Kapitel 3

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Er spürte die Kälte die von dem Jungen ausging und er erschauderte. Nicht etwa weil er Angst vor ihm hatte, aber dieser Junge hatte irgendetwas an sich was ihn unruhig werden ließ. Was genau es war wusste er jedoch selber nicht ganz genau, war sich aber nicht sicher ob er es überhaupt wissen wollte.

*Ardys POV*

Ich wollte erneut schlucken doch meine Kehle war plötzlich ausgetrocknet. Diese blauen Augen hatten mich immer noch fixiert. Als die Lehrerin seinen Namen ausgesprochen hatte, hatte ich gespürt wie eine Welle der Unruhe durch die Klasse gezogen war. Irgendetwas hatte dieser Junge an sich, was dem Rest Angst machte. Oder wenigstens großen Respekt. Doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und ging schnurstracks auf ihn zu, ließ mich auf den leeren Platz neben ihn fallen und wagte einen kurzen Blick zur Seite.
Ein Schauer lief mir über mein Rückgrat, denn aus der Nähe sahen seine Augen noch bedrohlicher aus.
Doch da war noch etwas. Etwas, das ich nicht deuten konnte. Aber am ehesten könnte ich sagen, dass diese blauen Augen... leer... aussahen.
Plötzlich hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass er mich betrachtete. Als würde sein Blick geradewegs durch meine Seele hindurch streifen und eine unangenehme Kälte hinterlassen.

Schwer konnte ich mich von seinem Blick losreißen und versuchte zwanghaft nach vorne zu starren, wobei mir aus dem Augenwinkel zwei Gesichter auffielen. Dner und Izzi. Ich wandte ihnen den Kopf zu und bemerkte, wie sie mich mit großen, mitleidigen und gleichzeitig ängstlichen Augen betrachteten.

Warum fürchteten sie sich alle vor ihm?

Wieder wagte ich einen Seitenblick zu meinem Nachbarn und bemerkte erleichtert, dass er mich nicht mehr in Beobachtung hielt sondern teilnahmslos aus dem Fenster starrte, während er mehr auf seinem Stuhl lag als saß.
Ich betrachtete ihn vorsichtig. Ja, sein Style war beängstigender Weise wirklich fast der gleiche wie meiner, was mich eigentlich wunderte, da ich nicht dachte, dass viele Menschen freiwillig so rum liefen wie ich es tat. Mein Blick wanderte weiter, zu seinem - mir abgewandten - Gesicht. An den Seiten waren seine Haare noch dunkelbraun während seine blonde Hochhausfrisur durch das Licht fast strahlte.

Er sah gut aus.

Moment...

Was!?

Ich hatte doch nicht gerade ernsthaft-!? Oh man, jetzt verwirrte er mich schon komplett und das obwohl ich gerade mal eine Minute neben ihm saß! Wie sollte das ein ganzes Jahr lang gehen!?

Noch während ich mir diese Gedanken machte, vernahm ich plötzlich eine unglaublich tiefe Stimme die mich regelrecht zusammenzucken ließ.
„Was?" langsam drehte er mir sein Gesicht wieder zu. Mal abgesehen davon, dass seine Stimme unnormal tief klang, schwang eine Kälte und Gleichgültigkeit darin mit, dass ich kurz stockte. „Gibts einen Grund dass du mich wie ein Bekloppter anstarrst?" fragte seine Bassstimme weiter während er mich kalt musterte. „Ich, nein, äh-"
Man Ardy, seit wann bist du denn so schüchtern? Normalerweise ließ ich mich doch nie aus meinem Konzept bringen! Ich holte Luft und entgegnete schon etwas mutiger: „Könnte ich dich auch fragen."
Ich sah seinen Mundwinkel zucken bevor er schnaubte und belustigt den Kopf schüttelte, doch er antwortete nicht. Die ganze restliche Stunde nicht. Und er beachtete mich auch nicht weiter.

Ansonsten verlief die Stunde ziemlich normal. Ab und an spürte ich noch neugierige Blicke der anderen an mir kleben, aber ich beachtete sie nicht weiter. Normalerweise war ich nämlich eher der, der sich nicht beeindrucken ließ und ganz gechillt den Neuen spielte. Das heute war leider ein blöder Ausrutscher. Aber woher sollte ich auch wissen, dass so ein Spast neben mir sitzt der mich komplett aus der Fassung bringt!?

Ja, es war seine Schuld. Nicht meine.

Die Stunde an sich verlief sogar ziemlich schnell, denn ich hörte die Glocke bald läuten die uns Schüler von dem Grauen erlöste. Die meisten sprangen sofort auf und begaben sich hinaus auf den Schulhof. Auch ich stand auf und wurde sofort von Felix und Alex beschlagnahmt. Sie zogen mich ebenfalls aus der Klasse, die Stiegen hinunter und auf den großen Pausenhof hinaus.
„Junge, hast du ein Pech!" meinte Felix kopfschüttelnd. „Ja, total! Und dann auch noch als Neuer!" pflichtete ihm Alex bei und ich muss gestehen, ich stand ein wenig auf der Leitung. „In welcher Hinsicht?" fragte ich deshalb verwirrt und beide warfen mir einen geschockten Blick zu und sagten dann synchron: „Na, dein Sitznachbar!"
Oh. Das.
„Wieso habt ihr denn alle so eine Angst vor Thaddeus...?" ich klang zögerlich, was absolut nicht meine Absicht war. „Vor Taddl? Na, er ist sowas wie der King in der Schule!" „Ja, jeder hat Angst vor ihm!" sie redeten so überzeugt, dass ich mich echt fragte ob sie nicht nur eine Person waren.
„Das beantwortet nicht meine Frage." motzte ich, da ich mich kritisiert fühlte.
„Es ist halt einfach so." meinte Dner.
Ich seufzte.
„Dann erzähl mir wenigstens was über ihn."
Izzi begann: „Er ist achtzehn, wird aber in einem halben Jahr neunzehn. Glaub ich."
„Er hat einfach den Respekt der ganzen Schule. Er kommt und alle sind still. Aber wenn man keine Probleme will, geht man ihm besser einfach aus dem Weg, dann lässt er einen meistens in Ruhe." redete Dner für ihn weiter.
Wie war das mit der einen Person?
„Außerdem ist er total eigenartig. Ich weiß nicht, aber irgendwie wird man überhaupt nicht schlau aus ihm."
Das hatte ich mir schon gedacht. Aber ich sagte es nicht laut. Eigentlich wollte ich so wenig wie möglich mit den beiden reden, aber so wie es aussah war ich förmlich in ihren Besitz gelangt!
„Aber trotzdem fliegen ihm die Mädchenherzen nur so zu." murmelte Izzi nun und ich meinte Eifersucht in seiner Stimme mitschwingen zu hören.
„Bis jetzt hat er sie aber alle abblitzen lassen."

Wir waren endlich draußen angekommen und die beiden zogen mich auf eine kleine Gruppe von Menschen zu. „Hey!" rief Dner ihnen schon entgegen und sie lächelten in unsere Richtung.
Ich sah einen Jungen mit etwas längeren, braunen Haaren und einem blau-schwarzen Hoodie der mir frech entgegen grinste. Neben ihm standen zwei weitere Jungs, einer mit hellbraunen Haaren und einer durchaus nervigen Lache und der zweite hatte Dreadlocks und ein grünes Stirnband. Etwas weiter weg erhaschte ich mit den Blicken ein dunkelhaariges Mädchen mit dunkelroten, vollen Lippen und ziemlich heller Haut. Sie trug eine Dreiviertel Hose, ein buntes Shirt und eine längere, schwarze Strickweste. Sie sah echt hübsch aus und ich musste mich bemühen ihrem Blick wieder zu entkommen. Sie stand abseits von der Gruppe, so als ob sie gerade noch bei ihnen gewesen war und gehen wollte. Ein leichtes Lächeln zierte ihre hübschen Lippen und ich erwiderte es.

Meine zwei Gefängniswärter hatten meine Arme endlich los gelassen, so dass ich meine Snapback abnehmen und meine verwuschelten blau-grauen Haare richten konnte bevor wir bei den anderen ankamen.
Ich hatte keine Lust zu quatschen und ich hatte keine Lust weitere, einseitige Freundschaften zu schließen.
Aber was anderes blieb mir gerade wohl nicht über. Also vergrub ich meine Hände in den Hosentaschen und blieb stumm vor den Jungs stehen.
„Leute, das ist Ardy, er ist neu in unserer Klasse." begann Dner nun für mich zu reden.
Ist ja nicht so, dass ich mich selber vorstellen könnte, dachte ich ironisch, schwieg aber weiter.
Er deutete nun der Reihe nach auf die Jungs, angefangen bei dem mit den Dreads.
„Das ist Simon, der da ist Manu und das ist Rewi." der dritte war der mit der nervigen Lache.
Ich seufzte erneut in mich hinein. Jetzt waren zu den zwei hyperaktivsten Menschen die ich je kennen gelernt hatte auch noch ein Öko, ein komischer Psycho der mich mit seinen grünen Augen immer noch angrinste und einer mit komplett bescheuerter Lache dazu gekommen. Tolle Auswahl.
Während die anderen mich noch freundlich begrüßten, wanderte mein Blick bereits zurück zu dem Mädchen, welches mittlerweile aber weiter weg bei einer Gruppe anderer Mädchen stand.
„Das ist Luna." sagte Izzi, der plötzlich grinsend neben mir stand.
In dem Moment schaute Besagte wieder zu uns und schenkte mir erneut ein leichtes Lächeln.
„Oh lala, Ardy!" rief nun auch Dner und die anderen begannen sofort unlustige Witze zu reißen die ich nur mit einem genervten Blick meinerseits quittierte, doch das Lachen verstummte genauso schnell wie es begonnen hatte, als sich die Türe zum Schulhof erneut öffnete und ein Wasserstoff blonder Junge heraus trat. Schüler, die am Eingang gestanden hatten, stoben auseinander und blieben in sicherer Entfernung stehen. Überhaupt hatte ich den Eindruck es wäre stiller geworden, aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Was ich mir jedoch sicher nicht einbildete, war der kurze Moment indem er mich mit seinen eisblauen Augen fixierte und genauso schnell wieder ignorierte. Trotzdem bekam ich eine Gänsehaut.

Behind me ~ TardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt