40 Tage vorher

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Es wurde mir im Irish zu stickig, also schnappte ich meine Jacke und setzte mich draußen auf eine Bank.
An wen war Elijahs Song gewidmet? Ich würde zu gerne wissen wer das besondere Mädchen war, natürlich hoffte ich insgeheim das ich damit gemeint war, was absolut absurd war. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen.
Ich atmet lautstark aus und angelte eine Zigarette aus der Schachtel. Warum musste ich mich auch genau in den Jungen verlieben, der immer unerreichbar für mich sein wird.
Ich suchte gerade ein Feuerzeug, als mir jemand eins vor die Nase hielt. Ich hob meinen Kopf und sah das es Elijah war. Ich nahm es dankend an und zog daraufhin an der Zigarette. Elijah ließ sich schwungvoll neben mir nieder und sah mich erwartungsvoll an.

"Ist was?", fragte ich.

Er unterdrückte sich ein Lächeln.
"Wie fandest du uns?"

"Achso. Ihr wart echt gut.", antwortete ich.

Er sah mich prüfend an.
"Das klang nicht gerade überzeugend.", grinste er dann.

Ich strich mir eine Haaresträhne hinters Ohr und antwortete so optimistisch wie möglich: "Ich fand euch echt super ."

Er lachte und schüttelte den Kopf. Dann holte ich mir noch eine Zigarette aus der Tasche und zündete sie an.

"Geht's dir gut?"

Ich betrachtete ihn von der Seite. Warum sorgt er sich ständig um mich? Wir waren keine Freunde.
Ich atmete den Rauch aus.

"Ja, ich werd nur langsam wieder nüchtern."

Er zog einen Mundwinkel nach oben.
"Dann sollten wir das lieber verhindern."

Ich grinste, wir gingen rein, setzten uns an die Bar und bestellten.

Sein Zeigefinger klopften im Takt gegen die Bierflasche und er wippte leicht mit seinem Kopf zur Musik. Anscheinend hatte ich ihn ziemlich lange dabei zugesehen, denn plötzlich sah er zu mir und zog fragend eine Augenbraue nach oben. Schnell schaute ich weg und trank peinlich berührt mein Bier. Warum musste er mich auch immer beim starren erwischen. Er lachte leise und wollte gerade etwas sagen als sich eine betrunkene Alaska zwischen uns drängte und breit grinste. Dann wandte sie sich an Elijah.

"Also der Sascha, dein bester Freund, kann so gut küssen! Wusstest du das? Solltest du unbedingt mal ausprobieren!"

Lachend hüpfte sie wieder zu ihrem, anscheinend neuen Freund. Etwas verstört sah ich ihr hinterher, drehte mich dann aber wieder um. Sie war ein besonderer Fall und deshalb meine beste Freundin.

"Und? Hast dus ausprobiert?", lachte ich und überlegte daraufhin warum ich immer so ein Müll fragte.

Er drehte sich zu mir um und starrte mich verwirrt an.

"Nein. Sollte ich das?"

Vergeblich versuchte er sich ein Schmunzeln zu unterdrücken. Grinsend zuckte ich mit den Schultern.
Als ich zufällig einen Blick auf die Uhr warf, merkte ich wie spät es eigentlich schon war.

"Ich sollte nach Hause.", sagte ich und stand schwankend auf.

Oh, ich war doch betrunkener als gedacht.

"Ich begleite dich. Kannst du noch laufen?", fragte er.

Ich nickte und ging ein paar Schritte auf den Ausgang zu. Das erwies sich jedoch als Fehler, denn ich verlor das Gleichgewicht. Im letzten Moment stütze mich Will, der zufällig an mir vorbei gelaufen war. Dankend lächelte ich ihm zu und verabschiedete mich dann von meinen Freunden. Alaska hatte mir noch irgendwas bescheuertes von Kondomen und Elijah zugeflüstert.

Wir mussten laufen, da keiner von uns beiden in der Lage war Auto zu fahren. Ich schwankte ziemlich stark, sodass Elijah mich leicht am Arm hielt. Bei seiner Berührung zuckte ich zurück.

"Warum machst du das?", fragte er.

"Hm?"

"Du zuckst bei Berührungen immer zurück, gehst auf Distanz. Warum?"

Ich sah auf meine Schuhe. Es sah aus als würde ich rückwärts laufen. Ich hatte eindeutig zu viel getrunken. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und so sprudelten die Worte einfach aus mir raus, als hätte jemand den Stöpsel gezogen. Viel zu lang hatte ich das verschwiegen.

"Es ist wegen meinem Vater.", sagte ich und spürte, wie sich Tränen bildeten.

Er wartete bis ich weiterredete. Dann bekam doch meine Zweifel, vielleicht sollte ich ihm nicht alles erzählen. Aber andererseits fühlt es sich mit ihm so richtig an. Wie Alaska gesagt hatte, man spürt es.

"Mein Vater, er hat mich als Kind misshandelt."

Ich war unsicher, ob ich in sein Gesicht blicken sollte, ich hatte Angst davor, was ich dort finden würde. Meine Finger spielten nervös mit dem Verschluss meiner Jacke und ich sah kurz zu ihm auf. Er war geschockt, sein Mund zusammengekniffen. Er wartete darauf, das ich weiter redete.

"Er hat mich geschlagen und angefasst. Meine Mutter und mein Bruder haben nie davon erfahren. Ich wusste nicht was ich machen sollte, ich war noch ein Kind. Er hat getrunken, ist ausgerastet und wenn er wieder nüchtern war, bettelte er um Verzeihung und sagte ich dürfte das niemandem erzählen, sonst würde er in Schwierigkeiten geraten und die ganze Familie würde auseinander reißen. Eines Tages haben wir ihn dann tot in der Badewanne gefunden. Er hatte sich umgebracht. Pulsadern aufgeschnitten. Alles war voller Blut. Ich weiß nicht warum er Selbstmord begangen hat, vielleicht wegen seinem schlechten Gewissen aber das spielt auch keine Rolle. Er hat mir was genommen, Elijah. Etwas das mir niemand zurück geben kann. Vielleicht war es für alle das beste, dass er gegangen ist."

Meine Stimme brach, den letzten Teil flüsterte ich nur noch. Ich sah in sein Gesicht und konnte seine Miene nicht deuten. Traurig, geschockt aber gleichzeitig auch wütend. Auf meinen Vater? Das brachte nichts mehr. Meine Stimme bebte und der Kloß in meinem Hals wurde größer.

"Seitdem mag ich es eigentlich nicht angefasst zu werden. Ich habe ziemlich früh angefangen zu rauchen, ich dachte damals es würde den Schmerz lindern. Getrunken hab ich auch. Oder immer noch. Ich krieg es nicht mehr unter Kontrolle. Aber ich habe niemals jemanden an mich rangelassen. Erzählt habe ich das auch noch niemanden, es bleibt unter uns. Bitte."

Elijah war mitten auf der Straße stehen geblieben und starrte mich an.

"Es tut mir so leid, Fay. Wenn ich das gewusst hätte.." Er fuhr sich über den Mund.

"Tut mir leid. Ich wollte dich nicht damit belasten.", murmelte ich.

"Was? Nein."

Er ging einen Schritt auf mich zu, hob einen Arm, als wollte er mir über die Schulter streichen, ließ ihn dann aber wieder sinken.

"Ich bin froh das du es mir erzählt hast. Wenn ich doch bloß etwas für dich tun könnte.", sagte er leise.

"Ist ja auch egal. Und Hey, ich hoffe es ist noch wie sonst zwischen uns, ich will einfach so behandelt werden wie immer, ganz normal."
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PlatinblondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt