Besuch von einem Malfoy

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Unruhig huschte mein Blick durch mein Zimmer. Meine Bettdecke lag akkurat zusammengefaltet in der Mitte meiner Matratze und mein Kopfkissen war gewissenhaft aufgeschüttelt.
Ich drehte mich einmal um meine eigene Achse und überprüfte zum zigsten Mal, dass auch ja keine schmutzige Wäsche auf dem Boden lag.
Das würde ich bei jedem anderen auch machen, wiederholte ich wie eine Mantra in meinem Kopf. Schlussendlich trottete ich ins Wohnzimmer. Ich warf einen raschen Blick auf unsere große Wanduhr.
Draco hatte noch zwei Minuten.

„Morgen", murmelte plötzlich jemand und ich sah Anna durch die Tür schlürfen.
„Morgen", echote ich und richtete meinen Blick wieder auf die Uhr. Der Zeiger schlich langsam über das Ziffernblatt und schien beinahe stehenzubleiben.
„Bitte, sei nicht sauer auf mich", bat Anna leise, als sie sich neben mich setzte. Ich schwieg.
„Du hast die Situation falsch interpretiert. Ich habe auch nicht verstand, was in Dany plötzlich vorging. Ich ziehe sie dir nicht vor. Und ich wollte mit dir nach London fahren, ich habe es nicht vergessen, aber du hast es ja gleich abgeblockt."
Ich schnaubte und ließ mir die Worte durch den Kopf gehen, als Anna fort fuhr und sagte: „Es tut mir wirklich leid und ich entschuldigte mich hiermit noch einmal, aber bitte, Jean, sei nicht so ein Sturkopf."

Unschlüssig sah ich sie an und wollte gerade zu einer Antwort ansetzten, als es klingelte. Ich schreckte zusammen und sprang auf.
„Wir reden später, okay?", rief ich meiner Mitbewohnerin über meine Schulter zu und verschwand im Flur. Ich drückte auf den Summer und hörte kurzdarauf Schritte im Treppenhaus.

Das erste, das ich von Draco sah, war ein Blumenstrauß. Verblüfft sagte ich: „Ist der etwa für mich?"
Ein blonder Schopf erschien hinter den Blume und ich zuckte erneut zusammen als ich sah, dass ein überdimensionales Lächeln auf seinem Gesicht prangte. Noch nie hatte ich Draco Malfoy so ehrlich und so breit grinsen sehen.

„Eigentlich habe ich ihn für die reizende alte Dame im unteren Stockwerk gekauft, aber sie wollte ihn nicht. Du kannst ihn haben." Gönnerhaft überreichte er ihn mir. Ich nahm ihn dankend an.

„Hm, nun ja, komm rein", sagte ich, nachdem wir uns einige Sekunden schweigend gegenüber standen.

„Mein Zimmer ist rechts den Flur entlang. Wir können aber auch ins Wohnzimmer gehen", setzte ich schnell hinterher, als ich bemerkte, dass Draco mich irritiert ansah.
„Dein Zimmer?" Dann breitete sich schon wieder ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Sag bloß, die große Granger wohnt noch bei ihren Eltern."
„Sei still", fauchte ich sofort und trat näher an ihn heran. „Solange du in meinen Vier Wänden bist, nennst du mich Jean. Und außerdem", fügte ich lauter hinzu, „wohnte ich natürlich nicht mehr bei meinen Eltern."
Vermutlich wartete er auf eine weitere Aufführung meinerseits, aber ich ignorierte seinen wartenden Gesichtsausdruck.

„Komm", rief ich ihm zu und ging voran. Ich öffnete meine Tür und wartete, bis er hinter mir eingetreten ist und ich die Tür schließen konnte.
„Dein Zimmer sieht wirklich nicht wie ein typisches Mädchenzimmer aus, aber sag, wie kommt es, dass du in deiner Wohnung ein Zimmer hast, dass du dein eigenes Zimmer nennst? Die ganze Wohnung ist schließlich dein Eigen."
Ich verzog meine Lippen zu einem halbherzigen Grinsen. „Wie bringt dich zu der Annahme, dass ich eine eigene Wohnung habe?"
Draco sah mich mit großen Augen an. „Wohnst du mit deinem Freund hier?"
Ich schüttelte den Kopf. „Ich lebe in einer Wohngemeinschaft."
„Was ... du?" Fassungslos blickte er mich an und schüttelte seinen Kopf. „Das kannst du nicht ernst meinen."
„Wieso?"
„Ich bitte dich. Du tischte mir hier gerade ein Märchen auf, nicht wahr?" Nun war ich es, die ihn verständnislos ansah.
„Bitte? Wieso sollte das ein Scherz sein?"
„Na ja", er stockte und schien offensichtlich verlegen zu sein. „Du hast doch bestimmt massig Geld. Die Heldin der Zauberwelt wird sicher nicht bettelarm sein. Und du kannst mir nichts vormachen, du hast zwar nicht viele Interviews gegeben, aber an denen die du gegeben hast, hast du sicherlich nicht schlechte verdient. Glaub mir, ich weiß, was man für ein gut verkauftes Interview bekommt."
„Das mag sein", gab ich gleichgültig zurück. Innerlich kochte ich jedoch. „Trotzdem frage ich dich noch einmal, warum sollte ich nicht in einer Wohngemeinschaft wohnen dürfen?"

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