Kapitel 35

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Das Leben ist ein All-Inclusive Paket. Wieso also nur die Hälfte beanspruchen wenn man alles auskosten kann? Es gibt so viele Fassetten und Farben - man wäre dumm wenn man sich mit Schwarz und Weiß zufrieden geben würde. Doch man muss natürlich auch mit den Konsequenzen dieser Vielseitigkeit klarkommen, ohne sich an den Scherben zu schneiden.

*Taddls POV*

Ardys Worte hatten mich verletzt.
Was dachte er denn bitte von mir!?
Als ob ich ihm ein Kondom oder so in die Hand gedrückt hätte!
Ich wollte ihm doch nur eine Freude machen, da ich ja selber wusste, dass meine Eifersucht zum kotzen sein konnte. Aber was sollte ich denn dagegen tun? Ardy war schließlich der erste Mensch seit langer Zeit der mein Herz erobert hatte.

Meine Stimmung sank noch ein bisschen mehr als ich das Klassenzimmer betrat und Jan der Erste war der in mein Blickfeld kam.

Seufzend ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen und beobachtete die Türe durch welche Ardy schon bald trat und mir einen schüchternen Blick zuwarf.

Ach, plötzlich doch nicht mehr die große Klappe oder was?

Er steuerte auf seinen neuen Platz neben - ach ja... ihm... - zu und setzte sich zögerlich.

Schnaubend ließ ich den Blick über die Klasse schweifen und mir fiel auf, dass Luna ebenfalls alleine saß.
Vielleicht war Paola ja krank.

Unser Mathe Lehrer betrat die Klasse und seinem Gesichtsausdruck zu folge war er nicht bester Laune.
Meine Vermutung wurde bestätigt als er mit wütender Stimme rief: „Die Wiederholung fiel wie zu erwarten mehr als schlecht aus. Ich möchte, dass ihr euch zu zweit zusammen tut und selber heraus findet was ihr falsch gemacht habt und eure Fehler schriftlich verbessert. Am Ende der Stunde gibt mir jeder seine Wiederholung wieder ab, verstanden?"
Alle nickten und murmelten niedergeschlagene Zustimmungen.

Simon begann die Zettel auszuteilen und zu meiner Überraschung - nicht - war ich einer derjenigen die ein fettes, rotes Minus auf ihrem Zettel stehen hatten.
Mist.

Ich warf Ardy einen verstohlenen Seitenblick zu und bemerkte, wie dieser zu grinsen begann als er seinen Zettel betrachtete.
Er hatte doch auch nicht gelernt?
Doch als er Jan einen dankbaren Blick zuwarf war schon klar was passiert war.

Jan hatte ihn abschreiben lassen.
Schleimer.

„Ach, Luna, würden Sie sich bitte zu Thaddeus nach hinten setzten?", fügte der Lehrer plötzlich noch hinzu und ich erhob meinen Kopf ruckartig.
Das zierliche Mädchen stand auf und kam auf mich zu, ließ sich zögerlich neben mich sinken und warf mir einen unsicheren Blick zu.
Als ich an Luna vorbei sah, fiel mir direkt Ardys warnender, angespannter Blick ins Auge und obwohl ich immer noch wütend auf ihn war, beschloss ich seiner stummen Aufforderung nachzugehen und zwang mich zu einem kleinen Lächeln.
„Keine Sorge, ich bin nicht so schlimm wie alle sagen.", zwinkerte ich Luna aufmunternd zu und tatsächlich entspannte sich diese augenblicklich.

Luna hatte ebenfalls ein Minus und so waren wir beide erstmal ratlos was mir tun sollten, da wir keine Ahnung hatten was wir falsch gemacht hatten.
Doch Luna hatte scheinbar sowieso nicht vor mit mir ein Gespräch über Mathematik zu führen.
„Ist alles okay zwischen Ardy und dir?", fragte sie leise.
Ich warf ihr einen prüfenden Seitenblick zu aber was hatte ich schon zu verlieren?
„Nein."
„Ist was passiert?"
„Kann man so sagen, ja."
„Willst du- willst du darüber reden?"
Ich seufzte.
„Wieso eigentlich nicht. Es ist halt so, dass ich ein extrem eifersüchtiger Mensch bin und seit Jan hier ist... ist es anders, weißt du was sich meine?"
Sie nickte nur.
„Und heute morgen wollte ich mich bei ihm entschuldigen indem ich ihn mit einer Konzertkarte für heute Abend überraschen wollte aber irgendwie dachte er wohl- naja, dass mit der Überraschung eine gewisse Aktivität gemeint war."
Ich war mir nicht sicher ob Luna verstanden hatte worauf ich hinaus wollte, denn sie kommentierte Gesagtes nicht sondern beäugte mich nur zweifelnd.
„Er dachte ich will so etwas wie Versöhnungssex.", meinte ich trocken und hob den Kopf ganz um sie anschauen zu können.
„Oh.", gab sie kleinlaut zurück.
„Irgendwie bin ich enttäuscht, dass er so von mir denkt. Ich würde ihn nie zu irgendetwas drängen wozu er noch nicht bereit ist und außerdem bin ich nicht der Typ für sowas. Schon gar nicht nach so kurzer Zeit."
„Kann ich verstehen. Also, dass dich das verletzt mein' ich. Aber vielleicht war Ardy ja auch einfach überfordert von der Situation. Im Gegensatz zu dir kenne ich ihn mittlerweile ganz gut und ich weiß, dass er dich niemals bewusst verletzten würde. Dafür bist zu ihm zu wichtig, Taddl."

Lunas Blick war weich und mitfühlend und ungewollt schlich sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen als mein Herz warm wurde.
„Und - ich will dir nicht zu nahe treten, also unterbrich mich falls ich mir irre - aber soweit ich das sehe liebst du Ardy zu sehr um ihm lange böse zu sein. Ich glaube nämlich nicht, dass du dieser versteinerte Typ bist der jeden fertig macht wenn man ihn schief anschaut, sonst hätte Ardy sich nicht auf dich eingelassen. Jeder braucht in einer Beziehung etwas Beschützendes und in deinem Fall bist du dieses Etwas für Ardy. Da bin ich mir hundertprozentig sicher."

Ich wusste nicht warum ich es tat, aber irgendwie wusste ich, dass es richtig war.
Denn meine Hand legte sich auf Lunas und drückte diese sanft als Zeichen der Dankbarkeit.

Ich kannte Luna bis jetzt kaum aber alleine diese paar gewechselten Worte ließen meine Seele wissen, dass sie ein besonderer Mensch war und mein Herz hatte ihr bereits die Türe geöffnet um in mein Leben eintreten zu können.

Auch Luna lächelte mich nun strahlend an, da sie wahrscheinlich genau gemerkt hatte was los war.

„Darf ich dir einen Vorschlag machen?"
Ich nickte als Bestätigung.
„Ich würde zu Ardy gehen und ihm sagen was genau dich so eifersüchtig macht. Sag ihm, dass du dieser Beschützer für ihn sein willst. Mach ihm klar, dass du derjenige bist, der immer da sein wird."

„Luna?"
„Ja?"
„Danke."
„Keine Ursache. Ich helfe gerne."
„Ich meine nicht nur das."
Fragend musterte sie mich.
„Ich bin ein zerstörter Mensch. Und seit ich Ardy kenne, habe ich das Gefühl, dass sich jemand die Mühe macht, mich wieder zusammen zu setzten. Alle anderen sehen in mir nur die Scherben. Normalerweise bin ich nicht so poetisch, aber du bist die Erste - ausgenommen Ardy - die mir zeigt, dass Scherben nicht immer schneiden. Weißt du was ich meine?"
„Ja, ich denke schon."
„Mit den anderen habe ich meine Probleme; ich bin kein kontaktfreudiger Mensch. Aber wenn es dir nichts ausmacht würde ich dich gerne als Freundin bezeichnen..."
Die letzten Worte hatte ich nur noch gemurmelt da sie mir um ehrlich zu sein ein wenig peinlich waren, doch als Antwort bekam ich nur ein liebevolles Drücken ihrer Hand, doch es sagte genug aus um zu wissen, dass sie einverstanden war.

Luna war eindeutig ein besonderer Mensch.
Ein liebenswerter Mensch.
Und ich war froh, dass sie die Scherben richtig aufgehoben hatte ohne sich daran zu schneiden.

Behind me ~ TardyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt