Tochter werden

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Die zehn Minuten Autofahrt nach Hause, kommen mir wie eine Ewigkeit vor. Mein Vater schweigt vor sich hin, aber ich weiß, dass er gleich platzt und nur noch nach den richtigen Worten sucht. Er trommelt mit seinen Fingern auf dem Lenkrad und wirft mir trotz seiner Sonnenbrille einen strengen Blick zu. „Er hat dich doch nicht etwa angefasst". Ich versuche ein Lachen zu unterdrücken, was schwierig ist. „Nein Bill, das würde der Typ....wie heißt er gleich nochmal, nie tun". Bill flucht wie ein verrückter, weil er sofort spürt, dass ich ihn verarsche. „Er hat mich flachgelegt, sonst war nichts". Es vergeht nur eine Sekunde, ehe er an die Decke geht. Mein Erzeuger dreht durch. „Ich bringe ihn um" schreit Bill und boxt auf sein Lenkrad ein „ich bringe ihn einfach um. Scheißegal, wer er ist, das überlebt er nicht". Dann dreht er sich zu mir und reißt die Sonnenbrille aus seinem Gesicht, damit ich seine wütenden Augen besser sehen kann. „Du hast übrigens Hausarrest". Ich verdrehe meine Augen und weiche seinem Blick aus. „Bill, ich bin volljährig. Ich kann mich von jedem vögeln lassen. Du wirst es vielleicht nicht gerne hören. Aber seit meinem sechzehnten Lebensjahr, mache ich das schon so. Einmal gefickt, weitergeschickt. Das ist doch deine Devise". Das Auto bleibt schlagartig stehen, weil Bill die Bremse voll durchgedrückt hat. „Wer hat dir das erzählt. Deine Mutter". Ich zupfe mir einen unsichtbaren Fussel von meinem Shirt und nicke. „Ich komme eben ganz nach meinem Erzeuger. Außerdem weiß ich gar nicht, warum du dich so aufregst. Das erscheint mir reichlich spät, wenn ich ehrlich sein darf". Bill steigt wieder auf das Gaspedal und lässt die Reifen durchdrehen. Das Heck des Wagens bricht ein wenig aus und schlittert leicht über die Kiesstraße. Aber schon bald ist es schon wieder in der Spur und ich lasse den Griff der Türe los und versuche mich zu beruhigen. Offenbar hat er viel Temperament. Aber egal, das habe ich auch und das habe ich offenbar auch von ihm geerbt. „Du kannst dich doch nicht von jedem Vögeln lassen, der dir über den Weg läuft". Eigentlich habe ich keinen Bock dagegen zu sprechen, aber ich tue es „Nicht von jedem Bill. Nur von denen, die mir auch gefallen. Ich bin Jung und möchte Spaß. Außerdem tauge ich nicht zu mehr. Dafür bin ich zu kaputt". Er tritt wieder auf die Bremse, dieses Mal aber sachte. Ich schaue aus dem Fenster und sehe den Truck, den Bill mir gekauft hat. „Du bist mehr wert, als irgend eine Schlampe", sagt er leise und zieht den Schlüssel aus der Zündung. Dann steigt er aus und geht zu seiner Ladefläche. Ich wische mir ein paar Tränen aus den Augenwinkeln und steige ebenfalls aus. Ich habe schon lange nicht mehr geheult, außer eben gestern Nacht. Aber das war etwas anderes. Dann zünde ich mir eine Zigarette an und beobachte Bill, wie er den Reifen wechselt. Er wirft mir einen kurzen Blick zu als er das Feuerzeug hört. „Sag nicht, dass du auch noch rauchst". Ich schnaube wütende „Ich wohne seit über einem Monat bei dir und du bemerkst es erst jetzt". In Wirklichkeit habe ich dort noch gar nie geraucht. Das tue ich eigentlich nur auswärts und auch nur selten. Also kann er es gar nicht wissen. Aber das sage ich nicht zu ihm. Soll er sich doch Sorgen um seine verpatze Vaterschaft machen. Das ist mir auch gleichgültig. Eigentlich geht mir der ganze Scheiß am Arsch vorbei. Bill putzt seine Hände an dem Lappen ab, an den Jason in der Nacht, seine Hände schon abwischte und betrachtet sein Werk. „So jetzt bist du wieder mobil Tochter". Ich stoße mich von seinem Auto ab und schnippe die Zigarette auf die Straße. „Nenne mich nicht so". Seine Augenbrauen ziehen sich zu einem einzigen Strich zusammen. „Gerne geschehen Ricky". Schon besser. Ich bedanke mich nicht und steige ein um ihn einfach stehen zu lassen. Mir ist egal, was er von mir denkt. Trotzdem verspüre ich einen Stich im Herzen.

Am Abend ärgere ich mich dann doch, dass ich diesem Jason meine Nummer nicht gegeben habe. Ich hätte mich auch nach seinem Nachnamen erkundigen sollen und ihn über Facebook aufsuchen können. Das mache ich gerne, denn dann hat man irgendwie einen guten Einblick in das Leben des anderen. Ich liege auf meinem Bett und fahre das Laptop hoch. Es dauert immer ziemlich lange, bis es so weit ist. Dann dauert es noch viel länger, bis ich endlich auf der entsprechenden Seite bin und „Jason" in die Suchleiste eingebe kann. Er zeigt mir gefühlte vier Millionen Jasons an. Ich füge „Missoula" hinzu und es werden gleich viel weniger. Aber es sind immer noch zu viele. Hinter Jason setzte ich ein „R" weil mehr weiß ich nicht über seinen Nachnamen. Aber die Suchfunktion findet so viele Jason mit einem „R" Namen, alleine in Missoula und ich verliere die Lust an der Suche. Natürlich hätte ich auch meinen Vater nach dem Nachnamen fragen können. Bezweifle allerdings, dass er glücklich darüber wäre. Keine Ahnung, mich beschleicht das Gefühl auch immer stärker, dass er von dieser Plattform nichts hält und sich deswegen auch nicht registriert hat.

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