Kurzgeschichte von Jiitka - Danke :3
-Dunkle Fenster, dunkle Wolken. Menschen. Die Blicke gesenkt.
Der Großstadtsmog hängt über ihren Köpfen.
Sie sehen niemanden, nichts außer ihren eigenen Füßen, Handys, und Uhren.
Tickende Sekundenzeiger wie Zeitbomben. Die Bombe ist in ihrem Kopf, zählt langsam runter.
Alle sind in Eile, gehen hastig. Manche rennen, fluchen, drücken andere rücksichtslos zur Seite. Tumulte, kleine Gassen vor den Läufern, die eilig die Bahn erreichen müssen. New York am Morgen ist kein schöner Anblick.
Meine Haare hängen mir im Gesicht, meine Jacke ist klamm, die nasse Jeans klebt an meinen Beinen. Ich sehe hinauf zu den Vorbeieilenden, bin eine der wenigen, die ihre Gesichter erkennen können.
Sie sind verkniffen, genervt, müde, erschöpft. Eine Frau hat Tränen in den Augen, während sie versucht seriös ein Gespräch am Handy zu führen.
Mein Hund sabbert auf meine Hose.
Der Ansturm geht weiter. Das gesichtslose Menschenmeer in grauen Anzügen, und Kostümen schwappt an mir vorbei. Sie sehen mich nicht.Ich bin die Fliege an der Wand, der stille Beobachter. Sie nehmen mich nicht war, in ihrer Welt wo es nur Druck, Zeit und eben keine Zeit gibt.
Keine Zeit um die Augen aufzumachen. Keine Zeit um sich umzuschauen, aufzuatmen. Keine Zeit um eine Bahn zu verpassen.
Keine Zeit um eine Familie zu haben.
Stress der Arbeiterschaft, hat Vater das immer genannt. Wir nennen es Stress der Maschinen. Die Maschinen, das sind sie, die jeden Morgen blind an uns vorbei laufen, auf ihrem Weg schlafwandeln und abends genauso gestresst zurück nachhause flüchten: Immerhin gibt es Nachrichten zu sehen, Firmenessen zu verspeißen und Ehepartner, mit denen man sich streiten muss, weil niemand von beiden Zuhause ist, um sich um das Kind zu kümmern. Das Kind, das den ganzen Tag in der KiTa war. Das Kind, wegen dem die Erzieher schon wieder angerufen haben, weil schon wieder niemand um 18 Uhr da war, um es abzuholen. Stress eines jeden, der dieses Systems unterstützt.
Die Straße zum Bahnhof ist leerer geworden.
Ihr Stress hat sich nicht gelegt, er hat sich lediglich verlagert. Von den Straßen in die Büros, wo sie jetzt vor den Rechnern sitzen und auf die Tastaturen einhämmern. Ihr Stress ist der tickende Zeiger, der nie ruhenden Uhr.
Ihr Stress ist die digitale Anzeige auf dem Handy, die immer größer wird. Ihr Stress ist der Stapel Papier, der nur wächst und wächst und wächst. Mein Stress sieht ganz anders aus.
Ich sitze hier, vor dem Bahnhof, früh am Morgen, wenn die letzten Betrunkenen gehen, bin ich schon da.
Friere. Und nur mein Hund ist hier. Er ist hungrig. Ich bin hungrig. Wir teilen.
Wenn die ersten Leute kommen, kriegen wir manchmal ein wenig Kleingeld. Andere kaufen davon Alkohol.
Ich spare. Denn wir brauchen etwas zu essen.
Je voller es wird, desto weniger geben die Menschen. Ich hebe meinen Hund hoch; manchmal kann er kaum laufen, und wir gehen woanders hin.
Doch den Menschen kann man nicht entkommen. Sie sind überall und geben kaum etwas. Sie sind so gestresst, dass sie nicht merken wie sie uns herumschubsen oder sogar auf uns treten. Sie sind so gestresst, dass sie nicht sehen, was sie tun. Dass sie uns nicht sehen, oder übersehen. Manchmal weiß ich es nicht.
Irgendwann bin ich erschöpft, so erschöpft, dass ich ihn nicht weitertragen kann. Eine Bank irgendwo am Hudson River ist frei, und ich seetzte mich hin, blicke auf den Fluss und habe Ruhe. Doch auch immer noch Hunger. Mein Magen knurrt und er jault und jammert leise. Ich sollte ihn ins Heim bringen, aber es würde ihm dort nicht gefallen. Er würde einsam sein, seine Freiheit vermissen - mich vermissen. Ich sitze hier lange, bis nur noch Mütter ihre Kinder wegbringen und alte Rentner auf die Straßen kommen.
Ihr Stress scheint anders zu sein. Sie wollen nicht vergessen werden und selbst nicht vergessen, wollen leben. Sie machen sich einen Stress daraus.
Von ihnen gibt es auch meist Geld, oder sogar einen heißen Kaffee. Manche von ihnen wissen, wie es ist, nichts zu haben, und noch mehr fürchten es. Und ich spare. Vielleicht am Ende des Tages. Etwas fleischiges? Obwohl, Gemüse ist billiger. Vielleicht sogar warm, aber mein Hund braucht nichts warmes.
Jemand anders kommt vorbei, teilt seine Zigaretten mit mir, zieht weiter. Er will stehlen, da mache ich nicht mit. Wenn ich hinter Gitter komme, wer kümmert sich um meinen Hund? Wenn ich erschossen werde, wer gibt ihm Futter? Ich bin wie eine Mutter, aber ich mache es anders. Ich bleibe bei ihm und schiebe ihn nicht ab. Er ist doch mein Baby.
Der abendliche Ansturm ist, wie der morgendliche, nur erschöpfter, frustrierter. Schon wieder nicht befördert worden, schon wieder nicht gelobt worden, schon wieder nicht erfolgreich gewesen.
Ihren Stress hätte ich manchmal gerne.
Er ist so berechenbar, nicht wie meiner. Während sie an mir vorbeirennen, beginne ich Blut in meine Hand zu husten.
Jetzt ist auch mein Stress die Zeit.
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Menschen.
De Todo«Und am Ende sind wir alle nur noch eins: Menschen!» Eine Sammlung von Texten, die etwas bewirken sollen. © Die Urheberrechte liegen bei den unterschiedlichen Autoren.