Die Stimmung in der letzten Woche blieb angespannt. Daniela und ich mieden uns so gut es ging und ich war nicht einen Millimeter bereit nachzugeben.
Es war Samstagmorgen und ich saß mit schweren Augen am Esstisch, als die Tür knarrend auf ging und ich Daniela genervt aufstöhnen hörte. Sie ging zu unserer kleinen Küchenzeile und griff nach dem Kaffeepulver. Mich ignorierte sie dabei geflissentlich.
„Anna, möchtest du auch einen Kaffee oder soll ich dir lieber einen Tee kochen?", rief sie. Ich schüttete auf Grund ihres kindischen Verhaltens den Kopf. Anna kam in die Küche und setzte sich mir gegenüber.
„Danke, Dany, aber ich habe keinen Durst", sagte sie schlicht und begann mich mit ihrem Blick zu durchbohren. Sprich doch endlich mit ihr, sollte es wohl heißen.
Ich presste meine Lippen zusammen und schüttelte den Kopf, danach fixierte ich erneut meinen Kaffee.
Ich hörte, wie Daniela sich neben mich setzte. „Anna, du musst mich heute unbedingt zum Frisör begleiten, oh, und danach können wir zur Maniküre gehen und heute Abend ins Kino. Ich habe schon so lange keinen beste Freundinnen-Tag gemacht."Überrascht schaute ich auf. Beste Freundinnen? Hatte ich etwas verpasst?
„Du, Dany, dass hört sich alle schön und gut an, aber ich habe Jean schon versprochen mit ihr nach London zu fahren und ..."
Ich unterbrach sie harsch: „Nein, nein, mach du ruhig etwas mit deiner besten Freundin. Ich habe eh schon etwas anders vor."
„Super", rief Daniela enthusiastisch und schenkte mir ein falsches Lächeln. „Du bist wirklich ein Schatz, Jean."Fassungslos schaute ich sie an, bevor ich abrupt aufstand. Ich hörte, wie Anna verzweifelt meinen Namen rief, doch in diesem Moment fiel die Haustür ins Schloss und ich rannte die Stufen des Treppenhauses herunter.
Ich wollte nur noch weg. Ich lief blind durch die Gegend und achtete nicht mehr auf meine Umwelt.
Wieso tat Daniela das? Was hatte ich ihr getan? Ich war immer freundlich zu ihr und wir hatten in den eineinhalb Jahren noch nie einen ernstzunehmenden Streit.
Ich spürte, wie ich gleichzeitig wütend und verzweifelt wurde. Wütend, wegen Daniela und verzweifelt, weil ich mir wenigstens von Anna Unterstützung erhofft hatte.
Anna war immer das weiße Band zwischen Danielas und meinem Gemüt. Ich schluckte und dachte bitter, dass man seiner beste Freundin auch nicht für eine andere Freundin in den Rücken fiel. Anna war auch nicht anders als Harry.Ich fuhr mir durch die Haare, als ich plötzlich von einem zupackendem Arm zur Seite gerissen wurde. Überrascht schrie ich auf und blickte hektisch nach vorne. Ich stand direkt vor einer dicht befahrenen Straße.
Mein Herz raste und ich konnte fühlen, wie mein Blut durch die Adern rauschte. Ich blickte zu meinem Retter und musste prompt das Gesicht verziehen.
„Malfoy", sagte ich geschockt.
„Granger", antwortete Draco atemlos und ließ meinen Arm los. „Fast hätte ich es nicht mehr geschafft."
„Du ... du hast gesehen, dass ich auf die Straße rennen wollte?"
„Wie bitte, du wolltest auf die Straße rennen?"
„Oh Gott, nein", rief ich und schüttelte wild den Kopf. Was redete ich denn für wirres Zeug?
„Dann ist es ja gut", erwiderte Draco und beäugte mich kritisch. „Du siehst gar nicht gut aus. Hast du einen Schock?"
Ich kratzte mich verlegen am Kopf. Ehrlich gesagt, schockte es mich minder fast auf eine Hauptstraße gelaufen zu sein, als Draco schon wieder zu begegnen.
Nachdem ich überstürzt Antonios Pizzeria verlassen hatte, habe ich gehofft ihn vorläufig, oder vorzugsweise nie wieder, zu sehen.
„Ich denke nicht", gestand ich wenig später kleinlaut. Ich haderte mit mir, ob ich ihm danken sollte.
„Na dann", sagte er und sah etwas verloren aus.
„Na dann", wiederholte ich und steckte meine Hände in meine Hosentaschen. Ich wollte an ihm vorbei gehen, als meine Beine plötzlich weich wurden. Ich geriet ins Wanken und stolperte prompt in Draco. Dieser schloss haltsuchend seine Arme um meinen Oberkörper und ich befand mich gefährlich nah an seinem Körper. Ein beklemmendes Gefühl stieg in mir auf und ich räusperte mich.
„Entschuldigung", haspelte Draco schnell und ließ mich los. Er räusperte sich ebenfalls und sagte: „Es wäre verantwortungslos dich in diesem Zustand alleine durch Greenwich laufen zu lassen. Komm, ich kenne ein gutes Café ganz in der Nähe."Ich protestierte, doch ich fühlte mich wirklich nicht gut und so ließ ich mich schnell überstimmen.
Himmel, dachte ich mir, hätte ich mir vor ein paar Jahren sagen lassen, ich würde Draco Malfoy freiwillig in ein Café folgen, hätte ich diese Person ins Mungos einliefern lassen.
Es hat sich viel verändert, stellte ich seufzend fest. Augenblicklich drehte sich Draco um und musterte mich. „Geht es?"
„Hm", brummte ich und folgte ihm in das kleine Café. Es war beinahe leer und wir konnten uns ein nettes Plätzchen am Fenster sichern.„Was möchtest du?", fragte Draco und studierte stirnrunzelnd die Karte. Ich erwischte mich dabei, wie ich ihn heimlich musterte. Schnell schaute ich weg, kam aber nicht umhin zuzugeben, dass er gutaussah. Sofort schämte ich mich für diesen Gedanken und richtete meinen Blick schleunigst auf die Karte.
„Einen Tee", bat ich und hörte, wie Draco zu lachen anfing.
„Also Granger, etwas präziser müsstest du dich schon ausdrücken. Zehn Punkte Abzug für Gryffindor."
Ich biss mir auf meine Lippe. Mir gefiel es nicht, dass er mich ständig an meine Vergangenheit erinnerte.
„Lass es gut sein, bitte", entschlüpfe es mir. Überrascht sah mich mein Gegenüber an.
„Was ist denn los, Granger? „ Er machte eine kurze Pause, dann setzte er bedacht und mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht hinterher: „Oder soll ich dich lieber Jean nennen?"
Gequält lehnte ich mich gegen den Stuhl. „Können wir über etwas anderes reden?"
Draco verzog sein Gesicht. Er schien zu überlegen. „Nein, eigentlich können wir das nicht. Ich möchte wissen, wieso du dich in diesem kleine Loch verkriechst." Er machte eine kleine Pause und biss sich auf seine Unterlippe. Er schien mit sich zu hadern, ob er etwas hinzufügen sollte, schließlich sagte er: „In der ersten Zeit hat dich die Zauberwelt ziemlich vermisst. Inzwischen hat es sich wohl gelegt."
Ich überhörte seine letzte Bemerkung, auch wenn sie ein altbekanntes Ziehen in meiner Brust auslöste und antwortete bissig: „Ich wüsste nicht, warum ich ausgerechnet dir darauf antworten sollte, Malfoy."Er seufzte schwer und fuhr durch seine Haare. „Warum glaubst du mir nicht? Ich habe mich geändert. Der Krieg ist an niemanden spurlos vorbei gegangen. An niemandem", er stockte und fügte leise, kaum hörbar, hinzu. „Und besonders nicht an mir."
Ich stieß prustend die Luft aus. „Genau, Malfoy, ich werde dir das jetzt einfach mal blind glauben. Ich meine, wieso sollte ich auch nicht? Du hast mir doch keine Gründe geliefert, warum ich dir misstrauen sollte."
Spöttisch verzog ich meinen Mund und beobachtete ihn. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und seine Hand krampfte sich um ein Teelicht, das vor ihm auf dem Tisch stand.
„Das ist die Vergangenheit. Ich dachte du wärst schlau genug um das zu akzeptieren. Aber ich habe mich wohl in dir getäuscht. Entschuldige meine Dummheit."
Langsam wurde ich wütend. „Selbstmitleid steht dir nicht, Malfoy. Das ist nicht dein Stil."
„Ach", antwortete er auf einmal verächtlich. „Und du weißt was mein Stil ist?"
„Natürlich nicht", erwiderte ich scharf. „Ich weiß auch gar nicht, warum ich meine Zeit mit dir verschwende."„Vielleicht, weil ich dir dein erbärmliches Leben gerettet habe."
Ich schnappte nach Luft und sprang auf. „Da siehst du es. Du hast dich kein Stück geändert. Du bist und bleibst ein Widerling. Und ich bin es leid deinen Launen ausgesetzt zu sein. Ich habe es sechs Jahre ertragen und nun halte ich es keinen Tag länger aus."
„Granger, jetzt mach mal halblang", schnarrte Draco, selbstgefällig wie immer. „Ich wollte dich nur aus der Reserve locken."
„Ich fasse es nicht." Und doch ließ ich mich wieder fallen.„Bitte, glaub mir und nimm meine Entschuldigung an." Er durchbohrte mich mit seinen stahlgrauen Augen und ich musste einiges an Überwindung aufbringen, um mich von ihnen loszureißen.
Ich schnaubte bloß auf, weil ich nicht wusste wie ich antworten sollte. Ich konnte ihm nicht trauen, anderseits hat er mir mein Leben gerettet, aber er hat es mir auch sechs Jahre zur Hölle gemacht. Da war etwas Wiedergutmachung schon angebracht.
„Lass es mich dir beweisen", flehte er.
„Wieso solltest du das wollen?", hakte ich nach.
„Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit, Granger." Angesichts seines verzweifelten Gesichtsausdrucks konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
„Wo wohnst du?", fragte Draco plötzlich. Überrumpelt sah ich ihn an. „Wieso möchtest du das wissen?"
„Ich werde morgen zu dir kommen", antwortete er schlicht und sich mich mit funkelnden Augen an. Ich fühlte mich in die Ecke gedrängt. „Ich weiß nicht, Malfoy."
„Wir können uns auch in der Pizzeria treffen, wenn es dir lieber ist", warf er ein. Sofort schüttelte ich den Kopf. das letzte Mal spukte noch zu lebhaft in meinem Kopf herum.
„Ich sehe schon, dass du es nicht möchtest. Und da es ja viel zu gefährlich wäre, sich bei dem bösen Malfoy zu treffen schlage ich vor, dass wir zu dir gehen."
Mir war zwar nicht wohl bei der Sache und ich hatte die Vergangenheit noch nicht vergessen, aber dieser junge Mann hatte nichts mehr mit dem Slytherin zu tun, den ich kannte.Warum sollte ich es nicht wagen? Notfalls kann ich ihn immer noch vor die Tür setzten.
Mit diesem Gedanken und einem Lächeln im Gesicht, gab ich ihm meine Adresse.
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Reue
FanfictionHermine Granger baut sich abseits der Zauberwelt ein neues Leben auf. Ein verhängnisvoller Geburtstag reißt jedoch alte Wunden auf und ehe Hermine weiß was mit ihr geschieht, befindet sie sich in einem Geflecht aus Lügen und Intrigen. Und als wäre d...