35 Tage vorher

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"Len? Ich habe scheisse gebaut.", sagte ich, als das endlos lange Tuten aufhörte und sie endlich am anderen Ende der Leitung abhob.

Ich stand mitten im Nirgendwo und hatte es irgendwie geschafft sie anzurufen.

"Wo bist du?", fragte sie und ich sah ihren besorgten Blick vor meinem inneren Auge.

"Keine Ahnung, kannst du mich nicht orten?" Verzweiflung schwang in meiner Stimme mit, der ganze Abend hat sehr an meinem psychischen Wohlbefinden genagt.

"Ja, rühr dich nicht von der Stelle, wir sind gleich da."

Wir?

Sie meinte bestimmt meinen Bruder. Ich stöhnte innerlich auf, morgen konnte ich mich erstmal auf eine Moralpredigt gefasst machen.

Ich torkelte die Straße auf und ab, ungeduldig darauf wartend, dass sie kamen, und versuchte, dass was ich getan hatte aus meinen Gedanken zu verdrängen. Erfolglos, was aber nicht verwunderlich war. Ich hatte keinen Plan wie ich das alles hier den beiden erklären sollte, doch da würde ich leider nicht drumrum kommen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit und unzähligen Überlegungen, ob ich nicht doch einfach sterben sollte, blendete mich helles Scheinwerferlicht und eine Autotür wurde hektisch aufgerissen. Natürlich kam Luke angestürmt und raufte sich die Haare.

"Ich bin zu müde für Erklärungen aber morgen kannst du dich auf was gefasst machen!", sagte er und buxierte mich ins Auto.

Wer war er? Mein Vater? Ich schloss die Augen und ließ meinen Kopf gegen die Lehne sinken. Warum dachte ich sowas? Als wüsste ich es nicht besser..

Ich schrak schreiend aus verzerrten Alpträumen auf, ließ mich dann wieder stöhnend fallen, da mein Kopf wie verrückt hämmerte.
Ich sah mich um. Draußen war es noch dunkel und ich lag in meinem Bett. Wie ich dort rein gekommen war, wusste ich nicht mehr.
Langsam stand ich auf und riss meine Balkontüren auf, atmete tief ein und spürte wie der Alkohol von gestern hochkam.
Ich rannte ins Badezimmer, übergab mich ein paar mal und ließ mich dann stöhnend neben die Toilette sinken.
Natürlich überfielen mich jetzt die Erinnerungen von gestern. Was ich getan habe, was ich nicht hätte tun sollen..

Ich konnte es immer noch nicht begreifen das Will in mich verliebt war. Zudem wusste ich nicht wie ich damit umgehen sollte, ich wollte ihn als besten Freund natürlich nicht verlieren aber nach der Aktion gestern gab es wohl keine andere Möglichkeit.
Außerdem hat er mit seinem Liebesgeständnis eine unsichtbare Barriere zwischen uns zerstört, es wird sicher nie wieder so unbeschwert sein wie früher.
Ich fand einfach keinen Weg aus dieser Zwickmühle heraus.
Aber vielleicht sollte es so sein.
Doch das schien mir nicht sehr einleuchtend.

Ich stand auf, wusch meinen Mund aus, und den ganzen Schmutz von meinem Gesicht.
Dann ging ich wieder in mein Zimmer, kramte eine Zigarettenschachtel aus meiner Jackentasche und setzte mich im Schneidersitz auf meinen Balkon. Es war ziemlich früh, man sah noch die Sterne.
Die klare Nachtluft schien mein Gehirn zu durchlüften und ich fühlte mich gleich besser.
Ich zündete mir eine Zigarette an und konnte wieder klaren Gedanken fassen.
Nach ein paar Zügen fragte ich mich, weshalb Alaska überhaupt sauer auf mich war. Natürlich habe ich eine Beziehung kaputt gemacht, aber davon hatte ich ja keinen blassen Schimmer. Davon das Will auf mich stand, wusste ich auch nichts. Also warum war sie sauer? Verständnislos schüttelte ich leicht den Kopf. Sollte sie doch.

Nachdem ich am Filter angelangt war, schmiss ich die Zigarette von meinem Balkon und legte mich wieder ins Bett.
Ich musste eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen öffnete, strahlte die Sonne mit voller Wucht in mein Zimmer. Geblendet, von diesem runden Kreis, der sich nur selten zeigte, machte ich meine Balkontüren zu und zog die Vorhänge davor.
Mein Magen meldete sich lautstark, also ging ich in die Küche um zu frühstücken.

PlatinblondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt