinen Umständen stimmen oder wahr sein! Ein Blick in Phillips Augen, die um ein Hauch heller,  als die von Johnson waren bewiesen mir das Gegenteil. Er hatte es auch gehört. Niemals. Das musste ein Irrtum sein. Eine Einbildung in meinem Kopf...

"Lucy?" ist das erste was Phillip zu mir sagte. Es war nicht mehr zu leugnen. Und wenn es nicht mehr zu Leugnen war, wusste Johnson es auch. 

Dasselbe Schwarze Haar, dasselbe Gesicht nur seine Augen unterschieden sich kaum merklich von dem seines Bruders. Wie konnten zwei Personen die sich seit circa 10 Jahren nicht mehr gesehen haben, sogar die gleiche Gottverdammte Frisur tragen?! Die Natur musste einen Fehler gemacht haben. Johnson war mein Mate! Nicht dieses Spiegelbild von ihm! Wahrscheinlich ist es einfach nur die Aufregung. Das wird sich alles schon aufklären. Tief durchatmen. Das muss ein Irrtum, ein Fehler sein, weil sie sich so ähnlich sahen. Mein Wolf war bestimmt einfach nur verwirrt. Man hatte doch nur ein Mate? Oder hatte Johnson gelogen? Naja bei alldem was er mir sonst so noch nicht erzählt hatte - wer weiß?  "Ihr beide kennt euch?" Johnson steht ein sichtliches Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. Okay offensichtlich hatte er es doch noch nicht gecheckt. "Ihr Name ist Lucy Morgan und sie ist mein Mate aber das kann nicht sein, weil sie schon an dich gebunden ist. Was geht hier vor sich Bruder? Ist es ein Zauber? Was für eine Hexe schickst du mir da?!" "Man kann nur einen Mate haben!" Werfe ich ein. Klugscheißerisch und verzweifelt. Bereit alles zu leugnen und von mir zu schieben. Johnson sah enttäuscht, aber keineswegs überrascht aus. "Sie ist Lucy Morgan. Tochter des Schatten-Wolfs." "Die Legende... warum zum Teufel bringst du sie dann her? Bist du von allen guten Geistern verlassen?! Ich dachte Schatten-Wolfs Tochter war ein Mensch?" Was für eine Legende bitte? Hallo ich war auch Anwesend? Konnte mal jemand auch mit mir sprechen? "Könnte mich mal jemand bitte aufklären? Sorry, dir falsche Hoffnungen machen zu müssen, und keine Ahnung was du da schwafelst mit Legenden, aber ich habe schon mein Mate gefunden. Also bilde dir mal nicht zu viel ein Großmaul." fuhr ich ihn wütend an. "Bitte was?" richtete er seine Frage an mich. "Was Lucy damit ausdrücken möchte ist, dass sie zunehmend verwirrt ist. Nichtsdestotrotz gibt es einen Grund warum wir keine Wahl hatten, als dich aufzusuchen." Grimmig dennoch fasziniert schaute Phillip mich an. "Was genau ist denn dein dringendes Anliegen? Der Grund warum du unser Familienhauptsitz aufsuchst?" "Unser Cousin ist auf Rache aus." Phillips Augen wurden groß. Reumütig schaute er nach unten. "Kommt erstmal ins Haus." Dabei schaute er mich eindringlich und neugierig an. Er schaute so als ob er mich stumm fragen wollte, was genau ich alles wusste. Sein Blick blieb weiter auf mir Ruhen, auch nachdem er uns in sein Büro geführt hatte. Wieso starrte er mich so an? Hat er noch nie ein Mädchen gesehen? Dann wagte ich es ihn herausfordernd in die Augen zu schauen und bekam dieses spezielle Kribbeln. Beinahe dasselbe wie bei Johnson, nur ein Stückweit anders. Ich war nicht in der Lage zu beschreiben, inwiefern sich sich unterschieden, aber dennoch sich so gleich anfühlten. Ich war verwirrt. Ich glaube ich stand noch nie auf zwei Typen gleichzeitig. Und schon gar nicht, wenn sie im gleichen Raum standen. "Ist alles okay zwischen euch zwei?" Äußerte  sich Johnson dazu. Ich fragte mich, ob ich da eine Spur von Eifersucht riechen konnte. Natürlich konnte ich es ihm nicht verübeln. Ich glaube ich wäre da auch sicherlich eifersüchtig, wenn er plötzlich ein zweites Mate gefunden hätte. "Ja alles okay, mein lieber Bruder. Dann berichte mir doch bitte was Vorgefallen ist." Wieso sprach er denn so komisch? "Wie schon gesagt; Richard hat es auf sie abgesehen. Langsam wirkte er sogar, als sei er besessen von ihr. Wahrscheinlich, weil er denkt,  dass er mir damit am schlimmsten weh tun könnte. Er meinte zu mir, dass der Tod für mich zu gnädig sei." Johnson schnaubte. Phillip nickte nur ungerührt. "Fahr fort." forderte Phillip ihn auf. Stand dabei auf und lehnte sich an seinen Bürotisch. "Richard ließ nicht locker. Letzten Endes verfolgte er sie bis in ihre Träume. Wir müssen etwas dagegen tun." "Ich nehme an das Rudel ist nicht hier?"

Johnson schüttelte den Kopf. Würden sie nebeneinander stehen und das gleiche tragen wüsste ich nicht, ob ich sie unterscheiden könnte. Sie beide hatten sogar fast dieselben Angewohnheiten und Gestiken, waren aber doch im Grunde total verschieden. Zumindest war das mein erster Eindruck. 

„Nein, sie sind nicht mitgekommen."

„Und was verlangst du jetzt von mir?"

"Ich habe gehofft, dass wir hier eine Zeitlang bleiben könnten. Das wir Rücksprache mit unsren Eltern führen und über eine mögliche Konfusion der beiden Rudel-Parteien besprechen, nur vorübergehend. Für die Zeit bis wir Richard in die Schranken gewiesen haben. Danach können wir weitermachen, wie gehabt. Du musst verstehen: ich würde nicht kommen wäre es kein Notfall."

"Unsre Eltern...? Ich meine ... ich glaube nicht, dass sie es überhaupt in Erwägung ziehen werden, nicht nachdem ich... diese Theorie halte ich für sehr unwahrscheinlich." Er geriet zunehmend aus der Fassung. „Doch das müssen sie. Das Rudel ist zu klein, um alleine gegen Richard zu kämpfen, dass wissen sie und das weiß auch Richard. Du bist unsre letzte Hoffnung, außerdem war es doch ein Unfall. Das müssen sie endlich mal kapieren." Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie verzweifelt das ganze war. „Hier bleiben dürft ihr. Aber über die Zusammenarbeit muss ich noch nachdenken. Sie wissen das aber nicht, weil sie nicht dabei waren."

Wir schwiegen. Was ziemlich unangenehm wurde. Ich hätte jetzt wie gesagt, schon gerne mal gewusst was hier eigentlich abging. Aber irgendwie schien ich für jeden nur ein unbeteiligter Zuschauer zu sein. Ich fühlte mich wie bei Twitch oder Instagram, irgendein Live-Stream ohne Chat-Funktion. 

„Ich zeig euch das Gästezimmer." Er drehte sich zu einem Schrank mit Schlüsseln um und holte  zwei Schlüssel hervor. Damit verließen wir das Büro und folgten Phillip einen langen Flur entlang. Es sah ähnlich aus wie bei Johnson nur alles weitaus größer und moderner. Falls das überhaupt noch ging. Die Zimmer hatten ebenfalls Nummern oder Zahlen. Unsers war mit einem fetten G gekennzeichnet. "Ich denke Johnson, dass du dich in dem Haus immer noch zurecht finden wirst. Es hat sich nichts groß verändert außer vielleicht ein bisschen die Ausstattung." Phillip grinste. Die Tür öffnete sich und das erste was mir in den Blick fiel war das riesige Doppelbett. Johnson ignorierte es einfach.

Wieso gab er uns beiden ein Zimmer mit einem gemeinsamen Bett, wenn ich doch jetzt auch Phillips Mate war? Unterstützte er das, was auch immer ich da mit Johnson hatte etwa? 

„Danke."

sagte er, und zog mich in das Zimmer. Kurz darauf schloss Phillip die Tür.

Ich starrte Johnson an,  während er Stillschweigend den Rucksack in eine Ecke katapultierte und seine Schuhe auszog. Wie ich waren sie voller Dreck. Blätter und Äste haben sich in meinen Haaren verfangen. "Ich geh duschen." sagte ich. Teils um die Stille zu durchbrechen und teils damit ich einfach etwas zu tun hatte. Er nickte. "Ich schau ob noch frische Sachen vorhanden sind. Sollte ich nicht da sein, werde ich wahrscheinlich in der Gemeinschaftsdusche duschen." Auch ich nickte und zog mich in das Bad zurück. Ordentlich faltete ich meine Kleider zusammen für den Notfall,  sollte es keine sauberen Sachen mehr geben. Das Wasser stellte ich auf extra Warm ein und genoss es. Wusch meine Sorgen mit dem Dreck einfach weg. Meine Muskeln entspannten sich merklich. Mir war nicht bewusst wie lange ich dafür gebraucht hatte und wickelte mich fest in eines der Handtücher, die an einer Wand hingen. Es fühlte sich flauschig an. Der Spiegel über dem Waschbecken war angelaufen. Dafür war es in dem Raum nun schön warm. Ich fröstelte das erste mal seit langem, als ich die Tür aufzog und die frischen Sachen nahm und wieder im Bad verschwand. Die frische Kleidung lag da, wie versprochen, doch keine Spur von Johnson. Ich zog mich an, dabei stellte ich fest, dass es ausgerechnet ein Shirt von ihm war, welches er mir rausgelegt hatte. Anscheinend hatte er nichts mehr von mir gefunden. Es passte mir wie ein Nachthemd. Ich lief aus der Tür und trat an das Fenster. Es war schon dunkel draußen. Mit einem lauten quietschen zog ich die Vorhänge zurück und ließ mich erschöpft in mein Bett fallen.

Von dort aus stellte ich fest, dass ich perfekte Sicht auf den Vollmond hatte. Der tröstend mit seinem Schein mein Zimmer erhellte. Damit fühlte ich mich schon weniger alleine in meinem dunklen Zimmer und schlief beruhigt ein.


Wolfsblut (I) | WerwolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt