Die laute Musik dröhnt durch den Saal. Männer und Frauen höchst aufgebrezelt und gut gelaunt tanzen glücklich und lachend miteinander. Alle Männer tragen Anzüge, alle Frauen festliche Kleider. Kinder huschen amüsiert durch den Saal und stibitzen ein Stück der drei-stöckigen Torte. Ein junger Mann drängelt sich durch die tanzende Menge und setzt neben ein Mädchen. Sein Lächeln verschwindet sofort sobald er ihren leeren Blick sieht. Er kann sich nicht dazu bringen sie anzusprechen, geschweige den sie zu berühren. Obwohl sie seine Ehefrau ist. Der junge Mann erinnert sich an die Hochzeitszeremonie:
Lächelnd hat sie sich neben mich gesetzt doch wenig später rollt eine Träne ihre Backe herunter. Ihr Mutter, mit Tränen und Angst in den Augen, wischt leise die Träne ihrer Tochter weg. Nicht ein einziges Mal hat sie mich angesehen während der Zeremonie. Irgendwann hat sie die Augen ganz geschlossen. Mir war bewusst sie wollte mich nicht heiraten. Ich kann mich jetzt noch an die strengen Worte ihres Vaters erinnern:
Denk nicht,
Sprich nicht,
Tu was dir gesagt wird,
Lächle und weine nicht,
Verstanden.
Ein leises Ja ist aus ihrem Mund gekommen.
Der Imam fragt sie ob sie mich wirklich heiraten will. Zögernd öffnet sie ihre Augen und antwortet mit einem wimmern. Während ihr erneut eine Träne die Wange herunter kullert. Als der Imam mir dieselbe Frage stellt stockt mir der Atem doch ich bejahe. Ich kann ihre Angst förmlich greifen. Der Grund für unsere Heirat war nicht Liebe...sondern der Wille unserer Väter. Die Gäste jubeln. Ich stehe auf und schaue auf sie herab. Ihr Vater wirft seiner Frau einen wütenden Blick zu. Ängstlich geht die Frau zu ihrer Tochter hin und hilft ihr hoch. Das Mädchen wehrt sich nicht. Mit gesenktem Blick steht sie mir gegenüber. Ich zwinge mich zu lächeln während ich ihren Schleier von ihrem Gesicht entferne. Würde diese Trauer ihr Gesicht nicht prägen wäre sie das schönste Mädchen das ich je gesehen habe. Ich nähere mich ihr und versuche ihr Gesicht in meine Hände zu nehmen doch sie zuckt leicht zusammen. Was soll ich tun. Es ist Tradition das der Bräutigam seine Braut auf die Stirn küsst sobald der Imam sie verheiratet aber sie hat offensichtlich Angst vor mir. Ich drehe mich zu den Gästen und zwinge mich zu lächeln. Sie hebt den Kopf und zum ersten Mal kann ich ihre Augen sehen. Ein wunderschönes Schokoladenbraun. Jedoch sind sie gefüllt mit Tränen.
Er seufzt bei dem traurigen Anblick seiner Ehefrau. Was kann er tun? Nichts. Er fühlt sich nutzlos. Ein Mittel zum Zweck. Nicht einmal haben sie miteinander geredet und jetzt sind sie verheiratet. Er hatte eine Wahl...mehr oder weniger. Er wurde gefragt ob er sie heiraten wolle oder nicht. Doch die Frage lautete: Heiratest du sie oder willst du eine Schande für die Familie sein. Sie hatte keine Wahl. Eines Tages standen er und seine Eltern vor der Tür und baten um ihre Hand. Das ganze mit dem Heiraten ist schwierig als Araber auch wenn man in einem europäischen Land aufwächst.
"Amira. Komm. Wir fahren jetzt.", die Mutter der traurigen Braut zieht ihre Tochter am Arm während sie ihren Schwiegersohn anlächelt. Sie weis das er ein guter Junge ist. Er hatte nie mit Mädchen zu tun den er hat sich auf sein Studium konzentriert. Master of Informatics kann er sich nennen. Er arbeitet für eine bekannte Firma und wird sehr gut bezahlt. Außerdem kommt er aus einer guten Familie und legt gutes Benehmen an den Tag. Mit seiner guten Statur, Größe und seinen grünen Augen gehört er auch zu den Gut aussehenden. Dennoch ist ihre Mutter unglücklich. Wie kann sie auch glücklich sein wenn ihre Tochter Zwangsverheiratet wurde.
Sie fahren eine halbe Stunde zu seiner Wohnung. Wortlos steigen beide aus.
"Ich wünsche dir alles Glück der Welt und bete jeden Tag dafür das du eines Tages wirklich glücklich wirst.", die Mutter nimmt das Gesicht ihrer 18-jährigen Tochter und legt ihre Stirn auf ihre,"es tut mir leid.", flüstert sie ihr zu.
"Es ist nicht deine Schuld. Du kannst nichts dafür.", antwortet das Amira mit ihrer zittrigen Stimme. Sie verabschiedet sich von ihrem Vater, ihrer Mutter und ihrer Schwester bevor sie gemeinsam mit ihrem neuen Ehemann seine Wohnung betreten. Ängstlich betritt sie die Wohnung und zuckt innerlich zusammen sobald sie hört wie die Tür ins Schloss fällt. Still steht sie mitten im einfach möblierten Wohnzimmer. Er kommt langsam auf sie zu. Ihr Herz rast. Sie weis was jetzt kommt. Er wird mit ihr schlafen wollen. Mit dem Mann den sie nicht kennt. Angestrengt starrt sie auf den grünen Teppich als er an ihr vorbei zur Couch geht. Erschöpft lässt er sich fallen. Sie bewegt sich nicht, noch sagt sie ein Wort.
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Über Zwang und Liebe
RomanceKann aus Zwang Liebe werden? Zu Gehorsam gedrillt und in eine Form gepresst die der strengen Gesellschaft passt. Keine eigene Meinung, keine eigenen Entscheidungen. Nicht einmal den Ehemann darf Amira sich selbst aussuchen. Doch sie hat Glück...