Kapitel 1

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Schweißgebadet schreckte ich nach oben und keuchte ängstlich auf. Verdammt. Nicht schon wieder. Normalerweise ging ich davon aus, dass es etwas besser wurde. Leider war es nicht an dem. Wie konnte ich auch glauben davon verschont zu bleiben? Eilig versuchte ich diese wirren Erinnerungen vom Leibe zu kriegen, aber wie? Vergessen war gar nicht so leicht, wenn man bedachte, dass ich so etwas oft hatte. Diese komischen Bilder im Kopf brachten mich früher oder später noch um den Verstand. Das hielt kein Mensch aus. Nicht auf Dauer.

Bebend schwang ich meine zitternden Beine über die Matratze und berührte den ausgekühlten Betonboden. Leider besaß ich kein Bett. Das lag daran, dass ich viel zu häufig meine Bleibe wechselte und ich es somit nicht brauchte. Ich war nie lange an einem Ort und der Grund dafür war, dass diese Träume mich so wahnsinnig verschreckten. Sie brannten sich tief in meine Seele ein, sodass ich glaubte jedes Mal davonrennen zu können. Jedoch schaffte ich es nicht. Immer wieder, wenn ich davon ausging, es war in einer anderen Stadt endlich vorbei, dauerte es nicht lange und es kam wieder. Irgendetwas was ich nicht sehen konnte verfolgte mich. Still und heimlich begleiteten mich nicht bloß die Bilder, sondern auch etwas anderes. Es schien alles real zu sein. Als befand sich etwas in meiner Nähe. Eine Person, die mich beobachtete. Tag und Nacht.

Nachdem ich aufstand und lautlos am Fenster vorbeischlich schaute ich kurz nach draußen. Ich befand mich im vierten Stock eines Wohnhauses. Keine Gardinen. Für andere Menschen sah es aus, als wohnte dort niemand. Das bezweckte ich auch damit. Es sollte keiner wissen wo ich mich befand. Zugleich blieb ich im Schatten stehen und versuchte etwas zwischen den Bäumen zu erkennen. Es war wie ein Zwang den ich befriedigen musste, denn permanent nahm ich irgendetwas im Augenwinkel wahr und auch in diesem Moment sah ich etwas Schwarzes. Zumindest schien es so. ich war mir definitiv sicher. Auf jeden Fall war da etwas, was prompt wieder hinter einem dicken Stamm verschwand. Ich war nicht verrückt. Nein.

Ich schluckte den schweren Kloß in meinem Hals herunter. Wenn ich jemanden davon erzählen würde... Nein. Niemand würde mir glauben. Selbst wenn ich nicht in dieser Situation gewesen wäre, hätte ich mich selbst für durchgeknallt gehaltenen. Ob es wohl in meiner Familie lag? Das wusste ich nicht. Meine eigenen Eltern begegneten mir niemals zuvor. Ich lernte sie niemals kennen. Es konnte ja sein, dass auch einer davon verrückt war. Womöglich lag es daran, dass ich abgeschoben wurde. Möglicherweise wussten sie schon im Vorfeld von meinem Dachschaden. Anders war das nicht zu erklären. 

Leider kam ich auch durch Recherchen nicht dahinter, wo ich direkt herkam. Es war wie ein schwarzer Pfad, der nicht ersichtlich war. Manchmal kam es mir vor, als wurde mit meiner Geburt alles ausgelöscht. Nach zehnjähriger Suche ließ ich es schlussendlich bleiben. Es gab keinerlei Hinweise, als solle ich gar nicht wirklich existieren. Womöglich war mein eigentlicher Name nicht einmal Anna Winter. Vielleicht war ich gar nicht siebenundzwanzig Jahre alt.

Meine nackten Füße huschten weiter über den kalten Boden. Ständig blieb ich nach zwei Schritten stehen und lauschte. Man wusste ja nie. Es konnte sein, dass es nicht bloß eine Person war oder derjenige machte sich doch die Treppen nach oben auf. Aber man kannte die Geräusche in einer Wohnung; egal wie groß sie war. Man hörte manchmal Dinge, die man sich hin und wieder auch lediglich einbildete. Vor allem wenn man oft solche Horrorträume hatte wie ich und obendrein an Verfolgungswahn litt.

In der Küche, oder besser gesagt: In dem kahlen Raum angekommen, zu dem ich wollte, knipste ich das Licht an. Nur hier brannte eine Glühbirne, die an einem trostlosen grauen Kabel hing. So weit unten, dass ich ihr ausweichen oder den Kopf einziehen musste. Die Einzige. Den Rest der Wohnung leuchtete ich meist in der Nacht oder abends mit dem Display meines Handys aus. Hin und wieder gab es auch Kerzen. Jedoch hatte ich nicht viel. Hinzukommend war meine Wohnung eher klein. Sie bestand nur aus der besagten Küche in der gerade einmal drei Personen nebeneinander Platz fanden; einem Bad mit einer Toilette inklusive Dusche und einem kleinen Zimmer in dem ich schlief.

Black Shadow - Wer bin ich? PAUSIERT/WIRD BEARBEITET)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt