Zurückgewinnen

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Drei Tage später fahren wir nach Kentucky, wo Jason seine Zelte aufgeschlagen hat. Die Zeit vergeht quälend langsam und ich würde am liebsten wieder umdrehen. Aber das geht nun nicht mehr. Ich habe Brady auf meiner Seite und werde das voll und ganz ausnutzen. Jason weiß nicht, dass ich bei Brady mitfahre. Brady reitet selbst wieder. Allerdings Bullen, der Verrückte. Wenn ich erst einmal wieder mit Jason zusammen bin, würde ich daran etwas ändern müssen. Ich kann doch meinen besten Freund nicht auf einem Bullen reiten lassen. Mein Vater ist total ausgeflippt, als ich ihm offenbart habe, dass ich zu Jason fahre und bei ihm zu Kreuze krieche. Er wollte mich enterben und hat schlimme Sachen gesagt. Aber er hat eingesehen, dass er machtlos ist. „Mach doch was du willst, ich kann dich nicht zwingen". Das waren die letzten Worte und dann hat er mich umarmt und ich bin in Bradys Trailer gestiegen. Von der Tribüne aus beobachte ich Jasons Ritt. Es stimmt, mit den Pferden habe ich kein Problem. Wenn ich Jason zurückgewinnen kann, würde ich ihm das Rodeo nicht mehr verbieten. Aber erst muss ich ihn zurückgewinnen. Als sein Ritt vorüber ist und er die Arena verlässt und dabei seinen Fans zuwinkt, fällt sein Blick durch Zufall auf mich. Mehrere Gefühle spiegeln sich gleichzeitig auf seinem Gesicht ab. Zuerst ist er geschockt, dann wird sein Blick weicher, nur um dann in eine steinharte Miene überzugehen. Aber er läuft nicht davon wie ich angenommen habe, sondern klettert über das Geländer zu mir hoch und bleibt dich vor mir stehen. „Ist das Zufall oder verfolgst du mich", fragt er ohne eine Begrüßung und ziemlich unfreundlich. Seiner Miene nach zu urteilen wünscht er mich zum Teufel. „Was wäre dir denn lieber", frage ich ihn und ignoriere seine miese Stimmung. Jason springt mit einem Satz über das letzte Hindernis, das zwischen uns steht und mustert mich einmal von oben bis unten. Seine babyblauen Augen bohren sich dann auffordernd in meine. „Du weißt ganz genau, was mir lieber ist, aber das zählt nicht. Nicht mehr". Ich gebe allerdings nicht so schnell auf. Dafür bin ich nicht hergekommen „Ich muss mich mir dir unterhalten", erkläre ich bestimmend. An seinem Kinn stehen ein paar Haare, die so etwas wie einen drei Tage Bart darstellen sollen. Ich finde das süß und unterdrücke den Drang ihn küssen zu wollen. „Können wir reden", frage ich stattdessen.

Wir treffen uns bei seinem Trailer, der neben Bradys steht. Jasons Blick fällt auf Bradys Truck und seine Züge verhärten sich. „Ach ja, jetzt weiß ich auch bei wem ich mich außerdem noch über den Besuch bedanken muss", zischt er mürrisch. Das war ziemlich eindeutig, aber ich lasse mich nicht unterkriegen. „Gehen wir rein zum reden", frage ich ihn. Jason schüttelt seinen Kopf hektisch. „Keine gute Idee". Sein Blick wandert gedankenverloren zu seinem Trailer und dann wieder zu mir. Was verbirgt er vor mir, warum soll ich nicht in seinen Trailer gehen. Dann macht es Klick und ich verstehe. Ich stapfe entschlossen zu Jasons Trailer, reiße die Tür auf und laufe wie eine krankhaft Eifersüchtige in das Innere des Fahrzeugs um die Schlampe zu finden und dann hinaus zu werfen. Doch da ist kein Mädchen. Jason lacht leise aber hart. „Ich finde es ist keine gute Idee, weil ich in deiner Nähe Angst habe", erklärt er. Ich habe gar nicht bemerkt, dass er hinter mir steht. Überrascht und dann zugegeben beleidigt, sehe ich ihn an. „Weil ich verrückt bin", kreische ich beinahe. Mir ist egal, dass uns die Cowboys draußen hören können. Jason verdreht genervt seine Augen und wickelt die Bandage, die sein Handgelenk und seine Sehnen schützen soll gewissenhaft ab. „Das habe ich nicht gesagt. Ich habe mehr Angst, mich nicht unter Kontrolle zu haben. Verdammt, du musst doch begreifen, dass ich versuche krampfhaft Abstand zu dir zu gewinnen. Ich bin kaum noch in Montana, noch nicht einmal, wenn ich nicht reite". Ich verschränke meine Arme vor der Brust und trete einen Schritt auf ihn zu. Bereit aufs Ganze zu gehen. „Möchtest du, dass ich gehe. Für immer. Wenn du das möchtest, steige ich in den nächsten Flieger und du siehst mich nie wieder. Möchtest du das". Es dauert eine atemlose weile ehe er den Kopf kaum merklich schüttelt. „Na gut", schnauze ich ihn an. „Was möchtest du. Habe ich noch eine Chance. Haben wir noch eine Zukunft". Warum nur hält er seine verdammten Antworten so lange zurück. Vermutlich weil er mich nicht mehr zurück haben möchte. Gut ich bin auch ein bisschen zu forsch vorgegangen. Aber wenn ich eine Chance hätte, würde er nicht so lange überlegen. „Ok, dann war das jetzt deine Entscheidung", sage ich enttäuscht, weil er keine Antwort geben kann und drücke mich an ihm vorbei um den Trailer zu verlassen. Sicher wird das jetzt ein quälend langes Wochenende in seiner unmittelbaren Nähe und ich muss mit der Zurückweisung erst einmal umgehen. Aber das kann ich. Das hat man mir in der Behandlung beigebracht. Außerdem habe ich immer noch Brady. Ich bin nicht alleine mit meinem Schmerz. Ich spüre, wie Jason meinen Ellenbogen umfasst und mich aufhält. „Ich hätte dich so gerne zurück, aber es geht nicht. Das ist nicht gut für dich und auch nicht für mich". Er sagt zwar diese Worte, aber gleichzeitig umschließt er mein Gesicht mit beiden Händen und drängt mich Rückwärts bis ich auf seinem Bett sitze. Sein Mund den er dann auf meinen drückt ist hart und fordernd. Er ist genauso ausgehungert wie ich mich fühle und ich will mehr. Ich will alles. Doch das ist zu Überstürzt und genau das wäre falsch und gleichzeitig fatal. Wenn ich uns noch eine Chance geben soll, müssten wir lernen, das Pferd nicht ständig von hinten aufzusatteln. Klar haben wir schon miteinander geschlafen, wir haben es doch schon hunderte Male getan. Wir waren ein paar Wochen verheiratet. Mehr oder weniger. Aber wir hatten vorher eine gute Beziehung. Eine intensive und liebevolle, die durch meine Depression über Nacht zerstört wurde. Das darf einfach nicht sein. Nicht nachdem wir uns vor Gott das Versprechen gaben, das wir alles gemeinsam durchstehen. Ich will ihm diese Worte an den Kopf werfen, doch als ich meinen Mund öffnete, kommt kein Laut. Im Vordergrund steht jetzt, was wir beide wollen. Jason und ich. Was ich will, ist mir klar. Doch was er will, weiß ich nicht. Möchte er uns eine Chance geben oder ist er nur wieder in ein altes Verhaltensmuster gefallen. Ein Muster bei dem er mich wie immer küsst, als gäbe es kein Morgen mehr. Mich mit Haut und Haaren verschlingt. Mir wird warm, nein richtig heiß bei den Gedanken, was er mit mir tun könnte. Hier und jetzt. Gleich auf diesem perfekt gemachten Bett. In diesem Trailer. Seinem Trailer, den er dazu benutzt, um vor mir zu fliehen. Ich muss es nur zulassen. Mich fallen lassen in seinen Küssen und seinen Berührungen. Und er muss es wollen. Ich will es zulassen, bettle praktisch darum und komme mir vor wie eine Verdurstende. Mein Verstand ist völlig vernebelt und ich drücke ihn mit allerletzter Kraft von mir, weil ich weiß, dass wir so keine Probleme lösen können. Nicht auf diese Weise. Jason keucht atemlos und schaut mich müde an. Nicht verwirrt oder fassungslos. Nein, er sieht mich entschuldigend an. „Das wollte ich nicht". Genau so hat es sich zwar nicht angefühlt, aber ich lächle ihn zaghaft an und lege meine Hände sanft auf seine Brust die sich schwer hebt und wieder senkt. „Ich bin froh, dass du es getan hast. Daraus schöpfe ich meine Hoffnung". Er geht erst einen Schritt zurück und schüttelt widerwillig seinen Kopf, dann flucht er wütend und packt mich an den Armen und zerrt mich hoch. „Geh jetzt. Du machst es nur für uns beide schwer". Seine Augen blitzen zornig und bringen mir so viel Wut entgegen. Wut, die ich verdient habe, denn schließlich habe ich unsere komplette Beziehung auf eine Lüge aufgebaut. Ich hätte ihm einfach sagen müssen, dass mit mir etwas nicht stimmt. Ich hätte ihm sagen müssen, dass meine Mutter und ihr Lebensgefährte mich zerstört haben.


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