Kapitel 12 ❋ Amelia, die Dramaqueen

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„Seit wann sitzt du denn hier?", hörte ich Amelia aufstöhnen und wusste sofort, dass ich damit gemeint war. Ich ließ mich nicht einschüchtern und hielt ihrem kalten Blick stand, ohne etwas zu erwidern, womit ich mich auf ihr Niveau hinunterbegeben würde. 

„Es reicht ja nicht, dass dieses andere Bauerntrampel hier sitzen muss, nein, jetzt kommt noch ein Zweites dazu." Sie verdrehte ihre Augen und wandte sich wieder weg von mir. Ich runzelte die Stirn. 

„Wie gesagt, ignoriere sie. So etwas muss ich mir jeden Tag anhören", raunte Skylar. Ich wusste nicht, was ein Bauerntrampel war, aber ich vermutete, dass es nichts Positives war. Zum Glück sollten wir nun Aufgaben erledigen und es wurde mucksmäuschenstill im Klassenraum.

Ich starrte auf das Aufgabenblatt, dass wir ausgeteilt bekommen haben. Bevor ich mir auch nur einen Satz durchlesen konnte, hörte ich es wieder von links zischen: „Oh Gott, woher soll man so einen Scheiß bitte wissen? Luke, hilf mir!

Ich biss mir auf die Lippe. Wenn es so weiter geht, setze ich mich nach ganz vorne. Tut mir Leid, Skylar, aber lange werde ich das wohl nicht durchhalten können. Ich nahm mir die Zeit und sah die Aufgaben durch. Es ging um die Knochen im menschlichen Körper und als ich das Schulbuch aufschlug, wurde mir alles klar. 

Die Aufgaben waren mit ein bisschen lesen im Buch sehr einfach zu bearbeiten, ich konnte das Drama das Amelia veranstaltete, nicht verstehen. „Du hast noch nicht einmal das Buch aufgeschlagen, Amelia", flüsterte Luke und ich gab ihm im Stillen recht. Sie ging mir tierisch auf die Nerven. 

„Ich habe keinen Bock, den Scheiß zu lesen. Mach du die Aufgaben und ich schreibe sie dann ab." „Aber du wurdest doch gerade erst beim Abschreiben erwischt-" „Verdammt noch mal, halt die Klappe und mach die Aufgaben!", zischte Amelia und ich sah Skylar wieder mal erschrocken an. 

Jetzt ging sie zu weit. Am liebsten hätte ich etwas gesagt, aber ich wollte mich überhaupt nicht einmischen. Es wurde wieder still und ich konnte in Ruhe die Aufgaben bearbeiten. Irgendwann merkte ich dann, wie Amelia die Aufgaben von Luke abschrieb und ärgerte mich zutiefst, dass Mrs. Cotton sehr beschäftigt ein Biologiebuch am Pult las und sich nicht um sie kümmerte. 

Nach zehn Minuten war die Bearbeitungszeit um und ein Grinsen huschte über Amelias Gesicht. „Wer will seine Lösung vortragen?", hörte ich es von der Lehrerin. Keine Freiwilligen. Was sonst? Gestern war es auch nicht anders gewesen. Also Unterricht habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. Nicht so einseitig. 

Um Mrs. Cotton zu erleichtern, meldete ich mich. „Ah, unsere neue Schülerin. Was hast du zur ersten Aufgabe geschrieben?" Ich räusperte mich und sagte: „Der menschliche Körper besteht aus circa 212 Knochen. Dabei gehören etwa 33 zur Wirbelsäule. Die Wirbelsäule selbst hat sieben Halswirbel, zwölf Brustwirbel, fünf Lendenwirbel, das Kreuzbein und das Steißbein..." 

Ich erzählte noch ein bisschen, bis Mrs. Cotton mir freundlich zunickte. „Sehr ordentlich, danke. Wer möchte die zweite Aufgabe vortragen?" Als ich hätte das Gesagte von mir etwas ausgelöst, meldeten sich nun ein Dutzend Schüler. Auch Mrs. Cotton zeigte sich überrascht, die gar nicht wusste, wen sie nun drannehmen sollte. 

„Du kannst aber auch wirklich alles, oder?", flüsterte Skylar mir zu. „Naja. Ich interessiere mich einfach für viel. Und dieses Thema hat mir im Privatunterricht sehr gut gefallen. Es ist einfach interessant", gab ich zu und erntete einen entsetzten Blick. 

„Das Thema hat dir gefallen? Warum? Es ist doch stinklangweilig." Ich zuckte die Schultern und spürte plötzlich Blicke auf mir. Dadurch, dass Amelia sich über den Tisch beugte und so aussah, als würde sie jeden Moment einschlafen, begegnete ich Lukes Blick. 

Er lächelte mich an und sah irgendwie erstaunt aus. War er beeindruckt von meinem Wissen? So ein Quatsch, ich habe das ja alles aus dem Buch. Ich bildete mir wieder Dinge ein. Vielleicht war er ja auch gar nicht erstaunt, sondern meinte dies sarkastisch. 

Wenn man mit so einer Person wie Amelia zusammen ist, musste man genauso schlimm sein wie sie. Dieser Meinung war ich und deshalb drehte ich mich auch schnell wieder um. Mit den beiden wollte ich nicht unbedingt etwas zu tun haben, egal, wie sie mich auch ansehen mögen.

Ich stellte fest, dass die Lehrerin etwas an die Tafel schrieb, was ich heute endlich auch abschreiben konnte. Skylar hatte bereits einen etwas dickeren Ordner voller Biologiesachen. Ich merkte mir vor, durch ihre Schulsachen zu stöbern, um mich etwas besser mit dem Stoff auseinanderzusetzen. 

Ich freute mich, dass man in der Schule dasselbe lernt, was ich auch gelernt habe. Wieso es hier jedoch später passiert, war mir unklar. Aber gleichzeitig war das nur zu meinem Vorteil. Ich mochte es, neue Dinge zu erfahren. Und wenn ich mir so die Anwesenden im Klassenraum ansah, war ich fast die Einzige, die so dachte. Mit Ausnahme von Skylar natürlich, die auch eifrig zur Sache ging. 

Als der Unterricht vorbei war, ging es für mich weiter zu Englisch, was mich sehr freute. Jedoch war auch hier Amelia wieder dabei und ich erinnerte mich an unsere unglückliche Begegnung gestern. 

„Mrs. Edwards, werden wir heute über etwas anderes reden als Shakespeare?", fragte Amelia schon, kaum hatte unsere Lehrerin einen Fuß in den Raum gesetzt. Ein Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, als sie antwortete: „Tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber nein, Amelia. Shakespeare wird für die nächsten paar Stunden unser Thema sein, du musst dich wohl damit abfinden." 

„Aber es ist soo langweilig!", kam aus ihrem Mund und ich konnte gar nicht glauben, dass sie das soeben gesagt hat. Erwartungsvoll sahen ich und alle anderen Schüler Mrs. Edwards an. Es war totenstill im Raum und der Unterricht hat noch nicht einmal begonnen. 

Alle blickten unglaubwürdig von Amelia zu Mrs. Edwards und zurück. Die Englischlehrerin sah das alles mit einem amüsierten Blick und sagte schließlich: „Siehst du wie still es geworden ist, Amelia? Und das alles nur, weil du wieder einmal die Dramaqueen spielen musst. Wie so oft." 

Gekicher brach im Raum aus, dass sich in kurzer Zeit zu lautem Gelächter entwickelte. Von überall hörte ich „Dramaqueen" und auch ich musste grinsen. Amelia zeigte sich jedoch unbeeindruckt und lehnte sich an ihrem Platz zurück. 

Ihr Selbstbewusstsein war zu groß, als sie so etwas fertig machen könnte. Trotzdem genoss ich die Tatsache, dass der ganze Raum sie gerade auslachte. „Jetzt ist aber Schluss! Ich möchte gerne mit dem Unterricht beginnen", sagte Mrs. Edwards und es wurde augenblicklich leise. 

Ich realisierte, dass alle sie zu respektieren schienen und ich wusste, dass sie mit Sicherheit meine Lieblingslehrerin war. Ich mochte sie einfach. Und dass sie Amelia eins ausgewischen ist, macht sie nur noch sympathischer. Grinsend kramte ich meine Sachen heraus und freute mich auf den Englischunterricht.


❋ ❋ ❋

Schon wieder langweiliger Unterricht, was? Ich verspreche aber, dass es ab jetzt schon etwas Spannender wird ;)

Und ja, ich habe wegen den Knochen extra bei Wikipedia nachgeschaut hahah. Was man nicht alles für seine Story tut! :D

Ich hoffe, das Kapitel gefällt euch ♥

- nici




Lemony ❋ Die Highschool PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt