„Jean!" Atemlos erreichte Anna mein Zimmer, schlug die Tür zu und hielt mir einen kleinen Zettel entgegen.
„Was ist das?", fragte ich verschlafen und rieb mir die Augen. Mein Blick wanderte zu meinem Wecker. Geschockt fuhr ich hoch und schmiss die Decke zur Seite. „Es ist ja schon dreizehn Uhr! Wieso weckt mich denn keiner?" Ohne Anna zu beachten, schlüpfte ich aus meinem Pyjama und riss eine Hose aus meinem Schrank, sowie einen praktischen Kapuzenpullover. Einbeinig hüpfte ich durch mein Zimmer und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Anna immer noch mit dem Zettel in der Hand vor mir stand und mich mit hochgezogenen Augenbrauen musterte.
„Dany zieht für einige Wochen zu einer Freundin." Mein Körper erstarrte mitten in der Bewegung und ich geriet ins Straucheln, doch Anna griff geistesgegenwärtig nach meinem Arm und hielt mich fest.
„Bitte was? Ich muss mich verhört haben", rief ich ratlos und zog schnell die Hose hoch. Dann riss ich Anna den Zettel aus der Hand und überflog ihn.
„Wo hast du den her?", wollte ich schließlich misstrauisch wissen. Anna bedachte mich mit einem wissenden Blick und sagte: „Er lag auf dem Küchentisch. Sie muss gegangen sein, nachdem ich zur Uni ging."
Kopfschüttelnd fuhr ich mir über die Augen. „Hast du schon in ihrem Zimmer geguckt, ob etwas fehlt?"
„Natürlich nicht. Ich kam direkt zu dir."
„Dann komm", meinte ich und griff nach ihrem Arm. Aufgeregt betraten wir ihr Zimmer und ich spürte, wie mein Herz zu rasen begann und meine Hand vor Aufregung zitterte. Die Hoffnung, dass Daniela wirklich gegangen war, war so hoch, dass ich Angst hatte, dass es doch nur ein morbider Scherz war.Doch es war kein Scherz. Ihre Sporttasche fehlte, sowie diverse Kleidungsstücke und ihre Lernutensilien.
„Es ist wirklich war!", seufzte ich glücklich und fiel Anna spontan um den Hals. Ein dämliches Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus und ich verspürte das dringende Bedürfnis wild zu tanzen.
Ich griff nach Annas Armen und schlenkerte damit herum. Sie sah mich überrascht an. Begriff aber, dass mir durch ihre Abwesenheit eine große Last von den Schultern genommen wurde. Anna kannte zwar nur die halbe Wahrheit, denn wenn sie gewusst hätte, dass hinter meinem euphorischen Ausbruch mehr steckte, als einfache Freude darüber, ihr nach unserem Disput nicht ständig unter die Augen treten zu müssen, wäre sie mit mir zusammen durch die Wohnung getanzt.
Denn ihr Verschwinden bedeutete gleichermaßen, dass ich in Ruhe in ihrem Zimmer nach Hinweisen auf ihre wahre Herkunft suchen konnte, aber gleichermaßen auch, dass ich mich nicht darum sorgen musste, dass sie mein gutgehütetes Geheimnis verriet.
Tausend Steine fielen mir vom Herzen und ich fühlte mich trunken vor Erleichterung.„Jean, jetzt beruhig dich doch", lachte Anna und legte mir ihre Arme auf die Schultern und drückte mich sanft nach unten. Ich atmete tief durch und lächelte verlegen.
„Entschuldigung, Anna, aber versteh doch, was es für mich bedeutet. Es ist einfach wunderbar!" Ich strahlte sie an und huschte unter ihren Händen hindurch. „Es war ein Zeichen des Schicksals und jetzt ... jetzt muss ich sofort zu Draco und dieses Missgeschick aufklären!"Dieser spontane Entschluss erfüllte mein Herz mit neuer Freude. Ich stürmte an Anna vorbei, griff mir im gehen meinen Schlüssel und meinen Mantel und schlüpfte in meine Schuhe.
„Bis später!", rief ich laut und schlug die Tür zu. Mit flinken Schritten hüpfte ich die Stufen hinunter und pfiff fröhlich ein Lied. Ein Lachen quoll tief aus meinem Bauch an die Oberfläche und ich drehte mich einmal mit erhobenen Händen um mich selbst.
Sogar die Kälte konnte mir heute nichts anhaben, denn in meinen Gedanken war kein Platz für Gedanken, die nicht mit Draco zu tun hatten.
Mein Herz erwärmte sich bei dem Gedanken an ihn und ich spürte, wie ich wie ein verliebter Teenager treudoof zu grinsen begann
Ich kicherte und bewegte mich leichtfüßig durch die grimmig aussehende Menschenmasse.Die Tatsache, dass ich die Strecke zu Dracos Wohnung mittlerweile im Schlaf kannte, erleichterte meinen Weg um ein Vielfaches, da ich nicht in der Lage war, mich auf den Straßenverlauf zu konzentrieren.
Je näher ich jedoch dem Wohnhaus kam, desto langsamer wurden meine Schritte und mein Verstand durchbrach meinen Glücksrausch. Konnte ich Draco wirklich unter die Augen treten? Siedeheiß fiel mir ein, dass ich komplett ungeschminkt war und meine ältesten Sachen trug.
Ich versuchte mich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass Draco mich nicht das erste Mal ungeschminkt sah und schon daran gewöhnt war, dass ich lieber weite Pullover und ausgefranste Hosen trug, als superenge Modelle, in die ich mich mit Müh und Not reinquetschte, doch auch das half nichts.
Eine unangenehme Anspannung überfiel meinen Körper und ich zog unbewusst meine Schultern zusammen und duckte mich. Zögernd streckte ich schließlich eine Hand nach der Klingel aus und drückte vorsichtig den Knopf.
Eine Zeitlang regte sich nichts und ich war schon im Begriff, ein zweites Mal zu klingeln, als das vertraute Surren ertönte. Schwerfällig drückte ich die Tür auf und ging mit zittrigen Beinen die Stufen nach oben.
Meine Euphorie war genauso schnell verschwunden, wie sie gekommen war und der Gedanke, umzudrehen und zu verschwinden, erschien mir immer verlockender.
Ich musste mich schon streng zur Raison rufen, damit ich den Gedanken nicht in die Realität umsetzte und stattdessen Draco gegenübertrat.Dieser lehnte lässig in seinem Türrahmen und verzog kaum die Miene, als er mich erblickte. Diese gleichgültige Geste wirkte so verunsichert, dass ich einen Moment Angst hatte, den Boden unter meinen Füßen zu verlieren. Schnell griff ich nach dem Geländer und klammerte mich daran fest.
Schwach lächelte ich und murmelte: „Hallo, Draco."
Er antwortete nicht, doch er wies mich auch nicht ab. Er zog eine Augenbraue hoch und verschwand im Inneren seiner modernen Wohnung.
Er schloss die Tür nicht und ich sah das als eine stumme Einladung an, ihm zu folgen. Mit kleinen Schritten schlich ich ihm hinterher und fühlte mich wie ein reumütiger Hund.Draco saß auf seinem Sofa und sah mich abweisend und zugleich neugierig an. Sein scharfer Blick musterte mich und blieb an meiner Kleidung hängen. Ich schluckte schwer und errötete, als ich bemerkte, dass er wie immer ein teures Hemd und eine elegante Hose trug.
„Darf ich mich setzten?", krächzte ich. Schnell räusperte ich mich und spürte, wie sich das Rot meiner Wangen intensivierte.
„Natürlich darfst du das", erwiderte er herausfordernd und rutschte demonstrativ an das andere Ende des Sofas und blickte auf den freien Platz neben sich.
Verunsichert schwankte mein Blick zwischen dem freien Sessel und dem Platz neben Draco hin und her. Dass er mich provozieren wollte war mir von Anfang an bewusst und mein Stolz konnte es nicht zulassen, dass er gewann.
Deswegen schluckte ich für einen Moment meine Bedenken hinunter und setzte mich neben ihn. Doch damit war mein Mut wieder verschwunden und ich starrte wie ein stummer Fisch auf meine Hände. Dracos Blick ruhte auf mir und ich kam nicht umhin, mich unwohl zu fühlen.Schließlich sah ich auf und öffnete meinen Mund, doch ich brachte keinen Ton heraus. Ich sah wieder hinunter und fiel resigniert in mir zusammen. Meine Augen begannen zu brennen und ich tat alles, um die sich anbahnenden Tränen zurückzuhalten.
Ich räusperte mich erneut und begann zu haspeln: „Draco,estutmirsoleid.Ichwolltedichnichtverletzten,aberichdachtewirklich,duwärstmitDanielazusammenund..." Ich hielt inne und holte Luft. Ich wollte schon weitersprechen, da unterbrach Draco mich: „Bei Merlin, Granger, ich habe kein Wort verstanden."
„Ich weiß ... entschuldige", gab ich kleinlaut zurück und schielte zu ihm. Überraschender Weise grinste er amüsiert. Ich fasste neuen Mund und stellte mich seinem Blick.
„Ich wollte nur sagen, dass es mir unglaublich Leid tut und ich jetzt erst bemerkt habe, was ich für ein Idiot war. Ich hätte dir viel früher glauben müssen, doch ich war so davon überzeug, du wärst mit Daniela zusammen, dass ich für nichts anders Gedanken hatte. Es tut mir so schrecklich leid und ich weiß nicht, wie ich es wieder gut machen kann, denn jetzt wo ich bemerkt habe, dass ... also, dass ich mich ..." Ich brach ab und schellte mich dafür, nicht genug Mumm zu haben, ihm meine Gefühle zugestehen. Ich setzte erneut an, wurde aber abrupt durch ein Plop unterbrochen.Eine dunkelhaarige Frau erschien schluchzend im Raum. Ich sog scharf die Luft ein. Dieses hysterische Wimmern und das mopsartige Gesicht waren unverkennbar.
„Pansy", rief Draco überrascht aus und sprang auf.
„Oh, Draco", kreischte sie und nahm nicht einmal Notiz von mir. Draco trat behutsam auf die bebende Frau zu und nahm sie sachte in den Arm. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
„Draco ...", meldete ich mich leise zu Wort. Er blickte mich über Parkinsons Schulter an und deutete mit dem Kinn zur Tür.
Ungläubig starrte ich ihn an.
„Jetzt", formte er mit seinen Lippen und wandte sich wieder dem schluchzenden Häufchen in seinen Armen zu.Ohne darüber nachzudenken, stand ich auf und ging ohne mich noch einmal umzudrehen aus der Wohnung und knallte die Tür hinter mir zu. Dann rutschte ich an eben dieser herunter und brach in ein heilloses Schluchzten aus.
Pansy ist da - das schreit gerade zu nach Drama, aber ich hoffe, ihr freut euch darauf :D
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Reue
FanfictionHermine Granger baut sich abseits der Zauberwelt ein neues Leben auf. Ein verhängnisvoller Geburtstag reißt jedoch alte Wunden auf und ehe Hermine weiß was mit ihr geschieht, befindet sie sich in einem Geflecht aus Lügen und Intrigen. Und als wäre d...