Kapitel 6 - Peinlich hoch 2

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Es hatte echt gut getan, mit Müri zu sprechen und ihr alles zu erzählen. Ich hatte mich danach gleich viel besser gefühlt, vielleicht auch, weil sie mich gezwungen hatte, danach mit ihrer Familie zu Abend zu essen. Ich hatte auch bei ihr übernachtet, so dass ich mich nicht in Vitos T-Shirt vergraben musste, sondern mit ihr tratschen konnte, bis schon fast die Sonne aufgegangen war.

Sie zwinkerte mir zu. Wir standen mit den anderen vor unserem Sportlehrer und warteten nur darauf, dass die Stunde endlich um war. Ich freute mich richtig auf den Gegenschlag.

Nach dem Unterricht huschten wir dann als erste aus der Halle und hasteten zu den Garderoben.

„Komm schon!", rief mir Müri mit gesenkter Stimme zu und winkte mich eilig zu sich. Sie zog die Tür zur Jungengarderobe auf und wir drücken uns hinein. In dem Raum herrschte stickige Luft und wir beeilten uns, Vitos Sachen zu finden. Systematisch gingen wir von vorne nach hinten. Ich erkannte seine Kleider an einem schwarzen Band-T-Shirt, welches ich in seinem Zimmer gesehen hatte.

„Hier, ich hab sie! Wir können gehen", rief ich meiner Freundin zu, packte Vitos Kleider und rannte zur Garderobe hinaus. Müri folgte mir lachend. Genau in dem Moment, als wir um die Ecke der Gangs bogen und uns in Sicherheit brachten, tauchten die ersten Jungs auf. Ich hielt mir die Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen. Müri warf mir einen amüsierten Blick zu.

Danach konnten wir nichts weiter tun, als zu warten. Wir liessen uns der Wand entlang zu Boden gleiten und zogen die Beine an. Vitos Kleider hatte ich neben mir deponiert. Schweigend sassen wir da und lauschten. Ich schaute gebannt auf meine Uhr und als drei Minuten um waren, stupste ich Müri an und wir schlichen wieder zur Garderobe. Müri öffnete die Tür einen Spalt breit und spähte hinein. Ein breites Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht. „Bereit?", fragte sie mich und ich nickte. „Dann los!"

Sie riss die Tür auf, wir sprengten in den Raum hinein, hatten ihn mit drei Schritten durchquert und ich schnappte mir Vitos Sportsachen, während mir Müri den Rücken freihielt. Wir waren so schnell, dass die Jungs kaum Zeit hatten zu reagieren. Auf dem Rückweg zur Tür packte mich jemand am Arm, aber ich riss mich gekonnt los. Lachend stürmten wir auf den Gang hinaus. Hinter uns ertönten wütende Rufe und keine zwei Sekunden später setzte uns jemand nach. Ich atmete unregelmässig, weil ich die ganze Zeit über lachen musste, und meine Seite begann zu stechen. Zum Glück war die Person hinter uns nicht sonderlich schnell.

Als mich Müri um eine Ecke zog, sah ich über die Schulter zurück. Ich prustete los. Die Szene war einfach zum Schreien. Vito, der sich ein Badetuch um die Hüfte geschlungen hatte, rannte den Gang entlang auf uns zu. Er konnte aber nur mickrige Entenschritte machen, weil seine Garderobe nicht viel mehr zuliess, wenn er uns nicht alles von sich zeigen wollte.

Ich war stehen geblieben und ein regelrechter Lachanfall schüttelte mich. Erst da merkte ich, dass er zu uns aufgeschlossen hatte und Bremsen für ihn absolut unmöglich war, denn seine Füsse waren ja nass, weil er gerade erst der Dusche entstiegen war. Wir starrten uns kurz und entsetzt in die Augen, dann knallte er auch schon in vollem Karacho in mich hinein. Ein spitzer Schrei entfuhr meiner Kehle, als er mich mit sich zu Boden riss. In letzter Sekunde drehte er mich so, dass er zuerst auf dem harten Boden aufschlug. Ehe ich mich versah, lag ich auch schon auf ihm und starrte ihm wieder in seine eisblauen Augen. Vor Schreck rührte sich erste einmal keiner von uns. Wir befanden uns wahrscheinlich in einer Art Schockstarre.

Die Situation war mehr als peinlich, denn erstens lag ich auf meinem Erzfeind, der aufgrund unseres genialen Racheschlags zweitens nichts anhatte, und drittens hatte sich unterdessen eine amüsiert gaffende Menge um uns versammelt.

Sein Blick fesselte mich noch immer. Das Blau seiner Iris war so intensiv, dass ich mich total in seinen Augen verlor.

„Küss sie, Da Costa!", rief da plötzlich jemand aus der Menge und wurde natürlich gleich lautstark von den anderen Jungs unterstützt. Sie schrien im Chor und ich wollte mich einfach nur in Luft auflösen.

Bis zum letzten AkkordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt