11 - Mädchen

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"Oj qur (huhn) ich hab dich sowas von vermisst.", schrie Rinora und umarmte mich ganz feste.
"Ich krieg bald keine luft oj lop (kuh)". Sie lachte und lies mich los. "Danke, dass du dich auch freust mich zu sehen.", sagte sie gespielt traurig. Ich lächelte sie an und gab ihr aus Reflex einen Kuss auf die Wange. "Und wie ich das habe." Jetzt lachte sie wie ein Honigkuchenpferd. Sie war einfach die Beste. In so kurzer Zeit hatte ich sie in mein Herz geschlossen. Sie war sowas wie meine beste Freundin auch wenn wir noch nicht alles voneinander wussten aber wie auch wir kannten uns ja nicht allzu lange. Das wird sich noch bestimmt ändern.
"Gehen wir heute nach der Uni was zusammen essen.", sagte sie freudig. "Ja, sehr gerne. Aber nur wir beide.", sie lachte. Das hieß kein Jetmir und kein Ardian. Auch wenn ich beide sehr mochte, manchmal will man einfach Zeit unter Mädchen verbringen.

Die Unistunden vergingen wie im Flug. Das hatte ich auch Ardian und Rinora zu verdanken. Beide versüßten mir meine Zeit hier.
So liefen wir zu dritt aus dem Raum. "Was habt ihr noch vor?", fragte er freundlich.
Wir beide mussten lachen. Sollten wir ihm von unserem Treffen erzählen? Ach, er wird bestimmt nicht sauer. Sowas muss man halt verstehen.
"Wir gehen zusammen noch etwas Essen.", sagte ich ganz verlegen. Ardian schaute uns beide mit einer hochgezogenen Augenbraue an. "NUR WIR BEIDE.", sagte Rinora noch und wir lachten wieder wie die Hühner. Auch Ardian musste lachen. "Schon klar. Ich will euch garnicht stören. Schönen Tag noch." Er umarmte Rinora und dann mich und ich hatte das Gefühl ein paar Sekunden länger als Rinora seine Umarmung genießen zu dürfen. Schon war er weg. Ich stand da noch wie benebelt. Rinora lächelte mich an. "Da hat sich aber jemand verguckt."
Ich schlug sie leicht auf den Oberarm. "Wir reden beim Essen.", fügte sie dann noch zu und hackte sich bei mir unter.

Nun saßen wir zusammen beim Italiener im Limbecker Platz. Wir hatten beide Pizza bestellt und ein Getränk dazu. Ich nippte an meinem Eistee und bemerkte Rinoras Blick auf mir. Sie grinste und konnte garnicht mehr aufhören. "Hör auf mich so anzugrinsen. Du machst mir Angst.", sagte ich und sie grinste nur noch mehr. "Du musst mir alles erzählen Agnes. ALLES!".Ich schaute ihr in die Augen. Sie waren wunderschön. Innen blau und nach außen hin immer dunkler. Diese Augen strahlten Freude aus und Ehrlichkeit. Ich kannte sie nicht allzu lange, aber ich wusste, dass meine Geschichte bei ihr sicher war. Ich konnte ihr vertrauen.
Ich fing also einfach mal an zu erzählen.

"Ardian hat mir am Wochenende beim Streichen und Tapezieren geholfen.", sagte ich ganz locker und sie kreischte drauf los. "Psht.", sagte ich mit einem gespielt bösem Blick. "Ich wusste doch, dass da was läuft." ,sagte sie und wackelte mit ihren Augenbrauen. Das Mädchen war eindeutig verrückt.
"Da läuft nichts. Also zumindest lief da nichts am Wochenende. Wir verstehen uns ziemlich gut. Er ist echt nett und anständig. Aber mehr wird da nicht draus Rinor.", sagre ich und spielte mit meinem Getränk. Irgendwie machte mich der Gedanke traurig. Ich wusste einfach, dass er nie etwas von mir wollen würde, wenn er wüsste, dass ich verlobt war. Rinora zog eine böse Miene. "A je budall? (Bist du blöd) Hast du mal gesehen wie er dich anschaut? Wie er verrückt wird, wenn er dich umarmt? Agnes, der Typ will was von dir. Das sehe ich." Mich freuten diese Worte. Sie machten mir ein bisschen Hoffnung. "Rinor. Ich muss dir einiges erzählen. Es ist nicht so leicht wie du denkst.", sagte ich nun traurig. Sie schien nicht zu verstehen um was es ging. "Ich..", ich machte eine Pause. Mir fiel es schwer darüber zu reden. "Ich war verlobt." Nun ist es raus. Ihre Augen weiteten sich aus. Sie schien diese Antwort nicht erwartet zu haben. Nach einer langen Pause fang sie sich wieder zusammen. "Was heißt du warst?", fragte sie nun vorsichtig. Ich erzählte ihr meine ganze Geschichte. Es tat so gut mit einer Person zu reden, die nicht dabei war und mir einfach nur zuhören kann um sich ein eigenes Bild zu machen. Sie nickte immer nur verständnisvoll. Als ich beim Part von der Trennung kam nahm sie meine Hand und fuhr mir ganz vorsichtig über den Handrücken. Sie hatte Mitleid mit mir. Das sah ich.
Ich hatte ihr nun alles erzählt. Sie war geschockt und brach kein Wort mehr raus.
"Rinor, du weisst genau wie die Menschen unserer Kultur sind. Ich weiß nicht alle sind so, aber Ardian hat mir erzählt, dass seine Eltern sehr streng sind in so einer Hinsicht." Sie ließ ihre Schultern fallen. Keiner von uns sagte etwas. Wir wussten beide, dass seine Eltern eine mal verlobte Frau für ihren perfekten Jungen nicht akzeptieren würden.
"Und was ist, wenn er dich liebt zemer?", sagte sie nun. Ich schaute in ihre Augen. Daran hatte ich nicht gedacht, aber es klang sowieso absurd. Wer stellt sich gegen die Familie für eine Frau? Er kann hundert andere haben. "Das macht keinen Unterschied. Sobald er das erfahren würde, wäre es mit der Liebe vorbei. Man wird doch direkt mit einem anderen Auge angesehen. Du weißt genau, wie wichtig es für albanische Jungs ist deren Eltern stolz zu machen. Mit mir sicherlich nicht.", sagte ich nun verzweifelt. Rinora hörte nicht auf meine Hand zu drücken und sie zu streicheln. Sie fühlte mit mir. "Rinor. Versprich mir, dass du es keinem sagen wirst. Auch nicht Jetmir. Keinem!", sagte ich nun ernst. Sie nickte nur ganz wild. "Ich verspreche es.", sagte sie.

Wir aßen unsere Pizza. Beide in Gedanken versunken.
"Empfindest du was für ihn?", fragte sie nun ganz vorsichtig. Ich hätte wissen müssen, dass diese Frage kommt. Ich wollte sie nicht anlügen. "Ja.", sagte ich ganz leise. Nach einer kurzen Pause fuhr ich dann fort. "Er ist so nett, so zuvorkommend, bodenständig. Er ist eigentlich perfekt. Er ruft mich oft an, er hielft mir bei meiner Wohnung und er hat sogar meine Eltern kennengelernt." Rinora schaute jetzt von ihrem Essen auf. Ihre Augen weiteten sich auf. "Er hat wassss?!", schrie sie schon fast. "Er hat meine Eltern kennengelernt. Ich hab ihn als meinen besten Freund vorgestellt und wir waren zusammen was essen. Meine Eltern wollten sich dafür bedanken, dass er mir geholfen hat.", sagte ich. "Bevor du dich fragst, meine Eltern sind nicht streng in der Hinsicht. Sie wissen was in der Vergangenheit passiert ist und vertrauen mir. Wäre da mehr mit Ardian würden sie es erfahren.", fügte ich noch schnell hinzu. "Krass.", murmelte Rinora nur. Sie konnte es wahrscheinlich garnicht glauben. Alles ist in so kurzer Zeit passiert.
Wir aßen weiter und sprachen noch über meine Eltern und über meine Vergangenheit. Rinora machte mir keine Vorwürfe, sie schien auch kein schlechtes Bild von mir zu haben und sie hörte mir immer genau zu. Keine Sekunde dachte ich daran, dass sie das vielleicht nicht interessiert oder das sie nun abgeneigt von mir ist. Nein, dieses Gespräch schien unsere Freundschaft nur zu festigen.
Wir standen beide auf, bezahlten und liefen zusammen noch durch die Stadt. "Und was willst du jetzt machen, schatz? Willst du ihm irgendwann davon erzählen?" "Ich weiss nicht Nor. Meine Eltern haben mich das auch gefragt, aber ich kann es ihm nicht erzählen. Ich bin im Moment so dankbar für seine Freundschaft und freue mich jedes Mal ihn in meiner Nähe zu haben. Mit dem Geständnis würde er mich doch ganz anders anschauen. Ich wäre für ihn nicht mehr die Agnesa, die er kennengelernt hat. Und ich will ihn für soetwas nicht verlieren." Sie nickte nur. Das machte also Sinn für sie. Sie war ja auch ein Mädchen, sie konnte also meine Situation bestens verstehen.
"Aber wechseln wir nun das Thema.", sagte ich wieder lächelnd und zog sie bei Mango rein. "Lass schauen, was es so gibt." Sie lächelte mich an, aber in ihren Augen sah ich, dass sie mit mir litt. Aber das Leben ist nun mal so. Nicht alles läuft nach Plan. Und manchmal sind Erfahrungen einfach eine Lektion im Leben, ob zum guten oder zum schlechten.

Wir hatten einiges geshoppt in der Stadt, hatten zusammen Fotos gemacht und nochetwas getrunken. Nun liefen wir zu meinem Auto. Ich fuhr Rinora noch nach Hause, damit sie nicht den Zug nehmen musste.
"Wenn du jemanden zum reden brauchst zemer, ruf mich immer an.", sagte sie, umarmte mich und stieg aus meinem Auto aus. Sie war ein Engel und stumm bedankte ich mich bei Gott diesen Menschen kennengelernt zu haben.

Wieso Liebe Ich Dich../ Pse Te Dua?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt