Kapitel 4 ❋ Unterricht

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Zu meiner Überraschung sah ich den Jungen, der mich herumgeführt hat, immer noch vor der Tür stehen. „Du bist ja immer noch hier", sagte ich.

Er lächelte, als er mich erblickte und kratzte sich am Kopf. „Ja... Sieht so aus, oder?" Ich musste kichern. „Hat nicht schon der Unterricht angefangen?" Er verzog sein Gesicht. „Mist, ja. Dann bin ich eben mal zu spät."

Ich musste vor mich hingrinsen. Er machte einen Eindruck, als wäre er normalerweise immer pünktlich und generell ein guter Schüler. Wieso hat er dann das Zuspätkommen in Kauf genommen? Etwa meinetwegen? Aber das wäre doch Unsinn, er kennt mich doch gar nicht.

„Was hast du denn jetzt?" „Wie bitte?", fragte ich verwirrt. „Welches Fach du als Erstes hast", sagte er und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

Wieder wurde ich rot. Diese Umgangssprache war mir noch nicht ganz bekannt.

Schnell blickte ich auf den Stundenplan. „Ähm, Englisch." „In welchem Raum?" „102."„Ich habe direkt gegenüber Unterricht. Wenn du willst, können wir zusammen dorthin gehen und ich zeige dir, wo das ist."

Ich nickte und wir machten uns schnellen Schrittes auf den Weg. Mit jedem Schritt wurde ich jedoch aufgeregter und nervöser. Worauf habe ich mich hier nur eingelassen? Wollte ich das wirklich durchziehen? Nach kurzem Überlegen war ich mir sicher. Ja, ich wollte.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als der Junge stehen blieb. „Hier ist Raum 102. Ich habe in 103 Unterricht." Er deutete auf die Tür hinter sich.

Ich wollte mich gerade bei ihm für das alles bedanken und mich verabschieden, da schlug er sich vor die Stirn und sagte schnell: „Ich bin so blöd! Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Beau."

Er kratzte sich am Kopf. „Und du?"„Ich bin Daph... ähm, Lemony", antwortete ich.

Beau sah mich kurz verwirrt an, lächelte dann aber. „Lemony? Das ist aber... ein außergewöhnlicher Name." „Ich weiß", sagte ich nur und nickte nebenbei. Wie bescheuert. Und fast hätte ich mich verraten! Ich muss in Zukunft besser aufpassen.

„Also gut, wir sollten vielleicht zum Unterricht. Es war schön, dich kennengelernt zu haben, Lemony." „Die Freude ist ganz auf meiner Seite", sagte ich und bereute es sofort. Beau hob seine Augenbraue und kicherte vor sich hin. Anscheinend sagte man hier so etwas nicht...

Er sah mich noch kurz an, dann verabschiedete er sich von mir und er betrat seinen Klassenraum. Ich musste mir dieses höfliche Reden jetzt dringend abgewöhnen, ansonsten werden mich alle so verwirrt ansehen und mein Geheimnis ist schneller raus, als ich hierher gekommen bin.

Dann fiel mir aber ein, dass ich selber jetzt zum Unterricht musste. Nervös legte ich meine Hand auf die Türklinke. Wieso hatte ich solche Angst, diesen Raum zu betreten? Als ob dort plötzlich meine Eltern stehen würden und mir für immer Hausarrest geben würden. Nicht, dass ich sowieso mein ganzes Leben auf Castelaria verbracht habe oder so.

Als ich mich dann entschlossen habe, die Tür zu öffnen, wurde diese jedoch gewaltsam aufgerissen und ich machte erschrocken einen Satz nach hinten. Ebenfalls erschrocken sah mich ein Mädchen an, welches schwarze lange Haare hatte und... naja, wie sollte man das sagen, einfach nur rundum perfekt aussah.

Ihre Miene verzog sich und mir fiel sofort auf, dass sie etwas Arrogantes an sich hatte. Ohne ein Wort zu sagen, ohne die kleinste Entschuldigung rauschte sie an mir vorbei und rempelte mich unterwegs auch noch an.

Empört sah ich ihr hinterher, bis ich merkte, dass die Tür zum Klassenzimmer immer noch sperrangelweit aufstand und alle mich ansahen. Verlegen lächelte ich und schritt langsam hinein.

Ich schloss die Tür sorgsam hinter mir und versuchte zunächst, die aufdringlichen Blicke der anwesenden Schüler zu ignorieren.

Irgendwie war mir die ganze Situation ziemlich peinlich, obwohl eigentlich ja gar nichts passiert ist. Ich bewegte mich auf die Lehrerin zu, die mich auch schon die ganze Zeit betrachtete. „Und wer bist du, wenn ich fragen darf?", fragte sie streng und ich wünschte, ich wäre nicht zu spät gekommen.

„Ähm... Ich bin Lemony... Ich bin die neue Schülerin", sagte ich schließlich. Die Lehrerin beäugte mich kurz, dann lächelte sie doch und ich war sehr erleichtert. „Ist das dein erster Tag hier?" Ich nickte. „Schön, willkommen bei uns... Lemony. Ich bin Mrs. Edwards. Bitte nimm doch Platz."

Mrs. Edwards deutete mit ihrer Hand irgendwo hinter mich und dann wirbelte ich herum und traf auf die Blicke von ungefähr dreißig Schülern.

Ich schluckte und bahnte mir meinen Weg nach ganz hinten zu dem einzigen freien Platz, auf dem offensichtlich keiner sitzen wollte. Ich spürte, wie dreißig Augenpaare mir folgten und fühlte mich so unbehaglich, wie schon lange nicht mehr.

Ich hörte, wie einige tuschelten und auch kicherten, aber als ich mich hinsetzte, ging der Unterricht sofort weiter und alle sahen nach vorne. Erleichtert konnte ich ein wenig aufatmen. Ich sah mich um. So sah es also in einem Klassenraum aus...

Schon wieder wurde mein Gedankengang gewaltsam unterbrochen, als wenige Momente später das Mädchen von eben wieder hinein kam. Ich verdrehte meine Augen. Ich hätte mir ja denken können, dass sie hier ebenfalls Unterricht hatte.

Unsere Blicke trafen sich, und auf einmal wurde mir sehr kalt. Ich zuckte zusammen. Was zum Teufel war das? Ihre Augen waren kalt. Ihr Blick zu mir war kalt. Was hatte ich ihr getan? Ich wusste jetzt schon, dass ich sie nie mögen würde.

Aber nun widmete ich meine volle Aufmerksamkeit Mrs. Edwards, die uns gerade etwas über Shakespeare erzählte. Ich lächelte. Ich liebte seine Werke, in meinem Privatunterricht haben ich und mein Lehrer viel über ihn gesprochen.

„Wer kennt denn ein Stück von William Shakespeare?", fragte Mrs. Edwards schließlich in die Runde.

Keine Hand ging hoch. War das deren Ernst? Ich sah mich um. Alle schienen gelangweilt, manche malten auf den Tischen herum, einige andere benutzten ein kleines, merkwürdiges Gerät, auf dem sie die ganze Zeit herumtippten. Ich konnte nicht so genau erkennen, was es war.

Unsere Englischlehrerin fing an zu seufzen, und dann schnellte meine Hand in die Höhe. „Ja, Lemony?", sagte sie lächelnd. Wieder drehten sich alle zu mir um. „'Romeo und Julia'. Ein wunderschönes Stück. Ich mag 'Ein Sommernachtstraum' aber auch sehr gerne. Oder 'Hamlet'. Und 'Macbeth'!"

Ich wollte gar nicht mehr aufhören zu reden! Mrs. Edwards sah mich leicht schockiert an, lächelte und nickte aber. „Sehr gut, danke, Lemony. Es freut mich, dass diese Stücke dir so gut gefallen. Heute reden wir nämlich über 'Hamlet'..."

Sie begann etwas an die Tafel zu schreiben, was sich alle dann auch notierten. Natürlich nachdem mich alle verwundert und auch irgendwie erschrocken angesehen haben.

Mir fiel auf, dass ich ja gar nichts bei mir hatte. Keinen Stift, noch nicht mal ein Stück Papier. Und ich wollte gerade auch Niemanden fragen, nachdem ich schon genug Aufmerksamkeit erregt habe.

Also blieb ich bis zum Ende des Unterrichts still auf meinem Platz sitzen und war erleichtert, dass mich niemand mehr großartig beachtete.

❋ ❋ ❋

Das Abenteuer beginnt :)

Was meint ihr, wer könnte dieses Mädchen sein, dass so unfreundlich reagiert hat? Findet ihr es auch nicht echt süß, dass Beau so hilfsbereit ist, obwohl er Lemony nicht kennt? ^-^

Ich hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen ♥


Lemony ❋ Die Highschool PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt