Schon wieder Pansy

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Am nächsten Tag hatte ich nicht einmal Zeit, weiter über Dracos Verhalten nachzudenken, da stand er schon vor meiner Haustür.
Wie bei seinem ersten Besuch, hielt er mir einen Blumenstrauß entgegen.

Überrumpelt griff ich nach dem Türrahmen. Damit hatte ich definitiv nicht gerechnet. Ich spürte, wie mich meine zwiespältigen Gefühle überwältigten. Die Kränkung saß noch tief und ich war einfach nur verletzt und fühlte mich hintergangen. Auf der anderen Seite schlugen die Schmetterlinge in meinem Bauch, bei seinem bloßen Anblick Purzelbäume und mein Herz versuchte mir einzureden, dass das alles ein ungünstiges und missverstandenes Ungeschick war.
Egal. Missverstanden hin oder her, ich war sauer und gekränkt.
Ich machte keine Anstalten die Blumen anzunehmen, was Draco schwer seufzen ließ. Er drängte sich an mir vorbei und verschwand im Inneren der Wohnung. Schlecht gelaunt folgte ich ihm. Glücklicherweise hatte sich meine Trauer fast vollständig in Wut umgewandelt, sonst hätte ich bei seinem Anblick in Tränen ausbrechen müssen.
Und etwas Demütigendes konnte ich mir nicht vorstellen.

„Sprich dich aus", sagte ich harsch, als ich ebenfalls im Wohnzimmer ankam. Es fiel mir schwer, böse zu bleiben, doch kaum schob sich ein Bild von ihm und Pansy vor mein Auge, kochte die Wut wieder hoch.
Ich konnte Draco ansehen, wie er mit sich rang. Eine zarte Röte breitete sich um seine Nasenspitze aus und ich sah, wie er einige Male schluckte, bevor er anfing zu sprechen. Doch anstatt Entschuldigungen, oder wenigstens Erklärungen hervorzubringen, begann er mir Vorwürfe zu machen.
„Du bist gestern einfach zum falschen Zeitpunkt gekommen. Wärst du eine Stunde früher dagewesen, dann –"
„Dann was?", unterbrach ich ihn und musste mich bemühen, meine Stimme zu beherrschen. „Dann hättest du mich so lange mit offenen Armen empfangen, bis Parkinson meinen Platz eingenommen hätte? Draco, ich bin es leid, bei jedem die zweite Geige zu spielen. Ich bin doch keine Mangelware, die sofort abgeschoben wird, sobald man etwas Besseres findet."
„Wie ... wovon redest du?", fragte Draco perplex. Bevor ich antworten konnte, schob er auf Grund meines wütenden Gesichtsausdrucks schnell hinterher: „Bei Merlin, Granger, beruhig dich doch erst mal. Ich habe dich nicht abgeschoben, aber falls du es nicht gesehen hast, Pansy brauchte mich und das nicht erst in einer Stunde."

Mir schoss ein Bild der aufgelösten Parkinson in den Kopf. Doch Mitleid empfand ich nicht. Denn auch, wenn ich alles daran setzte, die Vergangenheit, insbesondere die Große Schlacht, hinter mir zu lassen, würde ich doch nie vergessen, wie sie Harry an Voldemort ausliefern wollte.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Draco bemerkte diese Regung und legte mir beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. Jedoch deutete er die Zeichen völlig falsch.

„Du musst nicht eifersüchtig sein, mein Liebling", gurrte er spottend. Wie vom Blitz getroffen, schlug ich seine Hand von meiner Schulter und stierte ihn wütend an. Er hatte ohne es zu wissen, ins Schwarze getroffen. Und zwar zielgenau. Natürlich war sein primäres Ziel dieser Aussage gewesen, meine Wut zu bändigen und mich zu beruhigen und nicht das, was ich ihm wenig später bot.
Ich rang nach Fassung und stotterte: „Ich ... ich bin nicht eifersüchtig." „Natürlich nicht", flüsterte Draco, während er sich vor beugte. Ich fühlte seinen warmen Atem direkt an meinem Hals. Ohne es verhindern zu können, breitete sich eine verräterische Gänsehaut auf meinem Körper aus. Ich hörte Draco melodisch lachen und merkte, wie er mit seinem Daumen sanft meinen Hals hinauffuhr und dann über meine Gesichtskonturen strich.
Unfähig mich zu bewegen, ließ ich diese Tortur über mir ergehen. Dracos zärtliche Finger bereiteten mir Wohlbehagen, während sie gleichzeitig die pure Hölle waren.
„Draco ...", stammelte ich.
„Hm?", antwortete er gedankenverloren und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Dann nahm er seine Hand weg. Und grinste mich frech an.
Mein Gesicht lief feuerrot an und ich wich von ihm zurück. Der Scham, mich seinen Berührungen so hingegeben zu haben, überrollte mich und ich fürchtete mich davor, meinen Mund zu öffnen, aus Angst, nur Schwachsinn zu reden und mich damit noch mehr zu blamieren.

„Komm mit!", rief Draco plötzlich und nahm meine Hand. Mein erster Impuls war es, sie ihm wieder zu entziehen, doch ich wusste genauso gut, dass ich jeden Moment auskostete, in denen mich Draco berührte.
Außerdem machte er keine Anstalten mich aufzuziehen. Das kam ihm sehr zugute. Und wenn ich ehrlich war, konnte ich ihm nicht mehr böse sein. So sehr ich auch wollte, ein Blick von ihm und mein Herz begann zu schmelzen. Deswegen ergab ich mich meinem Schicksal und murmelte nur schwach: „Wohin gehen wir?"
„Es ist nichts spektakuläres", versicherte mir Draco, doch wohin genau wir gingen, verriet er mir nicht. Anstatt mich zu entspannen, versteifte ich mich noch mehr und spürte nur unbewusst, dass Draco mit seinem Daumen sanfte Kreise auf meinem Handrücken zeichnete.
„Entspann dich erst mal", sagte er und lächelte mir zu. „Über alles andere reden wir später."

Wir erreichten ein kleines Café, etwas außerhalb von Greenwich. Ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus und ich fühlte mich sofort pudelwohl. In dem kleinen Raum lag ein schwerer Duft von Kuchen und frischen Waffeln. Das Café war mit einem liebevollen Blick für Details eingerichtet worden und aus einem kleinen Lautsprecher ertönte Klaviermusik.
„Bist du öfter hier?", fragte ich Draco neugierig und bemerkte, wie er errötete.
„Ab und zu", erwiderte er. Es schien ihm wirklich peinlich zu sein, seine Zeit freiwillig in diesem niedlichen Café zu verbringen. Ich grinste.

Er steuerte auf einen Eckplatz zu und begrüßte die Besitzerin mit einem stummen Kopfnicken.
„Setz dich, Granger", wies er mich an und setzte sich mir gegenüber. Wir verfielen in ein unangenehmes Schweigen.
Pansy und Daniela schienen plötzlich zwischen uns zu schweben und eine Mauer zu ziehen, die uns auseinander riss. Ich fröstelte, dabei war mir nicht einmal kalt.
Ich taxierte Draco. Er schien das gleiche zu fühlen und rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her. In seinen Augen lagen stumme Vorwürfe und Entschuldigungen.
Ich tastete vorsichtig nach seiner Hand, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Ein Mundwinkel zuckte hoch. Draco schien sich ein wenig zu entspannen. Ich wusste nicht, wovor er sich fürchtete. Ich war nicht mehr sauer. Nicht einmal mehr enttäuscht. Ich hatte ihn mit meiner Eifersucht verletzt und er mich mit seinem gestrigen Verhalten. Wir waren quitt.
Trotzdem stand der Elefant noch im Raum und wir konnten ihn nicht ewig ignorieren.

„Wie geht es Parkinson?", fragte ich so unverfangen wie möglich, obwohl es mich nicht interessierte. Draco atmete jedoch erleichtert auf und begann mir zu erzählen, dass es gar nicht so leicht war, Pansy zu beruhigen, er es dann aber doch noch schaffte.
Ihr Freund habe sie betrogen, begann Draco und sah mir fest in die Augen, als ob er mir sagen wollte, Granger, habe Mitleid mit ihr, du weißt wie sie sich fühlt.
Doch ich hatte kein Mitleid. Ich würde niemals Mitleid mit Parkinson haben.
Ich nickte nur, um ihm zu symbolisieren, dass ich ihm zuhörte. Er seufzte und redete weiter von ihrem Leiden. Genervt fuhr ich mir durch meine kurzen Haare und zog eine Augenbraue hoch. „Daniela ist kurzfristig für einige Wochen ausgezogen", warf ich irgendwann dazwischen, als es mir zu bunt wurde.
Draco stoppte und sah mich überrascht an. „Daniela", wiederholte er und zog seine Augenbrauen zusammen. „Du, Granger, hör mal, lass Daniela doch einfach Daniela sein und hör auf, ständig über sie nachzudenken. Du machst dich nur selbst verrückt. Zwischen mir und ihr läuft nichts und es lief auch nie etwas, außerdem ..."
Doch ich erfuhr nie, was Draco noch hinzufügen wollte, da er mitten im Satz innehielt. Sein Blick war auf die Tür gerichtet. Ich war gerade im Begriff, mich ebenfalls umzudrehen, da wurde die Tür aufgerissen und ein lautes „Draco", durchbrach die Ruhe. Binnen Sekunden stand Parkinson vor unserem Tisch. Ihre Augen glänzten feucht und ihre Lippen bebten. Ich fühlte mich wie im falschen Film. Das konnte doch einfach nicht wahr sein.
„Wieso bist du denn einfach gegangen?", rief sie und warf sich ihm um den Hals. „Du weißt doch, dass ich verrückt werde, wenn ich alleine bin."
Draco schien zu überrumpelt und tätschelte ihren Rücken. Mein Herz setzte aus und ich sah nur noch rot.
Schon wieder drängte sich Parkinson zwischen Draco und mich. Schon wieder zerstörte sie alles.

Ich sprang von meinem Stuhl auf und sah Draco ins Gesicht. Er zuckte nur entschuldigend mit den Schultern und formte ein „Entschuldige" mit den Lippen. Doch diese Entschuldigung konnte er sich sparen!
Fuchsteufelswild schüttelte ich den Kopf und sah ihn so abschätzig an, dass er unter Parkinson zusammenzuckte.
Ich drehte mich um und verließ so wütend wie noch nie das Café.



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