24 Tage vorher

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Es war Montag, ich stand im strömenden Regen vor dem Schulgebäude und wartete darauf, dass Elijah vorbeikam sodass ich mit ihm reden konnte.
Als ich die Hoffnung aufzugeben schien, lief Will an mir vorbei und ich ergriff die Gelegenheit auch mit ihm die Sachen zu klären.

"Will.", rief ich und er drehte sich überrascht um.
"Können wir reden?"

Er nickte und wir entfernten uns ein Stück von dem Eingang um ungestört zu sein. Mir fehlten die Worte, ihm auch.

"Bist du noch sauer?", fragte ich nach ein paar Minuten Stille.

"Warum sollte ich?"

Ich zuckte mit den Schultern.
"Was ist mit dir und Arya?"

"Wir haben uns getrennt. Ich hatte keinen Gefühle mehr für sie aber nachdem wir geredet hatten sind wir im Guten auseinander gegangen."

Er sprach mit einer erstaunlichen Leichtigkeit über Arya, anscheinend hatte er die Trennung schon überwunden. Oder er konnte seine Gefühle gut verbergen.

"Tut mir leid wegen..", murmelte ich und brach ab.

Ich wusste nicht wie ich den Satz beenden sollte. Tat mir der Kuss leid oder das ich seine Gefühle nicht erwiderte?

"Ist schon okay.", lächelte er und strich mir über den Arm.
"Gehen wir rein? Es regnet ziemlich stark.", lachte er und zeigte auf die tief hängenden Wolken über uns.

Lächelnd nickte ich. Will war kein Freund von Streit und man konnte sich viel leichter mit ihm vertragen als sich in die Haare zu kriegen.

Vor dem Eingang stand Elijah, rauchend an der Wand gelehnt, seine Kapuze ins Gesicht gezogen.

"Geh schonmal rein, ich komm gleich nach.", murmelte ich, woraufhin Will nickte und uns alleine ließ.

Ich kann unmöglich mit ihm Schlussmachen, war der erste Gedanke der mir durch den Kopf schoss, als ich ihn sah. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen ohne ihn zu sein. Ein Leben ohne Elijah, war das für mich überhaupt möglich? Ich wusste es nicht und wollte es auch gar nicht wissen. Auch wenn das mit uns nur ein Traum war, wollte ich ihn wenigstens noch ein bisschen auskosten.

Ich lehnte mich neben Elijah und wartete auf eine Reaktion von ihm.

"Hi.", nuschelte er nach einer Weile.

Wenigstens sprach er noch mit mir.
Es war kurz vor Unterrichtsbeginn, weshalb ich gleich auf den Punkt kommen wollte.

"Was ist das jetzt zwischen uns?", fragte ich und hatte schreckliche Angst vor seiner Antwort.

So kühl war es noch nie zwischen uns gewesen, wobei ich wusste es würde eines Tages so sein.

"Ich weiß es nicht.", antwortete er und sah mir gequält in die Augen.

"Liebst du mich?"

Er betrachtete mich. Durchdringend, als würde sein Blick meine Knochen durchbohren. Unergründlich.

"Natürlich."

Ein Lächeln stahl sich über meine Lippen. Darüber ob es gut oder schlecht war das er mich noch liebte konnte man sich streiten.

"Und warum vertraust du mir nicht?"

Er zögerte und versuchte sich irgendwie aus diesem Gespräch zu winden. Aber ihm war klar, das wir klären mussten, wie es weiter gehen sollte.

"Auch das weiß ich nicht. Ich hab unglaubliche Angst dich zu verlieren."

Wow.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber davon hatte ich schon gehört, Eifersucht, das Feuer der Leidenschaft. Geglaubt hatte ich das nie. Bis jetzt.
Ich legte meine Arme um seinen Bauch und drückte mich an ihn. Durch seine nasse Kleidung drang seine Wärme und ich fühlte mich so wohl wie noch nie in seinen Armen.

"Du musst mir vertrauen. Ich liebe nur dich."

Elijah gab mir einen Kuss auf den Scheitel und machte sich von mir los.

"Ich werde es versuchen.", sagte er.

"Versprochen?"

"Versprochen."

Ich lächelte. Vielleicht war unsere Liebe ja doch nicht von Anfang an zum scheitern verurteilt gewesen.

"Tut mir leid was ich dir angetan hab.", murmelte er kaum hörbar.

Man merkte an seinem Gesichtsausdruck das er es wirklich ernst meinte. Unter anderen Umständen und ohne Alkoholeinfluss hätte er das niemals getan.
Ich lächelte gequält und gab ihm einen Kuss auf die Backe, dann nahm ich seine Hand und steuerte auf den Eingang zu. Die Glocke, die den Unterrichtsbeginn verkündete, hatte längst geklingelt und ich konnte es mir nicht mehr erlauben zu spät zum Unterricht zukommen. Obwohl ich ohnehin schon zu spät war.

"Wir sehen uns, denke ich?"

Er nickte, nahm mich nochmal in den Arm, als würden wir uns eine lange Zeit nicht mehr sehen und ging in die entgegengesetzte Richtung.
Ich holte meine Bücher aus dem Spind und machte mich auf den Weg zum Klassenraum.
Wir hatten uns zwar ausgesprochen, doch trotzdem fühlte es sich nicht mehr so an wie früher, wenn wir zusammen waren. Seine Schuldgefühle standen ihm im Weg und ich konnte es ihm nicht verübeln. Natürlich war ich wegen dem Vorfall nicht sauer, doch ich konnte auch nicht einfach darüber hinwegsehen. Auch wenn ich es wollen würde.
In Gedanken versunken platze ich in den Unterricht und nahm neben Will meinen Platz ein. Der Stoff, den wir durchnahmen war eigentlich ziemlich interessant aber ich hatte im Moment keinen Nerv dafür mir Gedanken darüber zu machen warum sich van Gogh nun wirklich das Ohr abgetrennt hatte. Also beschloss ich einfach aus dem Fenster in den strömenden Regen zu sehen und hoffen, der Schultag würde schnell vergehen.

Er verging nicht.

In der Pause bat Will mich zu ihnen zu setzten, doch ich lehnte dankend ab. Ich verbrachte viel lieber die Zeit alleine, seit ich gemerkt hatte wie angenehm das ist.
Also nahm ich mein Tablett und setzte mich an einen Tisch im hinteren Teil der Mensa. Träge schob ich mir einen Löffel nach dem anderen in den Mund, als sich plötzlich Anny zu mir setzte. Verwundert hob ich meinen Kopf, sie hatte ich am wenigsten erwartet. Sie machte keinen Anstalten etwas zu sagen also aß ich weiter und überlegte was ich heute Abend machen würde. Höchstwahrscheinlich Herr der Ringe anschauen.

"War nicht so gemeint, was ich letztens zu dir gesagt habe. Anscheinend bist du ganz in Ordnung.", sagte Anny, als ich den letzten Bissen Nudelsalat runtergeschluckt hatte.

"Danke.", sagte ich.

Sie nickte und stocherte in ihrem Essen. Unschlüssig etwas zu sagen kniff sie leicht ihre Augen zusammen und sah mich an.

"Du und Elijah, seid ihr zusammen?", fragte sie dann schließlich und musterte mich prüfend.

Ich nickte verwundert. Warum interessierte sie das?

Ihr Mund verzog sich zu einer dünnen Linie und sie stand auf, ohne ihr Essen auch nur angerührt zu haben.

"Pass auf, das du nicht an ihm kaputt gehst. Falls das nicht schon geschehen ist."

Ohne mich noch eines Blickes zu würdigen machte sie kehrt und verschwand aus der Mensa.

PlatinblondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt