Utha ist verdammt groß

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Zwei Tage später, fahren wir frisch verheiratet zurück und haben es schon bis auf Idaho geschafft, als die Krämpfe so stark werden, dass ich sie nicht mehr verheimlichen kann. Ich sage nichts und halte vorerst meinen Mund um niemanden zu beunruhigen. Es könnte sich ja schließlich wieder um einen Fehlalarm handeln. Doch als es nach zwei Stunden noch nicht besser wird, werde ich stutzig. Und richtig nervös macht mich Heftigkeit. Jason schaut mich von der Seite an, als ich laut die Luft aus meinen Lungen entweichen lasse. „Was ist los Babe", flüstert er besorgt. „Alles in Ordnung" lüge ich gepresst und unterdrücke den Schmerz. Aber das ist gar nicht so einfach. Ich rutsche mit meinem Hintern auf dem Sitz umher um eine bequeme Position zu erwischen. Doch kaum meine ich, eine gefunden zu haben, erweist es sich als Gegenteilig. „Du hast doch irgendwas", sagt Jason jetzt schon lauter. Brady dreht sich im Sitz um und beobachtet mich mit zusammengekniffenen Augen. Wenn ich die Schmerzen schon nicht vor Jason verheimlichen kann, habe ich bei ihm nicht den Hauch einer Chance. „Ich weiß nicht", stammle ich. „Seit einiger Zeit habe ich seltsame Krämpfe". Jason legt vorsichtig seine Hand auf meinen Bauch und erschrickt. „Dein Bauch ist steinhart. Wie lange hast du die Krämpfe schon". Ich keuche laut, weil ein dumpfer Schmerz meinen Unterleib malträtiert. „Seit Utah". Brady lacht nervös und schüttelt ungläubig seinen Kopf. „Utah ist verdammt groß".

„Gleich hinter der Staatsgrenze, hat es begonnen", erkläre ich und weiche Bradys tadelnden Blick aus. Jason atmet scharf und etwas empört ein. „Das war vor über zwei Stunden, hast du schon so lange Wehen". Ich nicke und konzentriere mich gleichzeitig auf den scharfen Schmerz in mir. Brady dreht sich wieder nach vorne und befielt seinem Bruder, dass er das nächste Krankenhaus ansteuern soll. Tom schaltet einen Gang runter und steigt ins Gas. Wir fliegen praktisch über die Interstate, aber ich habe keine Ahnung, ob nun die Zeit noch reicht, schnell das nächste Krankenhaus zu erreichen. Hier in der Gegend ist ja weit und breit überhaupt nichts. Warum habe ich nur so lange meinen Mund gehalten. Die Zeit läuft mir nun davon, das spüre ich fast zu deutlich in meinem Inneren. „Wo sind wir eigentlich", fragt Brady besorgt und versucht die Schilder neben der Straße zu lesen, soweit es in der Dämmerung und bei der hohen Geschwindigkeit des Wagens, möglich ist. „Keine Ahnung", sagt Tom nervös und durchsucht sein Navi. „Irgendwo hinter St. Anthony". Jason schnallt sich ab und lehnt sich zwischen Brady und Tom nach vorne. Er möchte sich offenbar selbst im Navi davon überzeugen, wo wir uns befinden. „Shit, da ist nirgends ein Krankenhaus eingezeichnet. Wo hast du das Navi denn gekauft". Tom wirkt sichtlich gereizt. „Das Navi war schon serienmäßig im Auto". Jason dreht sich erschrocken um, als ich einen stummen Schrei nicht mehr unterdrücken kann. „Mann fahr schneller", schreit er darauf hin Tom an. „Das bringt nichts", sagt Brady ruhig. „Wir müssen nicht rasen, dass ist viel zu gefährlich". Meine Atmung kann ich nicht unter Kontrolle bringen, so wie ich es im Kurs gelernt habe. Ohne Schmerzen ging das so einfach. Mit den Wehen, bin ich so gut wie machtlos. Dass Jason so durchdreht, macht es mir auch nicht einfacher. „Warum kannst du dich nicht einfach hinsetzen, und endlich still sein". Ich schreie ihn wie eine Furie an, doch das ist mir im Moment egal, es beruhigt mich sogar ein bisschen. Aber nur für den Moment, denn eine neue Wehe schnürt mir umgehend die Luft ab. „Mach bitte die Musik aus", flehe ich Tom atemlos an. Die Musik regt mich zusätzlich noch tierisch auf. „Das waren jetzt noch nicht einmal zwei Minuten", erklärt Brady leise. Jason starrt ihn an. „Was meinst du damit". Brady dreht sich langsam um und wirft erst mir, dann Jason einen besorgten Blick zu. „Die Abstände, zwischen den Wehen. Sie dauern kaum mehr zwei Minuten. Ich glaube, dass es das klügste ist, einen Krankenwagen zu rufen". Jason nickt zustimmend und Tom fährt wieder langsamer. „Am besten wartest du solange, bis ich weiß, aus welcher Richtung sie den Rettungswagen schicken, nicht dass du ihnen davon fährst". Der Wagen wird langsamer und Tom parkt kurzerhand auf dem Seitenstreifen. Aber das ist so gut wie egal, da sowieso niemand auf den Straßen ist. Ich kriege von dem Telefonat nicht viel mit, da ich schon wieder schwer atmend gegen meine Krämpfe arbeite. Dass der Arzt aber erst in etwa zwanzig Minuten eintrifft, verstehe ich dennoch. Jason ist auf seinem Sitz total ruhig geworden. Man könnte meinen, apathisch. Er starrt nur abwesend vor sich hin und murmelt wirres Zeug, das niemand weiter beachtet. Er hat einen Panikanfall, da bin ich mir ziemlich sicher. Tom ist ausgestiegen und zieht nervös an einer Zigarette. Brady telefoniert inzwischen mit meiner Ärztin aus Missoula, die bestimmt nicht gerade begeistert ist, mitten in der Nacht um halb zwei telefonische Beratung erteilen zu müssen. Er hat die Nummer aus meinem Pass für werdende Mütter, den ich ihm nach seiner Aufforderung vor ein paar Minuten aushändigte. Brady ist der einzige, der halbwegs bei klarem Verstand bleibt. Ich muss zugeben, er ist sogar ruhiger als ich. Nachdem Tom mit seiner Zigarette fertig ist, zündet er sich kurzerhand noch eine an. Für ihn ist das wohl das schlauste. Es ist schon komisch, wie man sich auf solche Sachen konzentriert, wenn man doch eigentlich gerade größeren Mist an der Backe hat. „Scheiße", fluche ich panisch und spüre, wie der Sitz unter mir feucht wird.


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