Die Hilfe eines Freunds

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Ich schlüpfte in meine Jacke, legte mir ein Tuch um die Schultern und lächelte mir im Spiegel keck zu.
Die dunklen Schatten, die von unruhigen Nächten zeugten, waren abgedeckt, mein Teint rosig und meine Haare zu einer kunstvollen Frisur geflochten.
Ich legte noch einmal Lippenstift nach, dann nahm ich meine Handtasche und ging aus dem Haus.

Die Sonne strahlte und tauchte die Welt in ein neues Licht. Ein dankbares Lächeln stahl sich auf meine Lippen, während ich die Straßen Greenwichs entlang schlenderte und mit Freude die buntgefärbten Blätter bemerkte, die sich unter den Bäumen, am Straßenrand sammelten.
Kleine Kinder sprangen beherzt in Berge voller Laub und quietschten vor Freude, als die Blätter auseinander stoben und sich in ihren Haaren verfingen. Mich überkam bei diesem Anblick ebenfalls die Lust, völlig wild herumzutollen, doch schnell rief ich mich wieder zur Raison.
Dies waren fünfjährige Knirpse und ich eine zwanzigjährige, erwachsene Frau.
Ich sah auf meine Uhr und legte einen Gang zu. Mit beschwingten Schritten erreichte ich Minuten später das Café, in dem ich mich mit Harry traf.

Er war noch nicht da. Automatisch steuerte ich Dracos und meinen Stammplatz an.
Missmutig verzog ich mein Gesicht, als ich bemerkte, dass meine gute Laune augenblicklich einen Knacks erhielt. Ärgerlich verbannte ich Draco in den hintersten Winkel meines Kopfs und war froh, dass Harry in diesem Moment eintrat und sich suchend umsah.
„Harry, hier!", rief ich und hob meinen Arm.
Sein Blick schnellte zu mir und ein erfreuter Ausdruck trat in sein Gesicht, während er sich mir näherte.


Ich erhob mich und Harry schloss mich in seine Arme. „Hermine, es freut mich so dich zu sehen. Du hast dich viel zu lange nicht gemeldet." Ich überhörte den Vorwurf und setzte mich wieder.
„Du siehst gut aus, Harry", sagte ich stattdessen. „Das Kompliment kann ich nur zurückgeben", erwiderte er schmunzelnd. „Und das, wo ich dich in einer deutlich anderen Verfassung erwartete."
Ich verstand sofort die Anspielung auf meinen Brief, doch ich versuchte, die gelöste Stimmung noch einen Moment länger zu wahren und antwortete augenzwinkernd: „Ich glaube, du unterschätzt die Macht der Schminke. Aber du hast Recht, hättest du mich an dem Tag, an dem ich den Brief schrieb gesehen, hättest du mich in der, von dir vorgestellten Verfassung vorgefunden. Ich war ganz schön aufgelöst, schätze ich, und hatte einige schlaflose Nächte hinter mir."
Besorgnis trat in Harrys Blick und er versuchte unbemerkte mein Gesicht nach Anzeichen der Erschöpfung abzusuchen. Doch mir war kein graues Haar gewachsen und mein Gesicht war nach wie vor faltenfrei.
„Jetzt schau mich bitte nicht so an", lachte ich und errötete. „Ich hoffe, mit deiner Hilfe einen Teil der Probleme lösen zu können."
Fragend hoben sich seine Augenbrauen. „Einen Teil der Probleme? Hermine, geht es dir wirklich gut?"
Ich atmete tief durch. „Es geht mir den Umständen entsprechend gut, ja. Natürlich ging es mir schon einmal besser, aber ich hoffe, bald wieder Luft zum Atmen zu haben."
„Muss ich mir Sorgen um dich machen?", fragte er und sah mich ernst an. Da hatten wir es. Ich war so froh, seit Tagen wieder befreit Lachen zu können, dass ich nicht wollte, dass die heitere Stimmung umschlug. Deswegen beeilte ich mich zu sagen: „Nein, das musst du nicht, Harry, ich bin eine erwachsene Frau, die auf sich selbst aufpassen kann."
„Und trotzdem brauchst du meinen Rat", schoss er sofort zurück und sah mich triumphierend an.

Doch der Triumph war ihm nicht lange vergönnt, denn ich blieb ihm eine Antwort schuldig, da eine junge Kellnerin an unseren Tisch trat um unsere Bestellung aufzunehmen.
„Sie haben Ihre Begleitung gewechselt, wie ich sehe", merkte sie schmunzelnd an. Ich errötete erneut und senkte meinen Blick. „Ein wenig Abwechslung hat noch niemandem geschadet."
Sie lächelte wissend und fragte: „Für Sie wie immer?"
Ich nickte, erleichtert ihren Fragen entronnen zu sein. Sie wandte sich Harry zu.
„Von was auch immer meine liebreizende Freundin begeistert ist, ich nehme es ebenfalls."
Die Kellnerin verschwand und Harry blickte mich amüsiert an. „Ein anderer Mann also, interessant."
„Eher weniger, denn damit kommen wir zum zweiten Teil des Problems."
„Ich verstehe schon", schelmisch grinste er mich an. „Ärger im Paradies."
„Unsinn", widersprach ich energisch und verschränkte abwehrend meine Arme. „Ich habe keinen Freund. Er ist bloß ein ...", ich suchte nach der richtigen Bezeichnung für Draco. „Ein Bekannter. Ein guter Freund. Nicht mehr und nicht weniger."
Harry erwiderte nichts, aber in seinen Augen glänzte der Schalk, um seine Mundwinkel lag ein wissender Zug und mir war augenblicklich klar, das Thema war noch nicht gegessen.
Doch für den Moment war Harry klar, dass ich nicht mit der Sprache rausrücken würde.

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