27 Tage vorher

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"Gott sei dank bist du hier.", lächelte ich, schob Leo ins Wohnzimmer und drückte ihm ein Bier in die Hand.

Ich muss gestehen, mehr als die Hälfte der Leute hier kannte ich nicht und den Rest konnte ich nicht leiden. Mein Bruder brachte sogut wie nie Freunde mit nach Hause deshalb hatte ich mich auch etwas verloren in der Masse gefühlt.

Wir redeten ein wenig, ich spürte wieder dieses angenehme Gefühl der Geborgenheit, das prompt zunichte wurde, als ich plötzlich am Arm gepackt und in die Küche geschleift wurde.

"Was läuft da zwischen dir und Leo?", fragte Luke, verschränkte die Arme und zog eine Augenbraue nach oben.

"Nichts? Wir sind nur Freunde.", sagte ich, langsam nervte es mich das alle annahmen ich hätte was mit ihm.

"Sieht er das genauso?"

Ich stockte. Warum sollte er es anders sehen? Wir sind beide in einer Beziehung.

"Ich.. ich denke schon.", stammelte ich, Luke hatte mich jetzt ziemlich verunsichert.

"Vielleicht solltest du das mal klar stellen. Er ist nämlich nicht gerade die Treue in Person.", sagte er scharf.

Als er seinen Tonfall bemerkte, tätschelte er mir gegen die Schulter und drückte mir noch ein Bier in die Hand.

Dann wurde er von irgendeinem Mädchen aus dem Zimmer gezogen, und ich fragte mich wo Len eigentlich war.
Ich stand alleine in der Küche, unsicher wohin ich gehen sollte, denn im Wohnzimmer wartete Leo, der vielleicht doch mehr wollte, auf mich und im restlichen Haus könnte ich Alaska und irgendwelchen anderen betrunkenen Trotteln begegnen.

Ich hatte wirklich angefangen ihn zu mögen aber nur als Freund und nicht als Seitensprung.
Und Luke hatte mich jetzt tatsächlich verunsichert. Andererseits, wurde ich nie sonderlich groß von Männern beachtet, warum sollte sich das jetzt plötzlich ändern.
Ich nahm einen großen Schluck von meinem Bier, wissend es würde noch ein langer Abend werden. Aber warum war ich noch nüchtern? Ich hatte ziemlich viel intus und normalerweise müsste ich jetzt dumm kichernd irgendwelche Leute anreden.
In dem Moment verspürte ich allerdings nicht mal einen Hauch des Alkohols.
Erneut seufzend nahm ich noch einen Schluck, wollte zurück zu Leo gehen, als ich fast in jemanden reinlief.

"Können wir reden?", fragte Alaska, die plötzlich mit verheulten Augen vor mir stand.

Genervt verdrehte ich die Augen. Was wollten denn alle von mir?

"Eigentlich nicht.", antwortete ich, ich hatte wirklich keinen Nerv dafür.

Flehend sah sie mich an, woraufhin ich gereizt stöhnte und nach draußen ging. Sie folgte mir und ich sah sie mit verschränkten Armen erwartungsvoll an.

"Es tut mir so leid wirklich. Das alles. Ich nahm an du wüsstest das Will und Arya noch zusammen waren. Und als ich erfahren hab, dass dies nicht der Fall war, wurde ich sauer, weil du nicht mal versucht hast es mir zu erklären. Ich weiß ich hatte kein Recht auf dich böse zu ein und erst recht nicht dich so fertigzumachen, aber ich war einfach enttäuscht. Und ich erwarte auch nicht das du mir verzeihst, ich will nur das du verstehst."

Sie heulte tatsächlich, es mag vielleicht herzlos sein aber ich hatte kein Mitleid mit ihr. Alaska wusste von meiner Vergangenheit, dass ich depressiv war und trotzdem hatte sie mich so achtlos behandelt.

"Dich kann man nicht verstehen.", antwortete ich schroff und ließ sie draußen stehen.

"Fay, bitte.", rief sie mir hinterher.

Ihr Schluchzen ignorierend drängte ich mich durch die Leute hoch in mein Zimmer, lehnte mich gegen die Wand und ließ mich auf den Boden sinken.
Was hatte sie denn erwartet? Bestimmt nicht das ich vor Freude weinend in ihre Arme sprang und alles wieder gut war.
Vor dem ganzen Drama hatte ich gedacht wir wären beste Freunde, aber in letzter Zeit hatte ich das Gefühl ich wäre ohne sie besser dran. Was auch nicht gerade sehr nett von mir war.
Aber sie hatte mir auch nie das Gefühl gegeben gebraucht zu werden, ich war eher ein Lückenbüßer.
Und ich dachte immer ich hätte mehr verdient, als nur ein Lückenbüßer zu sein. Nun ja, auch ich irre mich. Trotzdem fragte ich mich manchmal warum all das schlechte in meinem Leben passieren musste. Falls es sowas wie einen Gott gab, dann hatte er gewaltig etwas gegen mich.

Eigentlich wollte ich wirklich nicht Lukes Geburtstag verpassen, er fragte sich bestimmt schon wo ich abblieb, doch der Abend war furchtbar und ich musste einfach hier raus.

Ich zog mir eine Jacke über und schlüpfte in meine Stiefel, ehe ich leise die Tür hinter mir schloss, wobei das völlig überflüssig war, denn erstens, war es so laut, niemand hätte es bemerkt wenn ich die Tür zugeknallt hätte, und zweitens gingen die Leute ein und aus als wäre das hier ein Einkaufsladen oder sowas.

Ich steckte mir eine Zigarette an und zog fröstelnd den Reißverschluss meiner Jacke zu, es war kälter als erwartet.

"Fay?"

Eine an der Mauer lehnende Gestalt ging auf mich zu. Er hatte eine Kapuze auf, die einen schwarzen Schatten auf sein Gesicht warf, weshalb ich es nicht erkennen konnte.
Automatisch wich ich einen Schritt zurück, die altbekannte Panik kroch langsam meine Knochen hoch und ich begann noch mehr zu frösteln.

Als er vor mir stand zog er seine Kapuze zurück.

"Mein Gott, hast du mich erschreckt Leo.", lachte ich erleichtert auf und fasste mir an mein pochendes Herz.

Er lächelte leicht.

"Was machst du hier draußen?", fragte ich und drückte die Zigarette mit dem Schuh aus.

"Wollte ein bisschen Luft schnappen.", sagte er, vergrub seine Hände in den Taschen und schaute die Straße entlang. "Und du?"

"Ich wollte einen Freund besuchen. Elijah. Du hast ihn mal kurz auf einer Party kennengelernt."

Einen Freund? Verdammt, warum hatte ich das gerade gesagt? Beschämt biss ich mir auf die Lippe, sah zu Boden und hoffte er würde die Röte nicht bemerken, die mir soeben ins Gesicht schoss. 
Wenigstens hatte ich noch so etwas wie ein Schamgefühl.

"Soll ich dich begleiten?"

Ich nickte, obwohl ich eigentlich ablehnen hätte sollen.
Zu gut wusste ich was Elijah von Leo hielt, trotzdem hatte ich mich irgendwie nicht mehr unter Kontrolle. Mir drehte der Kopf und ich versuchte mir nicht auszumalen wie Elijah reagieren würde.

Wir schlenderten schweigend los und nach einer Weile bot er mir einen Zug seiner Zigarette an, die ich dankend annahm. Vielleicht würde ich dann etwas klarer im Kopf werden.

Oder auch nicht.

Wir standen peinlich berührt vor Elijahs Haustür und wussten nicht wie wir uns verabschieden sollten. Er stand mir gegenüber und sah mir so intensiv in die Augen, das meine Haut zu prickeln begann und ich glaubte innerlich zu verbrennen. Auf eine gute Weise, falls sich innerlich verbrennen auf irgendeine Art gut anfühlen konnte.
Es war so anders als mit Elijah, nicht unbedingt besser aber trotzdem verlockend.
Aber warum verglich ich die beiden überhaupt?
Als ich im Augenwinkel sah, wie das Licht in Elijahs Flur anging, verabschiedete ich mich, drückte Leo schnell aber intensiv an mich und spürte etwas das ich wahrscheinlich nicht hätte spüren sollen.

Ihn.

Es.

Er hatte tatsächlich einen Ständer. Ich wusste nicht ob er wusste, dass ich es wusste [lol], es war mir auch ziemlich egal.
Mit hochrotem Kopf löste ich mich von ihm, murmelte ein 'Tschüss' und eilte zu Elijahs Haustür, der mir verdutzt aufmachte, sich jedoch freute mich zu sehen und ich nur an den Ständer eines anderen denken konnte.

PlatinblondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt