33 Tage vorher

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'Ist alles in Ordnung?'

Ich laß Elijahs Nachricht zum dritten Mal. Was interessiert es ihn? Ich antwortete mit einem knappen 'Klar' und schmiss mein Handy auf mein Bett. Woher hatte er überhaupt meine Nummer? Verwirrt schüttelte ich den Kopf und machte erschrocken einen Satz zur Seite als ich ein leises Kichern hinter mir hörte. Ich drehte mich um und sah meinen Bruder, der sich über meine Schulter beugte und anscheinend die Nachricht gelesen hatte.

"Also warst du bei Elijah.", grinste er und tippte sich gespielt nachdenkend gegen sein Kinn.
"Warum gehst du zuerst zu Elijah anstatt zu deiner besten Freundin?"

Sein Zeigefinger schnellte nach oben.

"Aha! Elijah war dir in dem Moment wichtiger und insgeheim habt ihr eine Affäre von der niemand wissen darf."

Wissend nickte er und sah mich selbstzufrieden an.

"Schön wärs.", sagte ich spottend.

Unser Gespräch wurde von dem Knallen der Haustür unterbrochen. Ich schaute aus dem Fenster und sah meine Mutter, wie sie mit einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze zu einem Auto lief. Bevor sie einstieg, schaute sie sich um, als ob ihr jemand gefolgt wäre. Dann fuhr der Wagen mit einem röhrenden Geräusch davon.
Merkwürdig.
Mein Bruder schüttelte Verständnislos den Kopf und schaltete meinen Fernseher wieder ein.

"Heut Abend ist ne Electroswing Party im 20er Jahre Stil. Willst du mitkommen?"

Ich zuckte mit den Schultern. Besonders Lust hatte ich nicht. Außerdem war morgen wieder Schule.

"So kenn ich dich ja gar nicht. Normalerweise bist du doch bei jeder Party dabei."

"Ich hab doch gar nichts passendes zum anziehen.", erwiderte ich und hoffte, damit wäre das Thema erledigt.

"Dann besorgen wir dir jetzt was.", grinste Luke, packte mich an der Hand und zog mich aus meinem Zimmer.

Nach unerträglichen zwei Stunden hatten wir mir Kleider aus den 20er Jahren gekauft. Skeptisch betrachtete ich mich im Spiegel. Ich sah aus wie Adriana aus dem Film Midnight in Paris.

"Du schaust großartig aus", sagte Luke, zog jedes Wort unnötig in die Länge und zupfte an meinem Outfit herum. Ich wusste gar nicht das er eine schwule Ader hatte. Nicht das es mich stören würde.
Wir aßen noch etwas zu Abend, dann schlüpfte ich in die viel zu teuren neuen Schuhe und wir machte uns auf den Weg zu dieser Party.

Dort angekommen dröhnte die Musik aus einem vollgesprayten Gebäude und fuhr mir durch die Knochen, weshalb ich eine angenehme Gänsehaut bekam. Ich öffnete eine schwer aufgehende Brandschutztür und stand in einem kleinen Vorhof mit hohen bemalten Mauern. Vereinzelte Gruppen von Leuten standen hier und rauchten. Ich kam mir vor wie in einer anderen Welt, als hätten wir einen Zeitsprung gemacht, als wir durch diese Tür gingen. Mein Bruder schob mich in Richtung einer zweiten Tür, die ich gar nicht bemerkt hatte. Ich machte sie auf und ging ein paar Treppenstufen hinunter. Es war dämmrig neblig, eine Frau an dem Eingang kassierte uns ab und klebte uns gelbe Bänder um das Handgelenk. Wie auf dem restlichen Gebäude waren auch hier die Wände bemalt.
Wir drängten uns durch die Menge und bestellten und an der ebenfalls bemalten Bar zwei Bier. Dann stellten Luke und ich uns an den Rand der Tanzfläche.

"Ich such mal kurz meine Freunde. Rühr dich nicht vom Fleck.", rief mir Luke über die Musik hinweg zu.

Ich nickte und er drängte sich zwischen den Leuten durch. Am Ende der Tanzfläche waren zwei DJs an ihrem Pult. Darüber hing eine alte, rosa Lampe mit Fransen und hinter ihnen war eine große Leinwand auf der man in schwarz-weiß Pärchen im 20er Jahre Stil tanzen sah.
Es wurde mir zu blöd einfach rumzustehen deshalb gesellte ich mich zu den anderen Leuten auf die Tanzfläche. Während ich große Schlücke von meinem Bier trank überflog ich die anderen Gesichter, doch keines kam mir bekannt vor. Eines fiel mir jedoch sofort ins Auge. Er hatte lange, braune Dreads und so wunderschöne, volle Lippen. Er war außergewöhnlich. Nicht so wie Elijah, aber auf seine eigene Art und Weise. Er bemerkte meinen Blick und lächelte mir zu.

"Solltest du dich nicht vom Fleck rühren?", rief Luke, der plötzlich wieder neben mir stand.

"Sorry.", antwortete ich und musterte wieder den Typen von vorhin.

Luke verdrehte die Augen.

"Mein Kumpel ist noch nicht da, ich warte draußen auf ihn. Wenn was ist dann schreib mir."

Ich nickte und er bahnte sich erneut einen Weg durch die Menge. Als Luke außer Sichtweite war suchte ich wieder den Blick von dem Typ. Vergeblich. Er war verschwunden.
Seufzend machte ich mich auf zur Bar, gab meine leere Bierflasche ab und bestellte ein neues. Als ich mich umdrehte stand er vor mir und grinste mich an.

"Hi, ich bin der Leo."

Wir setzten uns auf eine nahegelegenen dunkelblaue Couch und unterhielten uns den ganzen Abend lang. Nach so kurzer Zeit hatte er es geschafft, dass ich mich bei ihm geborgen fühlte und glaubte, ihn schon ewig zu kennen. Es war, als wäre alles um uns herum auf stumm gestellt und nur wir auf volle Lautstärke aufgedreht. Ich genoss es in seiner Umgebung.

Plötzlich wurde ich am Arm gepackt. Vor uns stand Elijah. Er trug ein schlichtes weißes Hemd, das er in seine schwarze Anzugshose gesteckt hatte und seine platinblonde Haare waren sorgfältig zurückgegeelt.
Er zerrte mich von Leo weg, ich versuchte mich loszureißen, doch sein Griff war zu fest. Er brachte mich nach draußen, aus der Brandschutztür und ich fühlte mich, als wäre ich gerade aus einem Traum aufgewacht. Dann machte er Halt und presste mich gegen eine nasskalte Betonwand. Es regnete aus Kübeln und ich konnte sein Gesicht nur schwer erkennen. Ich war ziemlich wütend und wollte eine Erklärung verlangen, doch ich bekam meinen Mund nicht auf.

"Was willst du von dem?"

Elijah starrte mir wutentbrannt in die Augen.
Ich verstand nicht, was er meinte, außerdem brachte ich immer noch kein Wort raus.

"Er hat eine Freundin! Und ein Drogenproblem. Er ist nicht gut für dich."

Ich versuchte mich geräuschlos zu räuspern.

"Wen meinst du?"

"Leo."

"Wir kennen uns seit ein paar Stunden. Wie kommst du darauf das ich was von dem will?", fragte ich leicht säuerlich.

Verächtlich grinste er mich an.
"Ich bitte dich. Den ganzen Abend seit ihr aneinander geklebt."

"Und selbst wenn. Ich darf doch wohl selber entscheiden mit wem ich was zutun habe."

"Er ist nicht gut für dich!", wiederholte er diesmal lauter.

"Ach ja? Und wer ist deiner Meinung nach gut für mich?", rief ich.

Vor Wut hatte ich meine Hände zu Fäusten geballt.
Perplex starrte er sie an und lockerte seinen Griff um meinen Arm. Er machte einen Schritt nach hinten. Regentropfen trieften ununterbrochen von seinen Haarspitzen.
Ich hatte gar nicht gemerkt wie durchnässt ich mittlerweile war. Elijahs weisses Hemd klebte an seinem Körper und man konnte seine definierten Muskeln erkennen.
Er beugte sich vor und machte vor meinen Lippen halt. Ich spürte seinen warmen Atem und es verging eine gefühlte Ewigkeit.

"Ich.", flüsterte er und presste seine Lippen auf meine.

PlatinblondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt