Someone like you

32 1 0
                                    

"Mary, kommst du?" fragte meine Freundin. "Ich geh nicht auf die beschissene Party." murmelte ich. Joana stand schon am Treppenabsatz und wartete scheinbar auf mich. Ein Wunder dass sie die Geduld für mich aufbrachte.
"Komm schon, die Party im Verbindungshaus ist voll cool. Das beginnt erst in 15 Minuten und du bist immer noch im Schlabberlook."
Ich seufzte. Ich mein, ich hab meine Freundin ja echt lieb und so, aber ich hasse Partys.
Ne wirklich. Damit kann ich nichts anfangen.
Joana sah mich eindringlich an. "Es sind dort eh Leute die ich nicht kenne." schnaubte ich. Langsam machte mich das wütend. "Mary, bitte."
"Nein!"

Irgendwie kam ich doch zur dieser Party. Die Überredungskunst von meiner Freundin ist echt genial. Zwar ungeschminkt und in Kapuzenpulli aber immerhin in Jeans und Sneakers. Ich wollte auch meine Mähne offen lassen.

"Hey, lange nicht gesehen." neckte mich mein Freund David und er lachte. Sein Lachen war meist ansteckend. Ok ich mag ihn, aber nicht, wenn er eine Fahne von einem Whiskey hatte.
Ich glaub, er war angetrunken. "Fühlst du dich gut?" rief Joana durch die laute Musik. Wieder ein Grund gegen die Scheißparty. "Jo, kann man sagen." antwortete ich leise.

Langsam ging ich zur Bar. "Eine Cola, bitte. Ohne Alk."
"Ok."
Der Junge, der übrigens echt süß aussah, schenkte mir eine Cola mit ein paar Eiswürfeln ein. "Danke."
Sofort drehte ich mich zum Fenster. Fast verschluckte ich mich, denn dort standen ein paar Girls die an der Stange tanzten- halbnackt.
Ich brauchte frische Luft und eine Zigarette.
Sofort bahnte ich mir einen Weg nach draußen.
Meinen Blick nach links verriet mir einen Jungen. Er küsste meine Freundin. Ich schaute genauer hin: Das kann nicht wahr sein! Vor Zorn zitternd, zog ich nochmal an meinem Glimmstängel.
Zufällig blickte mein "Freund" zu mir. Er wirkte nicht mal schuldbewusst. Und ich? Ich war erst recht baff.
Wie in Trance ging ich schnellen Schrittes zu ihm und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige.
Seine glasigen Augen nach zu urteilen, war er wirklich betrunken. Wie alle anderen um mich herum auch.
Nachdem ich mein geleertes Glas abgegeben hatte, kam der Junge von der Bar. "Hi. Ich bin Mike. Ist es ok wenn ich dich nach Hause bringe?"
Ich sah ihn an. Seine schokobraunen Augen überraschen mich schon etwas.
"Ist schon ok." sagte ich.
Kieselsteine knirschten unter unseren Füßen, doch das störte mich wenig.
"David ist so ein Arsch!" rutschte es aus mir raus. "Ups." fügte ich noch hinzu und schlug mir erschrocken die Hand vor dem Mund.
"Ist nicht so schlimm. Ich mag ihn jetzt auch nicht wirklich. Vom Barkeeper wurde er schon oft rausgeworfen. Wegen Schlägerei."
"Was?"
"Du hast schon richtig gehört."
"Oha." Ich war sprachlos. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass David wirklich so drauf ist.
"Ich kenne ihn doch. Er würde es doch nie tun." beteuerte ich immer noch ungläubig.
"Eben nicht." Mikes Stimme ist ruhig.
Wir standen schließlich an meiner Haustür von der Studentenwohnung. "Danke Mike.War lieb von dir, dass du mich nach Hause gebracht hast." meine Stimme zitterte.

"Hey, es ist doch jetzt alles gut, du musst doch nicht weinen." flüsterte er, als mir eine Träne über meine rechte Wange lief. Seine starken Arme umarmten mich bis mein Kopf auf seiner Schulter ruhte. Meinen Tränen ließ ich freien Lauf. Es schüttelte mich regelrecht. Zwar kannte ich den Jungen nicht, doch eine Umarmung tat doch echt gut.
"Mary... alles wird gut."
Ich glaubte seinen Worten nicht. Ich fühlte mich wie in einem... schlechten Traum.
"Bitte mach, dass es besser wird." wimmerte ich leise.
Er strich mir sanft über meine langen Haare. "Es wird bald wieder gut."
Lange Pause.
"Ich geh jetzt besser mal rein." Mit diesen Worten löste ich mich von ihm und zückte meinen Haustürschlüssel. Einmal fuhr ich mit meinem Ärmel von dem Kapuzenpulli über die Nase während ich den Schlüssel drehte. Mike legte seine warme Hand auf meinen Rücken. Irgendwie war das tröstlich. Vielleicht kannte er mich, aber ich ihn nicht.

Wem kann ich eigentlich noch trauen?

Dieser Gedanke schoss mir am nächsten Morgen durch den Kopf. Joana ist ja eigentlich eine gute Freundin, aber na ja... sie war betrunken. Ist ihr etwas passiert? Ich zuckte bei diesem Gedanken extrem zusammen.

Beim Lernen für die Uni ging meine Motivation flöten. Mit meinem Kaffee in der rechten Hand und das Handy in der linken, ging ich zum nahe gelegenen Park. Es war dort ruhig und ich konnte abschalten. Das Grün der Natur beruhigte mich. Mein Handy blinkte lila auf und ich schaute nach einer Nachricht.

Sammy: Ich hab gehört was gestern mit Joana passiert ist.

Das ist doch nicht dein Ernst oder?

Mary: Was hast du gehört? Ist ihr was passiert?

Scheiße, ich habs geahnt.

Sammy: Ja...

Mary: Sag schon.

Sammy: Ich komm zu dir.

Ich schrieb ihr natürlich wo ich war, dann legte ich mein Handy weg.
Nachdem ein älterer Herr an mir vorbei ging, zündete ich eine Zigarette an und wartete auf meine Freundin Sammy.

"Hey, Mary." Ihre Stimme klang etwas hoch, aber ebenso zart wie ein Engel.
"Selber hey." Ich brachte ein schiefes Lächeln zustande. Sie hatte mich eben aus meinen Tagträumen gerissen. Nun machten wir uns auf dem Weg.
"Was ist denn mit Joana passiert?" brach ich flüsternd das Schweigen. Sammy sah mich an. Ihre Augen glänzten und spiegelten ihre Sorgen.
"Sie ist im Krankenhaus."
Und ehe sie es aussprach, standen wir vor der Klinik. Tapfer hielt sie noch ihre Tränen zurück, doch später als wir Joana an Kabeln angeschlossen entdeckten, begann Sammy erst recht zu weinen. "Hey...." doch meine Bemühungen zum Beruhigen schlugen fehl.
Joana schaute uns aus ihren leeren Augen an. "Hallo... danke dass ihr gekommen seid." krächzte sie. Für meine Anschuldigungen ist jetzt wirklich keine Zeit. Jetzt musste ich einfach dafür sorgen dass es meiner Freundin besser geht. Auch ich war geschockt, als ich das Zimmer betreten hatte.
"Gerne. Wie geht es dir?" fragte ich.
"Beschissen. Bin noch verwirrt. Wurde geschlagen. Von David." Ihre Worte splitterten durch und durch.
"Er wollte mich. Wir waren beide betrunken. Doch ich wollte ihn nicht."
Gebannt hingen Sammy und ich an ihren Lippen.
"Joana, es tut mir so leid." winselte Sammy.
Sie hob beschwichtigend die Hand. "Ist schon okay. Sie haben die Polizei wahrscheinlich gerufen."
"Was ist mit ihm jetzt?" hakte ich nach.
"Er sitzt im Revier. Keine Ahnung was die mit ihm machen. Auf jeden Fall kann er uns nichts mehr tun." erzählte Joana zu Ende. Offenbar hatte ihr das jemand erzählt, oder sie erlebte das selbst.
Als sie sich zu uns umdrehte, entdeckte ich einen großen, blauen Fleck. Das war eindeutig ein Beweis. Ich setzte mich auf die Bettkante und umarmte meine Freundin. "Es wird bald wieder gut." wiederholte ich die Worte von Mike. Diesmal glaubte ich daran.
Sammy setzte sich mit tränennassen Augen zu uns und wir weinten alle drei miteinander. Teils aus Freude weil Joana nichts weiter Schlimmes passiert ist und teils aus Wut, weil das so passiert war.

Im Sommer, also drei Monate später, als ich Semesterferien hatte, saßen wir bei mir zu Hause auf dem Lande. Meine Mom brachte einen leckeren Erdbeerkuchen und ich eine Sachatorte auf die sonnige Terrasse. "Schön dass ihr auch alle wieder hier seid." meinte Mom lächelnd. Sie war auf jeden Fall ein lebensfroher Mensch. "Mmmh, was für ein leckerer Kuchen." lobten Joana und Sammy gleichzeitig.
Zum Glück war ich jetzt happy Single. Das Leben zeigt sich auch von der schönen Seite. "Huhu!?" machte Joana und riss mich aus meinen Tagträumen. "Ja?"
"Dahinten am Zaun steht ein Junge. Willst du ihn reinlassen?"



KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt