Jason

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Jason:

Ich höre wie Brady nach mir ruft, aber ich habe keine Lust mir wieder seine Vorwürfe und blöden Warnungen anzuhören und treibe mein Pferd noch schneller voran. Momentan geht mir alles auf die Nerven, am allermeisten diese neue Praktikantin, die Kathy angeschleift hat. Sie erinnert mich immerzu an Ricky. Mein Herz zieht sich zusammen, als ich meine Gedanken zu unserem letzten Streit schweifen lasse. Ich hätte das nicht zu ihr sagen dürfen. Ich hätte das nicht tun sollen. Sie wirkte so verletzt, so traurig. Aber das ist genau das, was wir seit Wochen, ja fast Monaten tun. Wir schreien uns an. Sie beleidigt mich, und ich sie. Das schlimme ist, dass ich sie eigentlich liebe. Sehr sogar. Mein Handy spielt eine Melodie, die mir bedeutet, dass Brady versucht mich zu erreichen. Nach einer Weile hört es auf. Ich gehe nicht ran, weil ich meine Ruhe brauche. Ich muss nachdenken. Brady behauptet, dass Ricky ärztliche Hilfe braucht und sie vermutlich schon in der Vergangenheit unter Depressionen litt. Jetzt glaube ich es ihm sogar. Das habe ich bis heute immer verdrängt. In Wirklichkeit hat sie mir ihre Unbekümmertheit immer nur vorgespielt. Tief in mir, konnte ich das spüren und manchmal frage ich mich, ob sie mir ihre Liebe auch nur vorgespielt hat. Dann schüttle ich den Kopf. Nein das ist echt, warum sollte sie mir so etwas auch vorspielen. Ich spüre ihre Liebe doch. Auch jetzt, wo wir so gut wie getrennt sind.

Nach einer halben Stunde beende ich meinen Ausritt und lenke Jack Ass zurück zur Ranch. Mein Handy läutet wie verrückt und ich frage mich ob Brady noch alle Tassen im Schrank hat. Beim zehnten Mal, gehe ich genervt dran. „Was ist", belle ich. Brady klingt atemlos. „Irgendwas stimmt nicht mit Ricky. Sie geht nicht ans Handy und ich stehe vor eurer Tür. Sie macht nicht auf". Das etwas nicht mit ihr stimmt, ist mir schon klar. Aber das sie weder ans Handy noch an die Türe geht ist komisch. Ich spüre, wie sich alles in meinem Körper zusammenzieht. „Tritt die verdammte Türe ein, wenn es sein muss". Ich springe aus dem Sattel und weise die Praktikantin an, sich um Jack Ass zu kümmern. Dann laufe ich immer noch mit dem Telefon am Ohr zum Truck. Ich höre mit, wie Brady noch ein paarmal laut klopft. Nichts. „Tritt die verdammte Türe endlich ein" schrei ich ins Telefon und starte meinen Wagen. Brady legt das Handy weg und ich höre, wie das Holz unter seinen Tritten ächzt. Verdammte Scheiße. Die Ruhe am anderen Ende der Leitung zerrt an meinen Nerven. Was ist da los und warum hat Brady das verdammte Handy nicht mehr am Ohr. Mein Herz schlägt wie verrückt. Ich bin mir nun absolut sicher, das etwas nicht stimmt. Scheiße.

Als ich zu Hause ankomme, steht die Türe weit offen, die Brady eingetreten hat. Sein Truck parkt direkt vor dem Haus. Ich nehme immer zwei Stufen auf einmal und spurte ins Haus. Dustin schreit wie am Spieß. Doch ansonsten höre ich nichts. Ich laufe durch das Haus. Zuerst in die Küche, dann ins Wohnzimmer. Nirgends. Ich schrei Bradys Namen und auch Rickys. Keine Antwort. Meine Schritte über die Treppe nach oben fallen schwer und langsam aus und etwas lähmt mich. Angst. Drohend steht die Badezimmertüre weit auf. Mein eigener Atem und mein Herzschlag scheinen lauter zu sein als Dustins Gebrüll. Es sieht so unecht aus. Wollen die mich verarschen. Aber warum sollte Brady so etwas tun. Er kniet am Boden mitten in einer Lache Blut. So verdammt viel Blut. Ich schlucke schwer, als ich Ricky ansehe. Sie hat die Augen geschlossen und jede Farbe ist aus ihrem Gesicht gewichen. Brady hält sie umschlungen und tätschelt ihre Wange. „Bitte Ricky, schlaf nicht ich bin bei dir und Jason ist jetzt auch da". Mein Blick wandert wie erstarrt auf ihre notdürftig verbunden Handgelenke. Sie öffnet kurz ihre Lieder, nur einen Wimpernschlag, aber ich konnte es sehen. Sie ist nicht tot, noch nicht. Mein Blick fällt auf ein kleines Messer und eine Schachtel im Waschbecken. Ich schaue mir die blutverschmierte Schachtel genauer an. Sie wollte es wirklich beenden und dabei keinen Fehler machen. Ricky hat sich nicht nur die Pulsadern aufgeschnitten sondern eine ganze Packung Schlafmittel intus. Ich habe keine Ahnung, wo das Medikament herkommt. Hatte sie so etwas schon immer. „Ich habe den Notruf gewählt", sagt Brady und wischt sich mit dem Handrücken Tränen von seiner Wange. „Entweder bleibst du bei deiner Frau und hältst sie wach oder du wartest draußen auf das Eintreffen der Sanitäter". Ich knie mich auf den Boden und nehme ihm, meine leblose Frau ab. „Versuche sie, wach zu halten", sagt er tonlos noch einmal und verlässt zögerlich das Zimmer. Sein Blick, den er mir schenkt als er sich zur Treppe wendet ist anklagend. Das bilde ich mir nicht ein. Doch genau diesen anklagenden Blick, habe ich verdient. Ich hätte für sie da sein müssen und ihr nicht wie ein beleidigter Gockel, den Rücken kehren. „Ricky", flüstere ich und tätschle vorsichtig ihre Wange. Ich streiche ihr ein paar verklebte Haare aus dem Gesicht und merke, dass meine Wangen feucht werden. „Wach auf. Bitte. Tu mir das nicht an. Ich liebe dich hörst du. Du darfst mich nicht verlassen und Dustin braucht dich auch". Erst als ich etwas fester Tätschle, hebt meine Frau ihre Lider unter größter Anstrengung. Sie öffnet ihre trocknen Lippen und versucht etwas zu sagen. Aber ich kann es nicht verstehen, da sie nicht die Kraft hat, Töne hinzu zu fügen. Sie bewegt nur ihre Lippen. Ich erkenne jedoch an ihren müden Augen, was sie sagen möchte. „Lass mich gehen". Das zerreißt mir das Herz. Hektisch schüttle ich meinen Kopf, denn ich werde sie nicht gehen lassen. Nicht Heute und auch sonst nicht. Ihr läuft eine Träne über die Wange die ich mit meinem Daumen wegwische. Dann schläft sie wieder ein. „Bleib wach Babe", schreie ich sie an und tätschle wieder fest ihre Wangen. Doch es ist sinnlos, ich kann sie nicht mehr wecken, denn sie will es auch gar nicht mehr. Nur am Rande bekomme ich mit, wie nach und nach die Sanitäter eintreffen. Sie nehmen mir Ricky sofort aus den Armen, versorgen sie noch auf der Trage um sie Transportfähig zu kriegen und verfrachten sie kurz darauf in ihrem Wagen. „Jemand darf mit dem Krankenwagen mitfahren und mir ihre Daten geben", sagt ein kleiner untersetzter Mann. Vermutlich der Arzt. Ich überlege nicht lange und bitte Brady, Dustin mit zu nehmen. Er nickt und wischt sich immer wieder mit dem blutigen Handrücken über seine Wangen. Ich habe keine Ahnung, ob er überhaupt fahrtauglich ist. Er scheint mir ziemlich durch den Wind zu sein. Sicherheitshalber rufe ich Bill und Tara an. Die beiden glauben mir erst kein Wort und Tara kreischt dann hysterisch in das Telefon, dass das, was Ricky zugestoßen ist, meine Schuld sei. Ich kann ihr da nicht voll und ganz zustimmen. Es ist nicht zum Teil meine Schuld, sondern Hauptsächlich, oder besser gesagt. Ausschließlich. Ich klettere in den Rettungswagen und halte die Hand meiner Frau während ich ihren goldenen Ring am Finger nachdenklich betrachte. Dann ziehe ich ihn ab und lese die Inschrift des Rings den wir uns vor nicht allzu langer Zeit gegenseitig angesteckt haben. Selbst trage ich meinen Ring selten bis gar nicht. Vor allem seit wir uns ständig streiten. Irgendwann habe ich ihn abgezogen und seitdem liegt er auf dem Nachtisch in meinem Zimmer auf der Ranch. Meinen Ring habe ich nicht gravieren lassen und ihren noch nie, genauer Betrachtet. Es ist ihr Geheimnis. Die Inschrift des Ringes ist ihr Geheimnis. Aber ich will nun wissen, was sie sich eingravieren ließ. Liebe dich bis zum Tod. Ich schlucke schwer und stecke ihr den Ringer wieder an. Es ist nun viel einfacher, da sie so abgemagert ist. Natürlich habe ich das auch gesehen. Aber ich habe es ignoriert. Ich bin einfach total feige Abgehauen und habe den Beleidigten gespielt. So ziemlich jedes Versprechen, dass ich ihr bis jetzt gegeben habe, wurde von mir gebrochen. Gut, untreu bin ich nie gewesen. Aber sonst alles und das allerschlimmste ist, ich habe wieder zugelassen, dass sie Verletzt wird.

Vier Stunden später, berichten mir die Ärzte, sie sei über den Berg, müsse aber in eine psychiatrische Einrichtung und ich sollte dafür unterschreiben. Das mache ich natürlich, denn ihr muss wirklich geholfen werden. Und danach, soll sie mich nie mehr wiedersehen müssen. Sie soll mich vergessen und alles was mit mir zu tun hat. Ich muss einen Schlussstrich ziehen und dem ein Ende setzen. Aber vorher möchte ich sie noch einmal sehen und mich von ihr Verabschieden. Sie liegt auf dem Bett und starrt an die Decke als ich ins Zimmer gehe. „Hi Babe" sage ich, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll. Ricky hat Tränen in den Augen sieht mich aber nicht an. Ich lasse mich auf der Bettkante nieder und greife nach ihrer Hand. Doch sie zieht sie weg und legt sie über ihre Augen. „Ich habe so einen Mist gebaut", schluchzt sie. „Das liegt an deiner Krankheit", flüstere ich „und an mir". Ricky antwortet mir nicht und bebt am ganzen Körper. Ich beuge mich vor und küsse ihre Stirn. „Ich liebe dich und werde nicht mehr zulassen, dass du wegen mir Schmerzen erleiden musst". Sie reißt die Augen panisch auf und starrt mich an. „Was möchtest du damit sagen". Ich streiche mit dem Daumen über ihre Wange. „Ich tu dir nicht gut und habe es eingesehen. Du bist ohne mich besser dran". Sie nickt und dicke Tränen laufen über ihre Wangen. „Dann war es das jetzt". Ich stehe auf, küsse sie noch einmal und gehe. Ich ignoriere ihre Schluchzer hinter mir und weiß, dass sie nun gut aufgehoben ist.

Mr. Rice. Eine dunkelhäutige, junge Krankenschwester steht in der Türe und wartet darauf, dass ich sie endlich registriere. „Ihre Schwiegereltern sind eingetroffen, wollen sie mit ihnen sprechen". Ich schüttle den Kopf und stehe auf. Dann drücke ich ihr einen Brief für Ricky in die Hand und verlasse das Krankenhaus, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ich weiß, dass ich das richtige getan habe, ich weiß, dass sie ohne mich besser dran ist. Ich bin ein zu großes Wrack um mich um ihre Probleme kümmern zu können. Ich liebe sie zu sehr um zuzulassen, dass sie mit mir Unglücklich ist und sich wegen mir etwas antut.


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